Die vier Journalisten wurden am 26. Juli nach ihrer Rückkehr aus einem von den Taliban kontrollierten Distrikt inhaftiert, ihnen wird vorgeworfen "feindliche Propaganda zu...
GIESSEN. Meinungsfreiheit ist ein Menschenrecht - und dennoch wird dieses Recht noch immer in vielen Teilen der Welt unterdrückt. Hervorgegangen aus einer studentischen Initiative, hat es sich der Gießener Verein "Gefangenes Wort" zur Aufgabe gemacht, auf die Gefährdung der Meinungs- und Pressefreiheit aufmerksam zu machen. Seit der Gründung im Jahr 2012 stellen Studierende und Alumni der Justus-Liebig-Universität (JLU) einmal im Monat im Gießener Anzeiger ein Schicksal zensierter, bedrohter, inhaftierter und ermordeter Journalisten und Schriftsteller vor. Diesmal berichtet Dennis Klose über vier Journalisten aus Afghanistan.
Bismillah Watandost, Qudrat Sultani, Mohib Obaidi und Sanaullah Siyam befinden sich derzeit in der afghanischen Großstadt Kandahar in Haft. Sie wurden am 26. Juli nach ihrer Rückkehr aus einem von den Taliban kontrollierten Distrikt inhaftiert, ihnen wird vorgeworfen "feindliche Propaganda zu verbreiten". Die vier Journalisten sind zuvor dorthin gereist, um Angriffe auf die Zivilbevölkerung zu untersuchen.
Bismillah Watandost, Qudrat Sultani, Mohib Obaidi und Sanaullah Siyam waren in den afghanischen Spin Boldak Bezirk gereist, um Meldungen über Tötungen von Zivilisten durch die Taliban nachzugehen. Drei der Journalisten arbeiten für den Radiosender "Millat Zagh Radio" mit Sitz in Kandahar. Die Nationale Sicherheitsdirektion, welche die Festnahme veranlasst hat, wirft den Journalisten vor, feindliche Propaganda zu verbreiten. Auch beharrte die Behörde darauf, dass die Inhaftierten den Spin Boldak Bezirk, trotz Warnungen seitens der Regierung betreten hätten. In dem Bezirk ist erst zwei Wochen zuvor der indische Fotojournalist Danish Siddiqui infolge eines Angriffs der Taliban auf das afghanische Militär umgekommen. Eine offizielle Anklage gegen die Journalisten liegt bislang nicht vor.
Die Inhaftierung ist nur ein weiteres Beispiel des zunehmenden Drucks gegenüber Journalistinnen und Journalisten sowie kritischer Berichterstattung seitens der afghanischen Behörden. Zuletzt verkündete die Staatsanwaltschaft, dass eine Berichterstattung wider nationaler Interessen eine "Straftat" sei. Ein ähnliches Vorgehen fand im Oktober 2020 statt, als der afghanische Vizepräsident die Verhaftung derjenigen Personen anordnete, die über die zivilen Opfer eines afghanischen Luftangriffs berichteten.
Der erstrebte Wandel zu demokratischen Werten ist 20 Jahre nach der militärischen Entmachtung der Taliban in 2001 kaum noch spürbar. Der Abzug der Nato-Truppen sorgt für eine weitere Anspannung der Situation, unter der vor allem die Zivilbevölkerung leidet. Große Teile des Landes sind unter Kontrolle der Taliban, hierdurch steht auch die Bedrohung für Journalisten auf der Tagesordnung, was gezielte Angriffe zeigen. Die Inhaftierung der vier Journalisten vermittelt den Eindruck, als hätten sowohl die Taliban als auch die afghanische Regierung ein Interesse daran, die Medien im Land zum Schweigen zu bringen. Mehrere internationale Stimmen haben die Verhaftungen bereits verurteilt, so fordert etwa das "Afghan Journalists Safety Commitee" (Afghanisches Sicherheitskomitee für Journalisten) die sofortige Freilassung der Inhaftierten. Auch Amnesty International äußerte bereits Sorge um die Journalisten und fordert ebenfalls die sofortige Freilassung.
Die aktuelle Situation zeigt einmal mehr, dass Reporter in Kriegsgebieten nicht nur der ständigen Gefahr von Angriffen auf ihr Leben ausgesetzt sind. Auch die politische Verfolgung seitens des Staates ist eine ständig präsente Bedrohung.