Gießener Weststadt: Fast jedes zweite Kind ist arm

Wer arbeitslos ist, muss den Euro zweimal umdrehen. Auch, wenn in Gießen die Zahl der Hartz-IV-Empfänger zurückging, bleibt Armut ein großes Problem.   Symbolfoto: dpa
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Der Sozialbericht zeigt für 2018 und 2019 keine großen Veränderungen. Die Bevölkerung wächst, die Arbeitslosenzahl sinkt leicht, bleibt in den sozialen Brennpunkten aber...

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GIESSEN. Vorgestellt und zur Kenntnis genommen wurde im Gießener Sozialausschuss zum zweiten Mal eine Zusammenstellung von Daten zur Sozialberichterstattung. Während die erste Datensammlung aus dem Jahr 2017 stammt, wird diese nun für 2018 und 2019 weitergeführt. Überraschende Entwicklungen lassen sich aus den Zahlen nicht herauslesen, wohl aber die Fortsetzung lang anhaltender Trends.

Bevölkerungsentwicklung

2019 stieg die Einwohnerzahl der Stadt von 87 576 Einwohnern auf 88 606. Allerdings verlief dieser Zuwachs nicht gradlinig. Während die meisten Stadtteile zulegten, verloren eher ländlich geprägte Stadtteile wie Rödgen und Schiffenberg sogar Einwohner.

Arbeitslosigkeit

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Die Zahl der Arbeitslosen stieg in Gießen im vergangenen Jahr von 5,2 auf 5,6 Prozent. Den größten Sprung machte die Zahl der Arbeitslosen dabei in den Stadtteilen, in denen sie ohnehin schon am größten war. So stieg die Quote in Gießen Nord von 8,3 auf 8,8 Prozent und in der Weststadt von 8,9 auf 10,1 Prozent.

Sozialleistungen

Die Zahl der Empfänger von Sozialleistungen nach SGB II, zu denen neben dem Arbeitlosengeld II auch Sozialgeld gehört, sank 2019 dagegen leicht von 13,7 auf 13,4 Prozent. Deren Anteil ist in der Weststadt am höchsten. Dort bezieht mehr als jeder vierte Einwohner unter 65 Jahren Transferleistungen. Am anderen Ende der Skala findet man Lützellinden. Hier liegt die SGB II-Quote nur bei 6,2 Prozent.

Kinderarmut

Weiterhin besonders hoch ist die Kinderarmut in der Stadt, auch wenn sie leicht gesunken ist. Nach wie vor wächst mehr als jedes vierte Kind in Gießen in Bedarfsgemeinschaften auf. Auch hier ist der Anteil in der Weststadt am höchsten, in der 43,3 Prozent der Nichtvolljährigen von Transferleistungen abhängig sind. In der Nordstadt waren es 38,5 Prozent. Allerdings sank in beiden sozialen Brennpunkten der Anteil der Betroffenen im Vergleich zu 2018 leicht.

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Ausländeranteil

Noch einmal deutlich gestiegen ist die Zahl der ausländischen Einwohner Gießens, nämlich von 14 976 im Jahr 2018 auf 15 795 im Vorjahr. Den größten Teil von ihnen stellen nach wie vor türkische Staatsbürger dar, auch wenn deren Zahl leicht von 2101 auf 2080 sank. Auf den Plätzen zwei und drei folgen die Syrer (1683) und Eritreer (741). Beide Volksgruppen wuchsen im Vergleich zu 2018. Die kleinsten Nationalitäten, die in der Tabelle separat erfasst werden, sind Israelis mit 50 Bürgern, Armenier (52) und Libyer (52)

Aufenthaltsdauer

Mehr als die Hälfte der in der Stadt registrierten ausländischen Staatsbürger hält sich seit weniger als sechs Jahren im Bundesgebiet auf. Besonders hoch ist auch die Zahl derer, die schon länger als 30 Jahre in Deutschland leben. Hier zeigen sich in der Statistik die demografischen Echos der Gastarbeiteranwerbung in den 1960er Jahren und der Flüchtlingskrise von 2015.

Schüler

Trotz wachsender Bevölkerung ist die Zahl der Schüler leicht von 16 830 auf 16 700 gesunken. Der Anteil der Gymnasiasten stieg dabei von 3482 auf 3505 Schüler. Auch der Anteil der Berufsschüler (6262) und der Grundschüler (2361) stieg leicht, während der der Gesamtschüler etwas sank (4042).

Gießen-Pass

Ein Indikator für die Armut in der Stadt ist der Gießen-Pass, der allen bedürftigen Einwohnern Ermäßigungen bei Busfahrkarten, beim Eintritt ins Schwimmbad oder bei Volkshochschulen gewährt. Die Zahl der Gießen-Pass-Bezieher ist nach einem Anstieg im Vorjahr auf 5480 in diesem Jahr mit 5171 auf den niedrigsten Wert seit Erfassung dieser Daten in der Sozialberichterstattung gesunken.

Sozialer Wohnungsbau

Während Gießen wächst, sinkt die Zahl der öffentlich geförderten Sozialwohnungen kontinuierlich, von 2481 im Jahr 2017 auf 2463 (2018) auf 2313 (2019). Die Zahl der Menschen, die einen Anspruch auf eine Sozialwohnung haben, ist im Berichtszeitraum allerdings ebenfalls von 1066 auf 970 zurückgegangen. Deutlich gesunken ist die Zahl der Haushalte, die eine Fehlbelegungsabgabe zahlen müssen, weil sie aufgrund ihrer Einkommenssituation keinen Anspruch mehr auf eine Sozialwohnung haben. Die Zahl der Fehlabgabenzahler fiel von 294 (2017) auf 257 im vergangenen Jahr.