Die Grünen in Gießen loben das "durchdachte Konzept" der "Nachttanzdemo". Bürgermeister Peter Neidel hat jedoch Bedenken, dass Veranstaltungen "unter dem Deckmantel des...
. Giessen (bl). Taugt die "Nachttanzdemo" als Blaupause dafür, wie kulturelle Darbietungen mit Musik und Tanz auch während der Corona-Pandemie hygienisch sicher durchgeführt werden können? Die Organisatoren sind jedenfalls davon überzeugt und haben eine Petition an den Magistrat gerichtet, die ein "vereinfachtes Verfahren" bei einer Versammlung unter freiem Himmel anregt (der Anzeiger berichtete). Eine wesentliche Rolle sollen dabei die "Gießener Kreidekreise" auf öffentlichen Flächen spielen, die bei einem Durchmesser von dreieinhalb Metern nach vorheriger Anmeldung bis zu zehn Personen "abstands- und maskenlos" zugänglich wären. Zu anderen Gruppen bliebe die Distanz gewahrt. Unterstützung kommt jetzt von den Grünen. Mit ihrem "gut durchdachten Konzept" hätten die Macher der Bevölkerung "im doch eher eintönigen Corona-Sommer einen Abend voller Vielfalt, Solidarität und des gemeinsamen Feierns ermöglicht", betont Sophie Müller von Stadtvorstand und Grüner Jugend in einer Pressemitteilung. Noch im Herbst seien auf dieser Grundlage weitere Veranstaltungen geplant, die im kontrollierten Rahmen Künstlern die Chance auf ein Einkommen und den Gießenern zur kulturellen Teilhabe geben sollen.
Auch Joachim Grußdorf verweist als kulturpolitischer Sprecher der Grünen darauf, dass "unsere aktive und kreative Kulturszene, die zu einem großen Teil aus kleinen unkommerziellen Initiativen besteht", zu den Besonderheiten der Stadt gehöre. Corona und die damit verbundenen Beschränkungen hätten diese Szene hart getroffen. Die Grünen befürworten daher grundsätzlich die in der Petition formulierten Forderungen nach einer erleichterten Anmeldung und dass die Stadt über die Kulturförderung den Zugang zu Strom und Toiletten bereitstellt sowie sich um die Entsorgung von Müll kümmert. "Für uns ist klar: Menschen brauchen Orte und Freiräume zum Treffen, Austausch und zum gemeinsamen Feiern. Diese nehmen sie sich sowieso. Wer in diesem Sommer abends in Gießen unterwegs war, hat immer wieder Menschen gesehen, die sich in kleineren Gruppen bei den Lahnwiesen, den Gebäuden der Angewandten Theaterwissenschaften oder am Schwanenteich zusammengesetzt haben", argumentiert Sophie Müller. Insofern sei es nur sinnvoll, dies in geregelte Bahnen zu lenken, wie es bei der "Nachttanzdemo" mit knapp 1000 Teilnehmern gut funktioniert habe.
Aus dem Rathaus hieß es vor zwei Wochen noch, dass die Anliegen der Antragsteller im Zuge der Nachbereitung geprüft würden. Bürgermeister Peter Neidel verdeutlichte jedoch jüngst gegenüber dem Anzeiger, dass zwar einerseits die Demonstrationsfreiheit - unter Corona-Bedingungen mit Auflagen - ein hohes und zu schützendes Gut sei, dass andererseits auch den Kulturschaffenden soweit möglich geholfen werden müsse. Kritisch sehe er allerdings, wenn "offenkundig unter dem Deckmantel des Versammlungsrechts Veranstaltungen und Kulturevents beabsichtigt sind". Denn dies könne "nicht im Interesse des Gesundheitsschutzes und der Allgemeinheit sein".