190 Regimegegner haben sich am Donnerstag zu einer Kundgebung auf dem Rathausplatz versammelt. Wieder stand ein Gießener Kommunalpolitiker im Fokus.
Gießen. Eritrea zum Dritten: Genau zwei Wochen, nachdem Regime-Anhänger vor dem Rathaus gegen den Angriff auf ihr Festival am 20. August demonstriert hatten, bei dem damals etliche Besucher und Polizisten verletzt worden waren, machten am Donnerstagnachmittag wieder die Regimegegner am selben Ort mobil. Dabei stand erneut ein Gießener Kommunalpolitiker im Fokus, der wie schon vor zwei Wochen nicht vor Ort war.
»Danke Klaus-Dieter Grothe« war auf Plakaten mit dem Konterfei des grünen Stadtverordneten zu lesen. Auf der Rednerbühne wurde der Mann, dessen Rücktritt die Regimeanhänger vor 14 Tagen gefordert hatten, nun als »wahrer Freund« und »deutscher Eritreer« gefeiert. Dafür rückten andere in die Kritik. Der stellvertretende Vorsitzende des Gießener Ausländerbeirates, Mutaz Faysal, erntete nur wenig Beifall, aber vereinzelte Buhrufe für eine im Gremium gemeinsam verfasste Rede, in der noch einmal der Gewaltausbruch vom 20. August verurteilt wurde, man ansonsten in einem »innereritreischen Konflikt« aber neutral bleiben und keine Stellung beziehen wolle.
Abwesende Politik
Ähnlich hatte das auch am 6. Oktober geklungen, allerdings hatten bei der Demonstration der Regierungsanhänger mit Eden Tesfaghioghis und Lemlem Kaleab gleich zwei Mitglieder des Gremiums aus ihren Sympathien für die Unterstützer von Despot Isayas Afewerki keinen Hehl gemacht. Obendrein zeigte der Ausländerbeirat, der in einer ersten Stellungnahme nach den Ausschreitungen an den Hessenhallen Grothes Rücktritt gefordert hatte, gleich mit vier Mitgliedern Präsenz. Diesmal war nur Faysal vor Ort.
Enttäuscht waren die Veranstalter auch von der Absage von Frank-Tilo Becher. Während der Oberbürgermeister vor kurzem bei einer Demonstration von Exil-Iranern noch einen flammenden Appell für die Menschenrechte gehalten hatte, gab er den eritreischen Organisatoren einen Korb. »Er hat gesagt, dass er diesen Konflikt nicht weiter anheizen wolle«, sagte eine frustrierte Rut Bahta von der oppositionellen Organisation »United4Eritrea«, die die Kundgebung mitorganisiert hat.
Die Regierung von Machthaber Isayas Afewerki hatte erst vor knapp einer Woche ihren repressiven Charakter unter Beweis gestellt, als sie den eritreischen Bischof Fikremariam Hagos nach der Rückkehr von einer Europareise, bei der er auch Gemeinden in Deutschland besuchte, noch auf dem Flughafen der Hauptstadt Asmara festnehmen ließ. Der katholische Geistliche hatte in mehreren Hirtenbriefen die Politik der Regierung angeprangert. Allerdings habe er das schon seit Jahren getan, sagt Bahta, die einen anderen Grund für die Inhaftierung vermutet. Bischof Hagos stamme aus der gleichen Region, aus der auch viele der Jugendlichen stammten, die die Hessenhallen angegriffen haben. Kurz nach dieser Tat hatten Sprecher der Regierung in sozialen Netzwerken bereits eine umfassende Vergeltung angekündigt.
Wie schon vor zwei Wochen waren auch zur Kundgebung der Regimegegner Menschen aus ganz Deutschland angereist. Der Maschinenanlagenführer Robel beispielsweise war extra aus Bamberg nach Gießen gekommen, um gegen die Regierung zu demonstrieren, vor der er mit 15 Jahren durch die Wüste und über das Mittelmeer geflohen war, weil er dem jahrzehntelangen Wehrdienst in Eritrea entgehen wollte. »Meinen Vater habe ich nie gesehen«, sagt der junge Mann, »der muss seit Jahren für Afewerki als Soldat kämpfen.
Nach Angaben der Polizei nahmen mit 190 Demonstranten deutlich weniger Menschen an der Oppositionskundgebung teil als von den Veranstaltern angemeldet. Die hatten mit 800 bis 1000 Teilnehmern gerechnet. Die Regierungsanhänger hatten vor zwei Wochen immerhin 600 Unterstützer mobilisiert.
Die Versammlung am Donnerstag verlief laut Polizei »friedlich und ohne besondere Vorkommnisse«. Allerdings hatten Polizisten in der Innenstadt sieben Männer wiedererkannt, die in dringendem Verdacht stehen, an den gewalttätigen Angriffen auf das Eritrea-Festival beteiligt gewesen zu sein. Die Männer durften nach einer Identitätsfeststellung und einer erkennungsdienstlichen Behandlung an der Kundgebung auf dem Rathausplatz teilnehmen.