Studierende der JLU in Gießen geben alter Kleidung neues Leben. Mit ihrem Onlineshop soll auch Müll reduziert und die Umwelt geschont werden.
Gießen. Gigantische Müllberge türmen sich in der Atacama-Wüste in Chile. Der Müll kommt aus Europa: Es ist Kleidung, die illegal entsorgt wird. Als Julia Mithin und Till Schreiber eine Doku über diese »Fast-Fashion«-Wüste sehen, ist das für die beiden jungen Menschen ein Wendepunkt: »Wir waren geschockt und wollten dem entgegenwirken. Es ist verrückt, dass unsere Kleidung in der Wüste landet«, findet Till Schreiber. »Fast Fashion« - billig produzierte Mode, die schon bald nach dem Kauf gegen das nächste Stück ausgetauscht wird - wollen die beiden nicht länger unterstützen und gründen einen Onlineshop für Second-Hand-Mode. Ihre Vision: Nachhaltige Kleidung, die bezahlbar ist.
Denn das Einkaufen in Läden, die sich auf Vintage-Mode spezialisiert haben, gehe häufig ins Geld, hat Till Schreiber festgestellt. Der 23-Jährige, der an der Justus-Liebig-Universität (JLU) Wirtschaftswissenschaften studiert, trägt selbst ausschließlich Kleidung aus zweiter Hand. Damit schone man nicht nur die Umwelt, sondern bekomme mitunter auch bessere Qualität für einen angemessenen Preis: »Die Stoffe sind teilweise viel dicker und hochwertiger«, sagt der Student und zeigt auf sein dunkelgrünes Sweatshirt, das älter ist, als er selbst.
Nachhaltigkeit im Blick
Für ihren Shop »JuT Vintage« stöbern die beiden auf Flohmärkten, in Second-Hand-Läden oder auch im Internet. »Wir kaufen nur das, was uns gefällt und wir auch selbst tragen würden«, betont Julia Mithin, die an der JLU Bewegung und Gesundheit studiert. Von großen Paketen, in denen man die Ware nicht Stück für Stück begutachten kann, nehmen sie Abstand. Zu groß sei das Risiko, dass mehrere Klamotten darunter sind, die sie nicht weiterverkaufen können oder wollen - etwa, weil der Zustand nicht ihren Ansprüchen genügt. »Das wäre das Gegenteil von nachhaltig.« Dabei suchen die beiden vor allem nach bestimmten Marken, von denen sie wissen, »dass die Qualität gut ist«. Online können die Kunden bei ihnen dann sowohl nach Marken als auch nach Kategorien stöbern.
Kleidung sortieren, nach Flecken oder Schadstellen absuchen, waschen, bügeln, fotografieren und für den Versand verpacken - all das machen die beiden in ihrer Wohnung. »Gerade wenn neue Ware ankommt, herrscht erstmal Chaos«, sagt die Studentin und lacht. Die Organisation ist dabei Teamwork: Während er die neue Ware bügelt, fotografiert sie die einzelnen Stücke für die Webseite.
Für seinen Onlineshop hat das Paar eine GbR gegründet. »Am Anfang hat jeder von uns etwas Geld zur Verfügung gestellt, davon haben wir die ersten Klamotten gekauft.« Das so verdiente Geld wird re-investiert: In neue Ware, aber auch eine Bügelstation oder ab und an mal Werbeanzeigen in den sozialen Medien. Beim Lagern der vielen Klamotten helfen die drei Meter hohen Decken ihrer Wohnung: Die beiden Studierenden haben über den Kleiderschränken Stangen für Duschvorhänge angebracht, an denen sich nun ein Vintage-Sweatshirt an das Nächste reiht. Bei Besuchern sorge das Kleiderladen-Flair mitunter für Verwunderung, aber auch Freunde und Familie stöberten gerne mal in den Fundstücken aus den vergangenen Jahrzehnten.
Im Sommer fliegen Julia Mithin und Till Schreiber nach Asien - sowohl, um dort Urlaub zu machen, aber auch für ihren Job. Denn dort boome der Second-Hand-Markt mittlerweile und beide hoffen, auf ihrer Reise mit Großhändlern in Kontakt zu kommen. Auch in Großbritannien und den Niederlanden haben sie bereits Kleidung gekauft, die sie dann von Gießen aus unter die Vintage-Fans gebracht haben.
Damit ihr Onlineshop auch in der gerade laufenden Klausurenphase gut bestückt ist, haben sie vorgearbeitet, neue Kleidung kaufen sie erst wieder in der vorlesungsfreien Zeit ein. »Die Uni hat Priorität.« Gleichzeitig sei die Arbeit für ihr eigenes kleines Unternehmen und der Kontakt zu ihren Kunden ein guter Ausgleich neben dem Lernen.
Regelmäßig werden sie bei ihren Erkundungstouren aber auch für sich selbst fündig: Als die beiden Anfang des Jahres im Skiurlaub waren, sauste Julia Mithin in einem Skianzug über die Pisten, in dem beim Kauf noch ein Zettel aus dem Jahr 1994 steckte. »Er sah immer noch so gut aus und hatte überhaupt keine Mängel. Es wäre doch schade, dieser Kleidung keine zweite Chance zu geben.«
Von Eva Pfeiffer