„Gute Überlebenschance“ für Poppe in Gießen

Archivfoto: Schultz

Frank Müller, Betriebsratsvorsitzender der Poppe GmbH in Gießen und Arbeitnehmervertreter im Veritas-Aufsichtsrat, bestätigte, dass es Interessenten für Gesamtunternehmen...

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GIESSEN. Giessen. Der Betrieb des weltweit agierenden Automobilzulieferers Veritas AG ist fünf Wochen nach Beginn des vorläufigen Insolvenzverfahrens stabilisiert worden, so der vorläufige Insolvenzverwalter Dr. Jan Markus Plathner. „Wir haben die Materialversorgung sichergestellt und die Insolvenzgeldvorfinanzierung umgesetzt“, berichtet der Automotive-Experte der Kanzlei Brinkmann & Partner, die seit dem 30. April vom Amtsgericht Hanau bestellter vorläufiger Insolvenzverwalter der Veritas AG ist.

Die Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit funktioniere sehr gut, komplexe Fragen zur Anwendung der Regeln bei gleichzeitiger Gewährung von Kurzarbeiter- und Insolvenzgeld seien gemeinsam geklärt worden, lobt Plathner. Ebenso betont er, dass man in ständigem Austausch mit den Kunden sei, die sich sehr für den Erhalt des Unternehmens engagieren würden.

Ähnlich sieht es Veritas-Betriebsratsvorsitzender Glenn Lawrence: „Die Leute hier ziehen alle gut mit“. Natürlich sei die Belegschaft durch die von Corona ausgelöste akute Krise verunsichert, zumal man sich bereits seit Längerem in einem Umstrukturierungsprozess verbunden mit Personalabbau vor allem im Stammwerk in Gelnhausen befunden habe.

Die Veritas AG beschäftigt rund 2200 Mitarbeiter in Deutschland und verfügt über Tochtergesellschaften mit eigenen Produktionsstandorten in Gelnhausen und Gießen, Neustadt, Polenz (Sachsen) und Benshausen (Thüringen). Neben den nationalen Tochtergesellschaften bestehen Werke in Bosnien und Herzegowina, Österreich, Ungarn, der Türkei, China und Mexiko. Insgesamt bietet die Veritas Gruppe weltweit 4400 Arbeitsplätze.

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Die Produktion wurde gegenüber dem April wieder hochgefahren, sagt Plathner und zahlreiche Mitarbeiter habe man bereits aus der Kurzarbeit zurückholen können. „Wir haben sofort mit der Suche nach Investoren begonnen, und es haben sich bereits Interessenten gemeldet, was mich freut“, so der Insolvenzverwalter. Er weist allerdings auch darauf hin, dass die – nicht zuletzt durch Corona ausgelöste – schwierige Situation im Automobilzulieferer-Bereich auch Einschnitte bei der Veritas Gruppe zur Folge haben kann. Gleichwohl zeigt sich der vorläufige Insolvenzverwalter optimistisch: „Ich bin froh, dass trotz dieser schwierigen Situation bei allen Beteiligten, insbesondere der Belegschaft, eine hohe Motivation vorhanden ist, um Veritas neu aufzustellen.“

Zwei Interessenten

Lawrence spricht von mindestens zwei Interessenten, weiß aber nicht, ob diese am Gesamtkonzern oder einzelnen Sparten interessiert sind. Frank Müller, Betriebsratsvorsitzender der Poppe GmbH in Gießen und Arbeitnehmervertreter im Veritas-Aufsichtsrat, ergänzt auf Anfrage, dass es Interessenten für die Gruppe sowie auch Interessenten für einzelne Standorte gibt. Welche das sind, könne er derzeit aber nicht sagen. Zumindest sollten die Überlebenschancen für Poppe gut sein, da „das Werk recht autark arbeitet und auch Nicht-Automotive-Kunden bedient“. So lobte Plathner Poppe bereits kurz nach der Insolvenzübernahme.

Auch Müller ist guten Mutes. Stammkunde BMW habe bereits wieder eine zweite Schicht angefahren, und die Aufträge nähmen nach der Corona-Talsohle wieder zu. Auch die Lohnfortzahlung sei nach etwas schleppendem Start mittlerweile stabil. Corona macht dem Betriebsrat aber auch an einer anderen Front zu schaffen. „Wir können wegen der Pandemie noch nicht einmal eine Betriebsversammlung machen, obwohl die dringend nötig wäre.“

Zuversichtlicher mache ihn dagegen der Rückhalt in der Politik, sei es bei der Oberbürgermeisterin, sei es bei der SPD, die sich zu einer Betriebsbesichtigung angesagt habe. Und auch der Insolvenzverwalter genieße ja einen guten Ruf.

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Seit der Anmeldung am 30. April befindet sich Veritas im vorläufigen Insolvenzverfahren. Sollte sich daran in den nächsten Wochen nichts ändern, ginge der Konzern dann am 1. August in die reguläre Insolvenz.