Polizei und Ordnungsamt loben das vorbildliche Verhalten der Gießener Bevölkerung beim Jahreswechsel. Am UKGM musste man dennoch wegen einiger Böller-Verletzungen...
GIESSEN. Die Silvesternacht in Gießen beginnt mit einer ungewöhnlichen Maßnahme. Eine, die in normalen Zeiten wohl schwer vorstellbar wäre und die deshalb sogar in den Sozialen Medien wahrgenommen wurde. "Habt Ihr das gehört? Hier fährt das Ordnungsamt mit Lautsprecherwagen durch die Stadt", schreibt eine Nutzerin auf Instagram. Mitten in der fast schon gespenstischen Stille des letzten Abends im alten Jahr hört man die mantra-artige Stimme, die eindringlich dazu auffordert, die Wohnung nicht zu verlassen und die Ausgangssperre einzuhalten. Diese Ansage war eine der Präventivmaßnahmen für die Silvesternacht. Was beim Gang durch die Innenstadt am späten Abend auffällt: Die Leute halten sich daran und die Straßen wirken verwaist.
Der Grund ist sowohl hörbar wie auch sichtbar. Durch den anhaltenden Schneefall haben sich viele Leute in ihre eigenen vier Wände zurückgezogen. Aus vielen offenen Fenstern der hellen Wohnungen ertönt Gelächter, Geplauder und Musik. Manch einer beschwert sich darüber, dass für die Raclettepfännchen zu knapp kalkuliert wurde oder dass die Musikrichtung die falsche sei. Es wird gefeiert, wenn auch gedämpfter als sonst.
Um punkt Mitternacht wird es dann doch noch mal laut in der Innenstadt. Auf den Balkonen und aus den Fenstern wird laut gejubelt, die Kirchenglocken läuten, und dann ertönen doch einige Feuerwerkskörper, die wohl mancher noch aus dem letzten Jahr gebunkert hatte. Für kurze Zeit kommt annähernd normale Stimmung auf. Der Abschied für ein Jahr, das sicherlich die Wenigsten vergessen werden.
Polizei, Ordnungsamt und Feuerwehr zeigen sich tags darauf in ihrer Pressemitteilung mit der Bilanz des Abends zufrieden. Erstmals war für die Silvesternacht ein gemeinsames Lagezentrum für Ordnungsamt und Polizei in der Leitstelle der Ordnungspolizei eingerichtet worden, das bis gegen 2 Uhr durchgängig von beiden Behörden besetzt war. "Eine sehr ruhige Angelegenheit", fasst Bürgermeister und Ordnungsdezernent Peter Neidel die Eindrücke zusammen. Offensichtlich hätten sich die intensiven Maßnahmen zur Aufklärung ausgezahlt, so Neidel weiter. Die Bevölkerung habe sich vorbildlich verhalten.
Bis zum Dienstende des Ordnungsamtes gegen 2 Uhr gab es kaum nennenswerte Vorfälle zu berichten. Nahezu immer seien die wenigen angetroffenen Personen entsprechend legitimiert gewesen. "Der sich ja schon früh andeutende ruhige Verlauf hat sich während der gesamten Nacht bestätigt", erklärt Polizeidirektor Joachim Bernard. Laut Polizeihauptkommissar Oliver Bens blieb die Nacht "cool, ruhig und entspannt". Es habe kaum Verstöße gegeben. Lediglich in der ersten Stunde nach dem Jahreswechsel hätten sich an wenigen Orten kleinere Gruppen zusammengefunden, das sei aber unkritisch gewesen. "Die Menschen haben sehr besonnen reagiert. Wir hatten ein paar Fälle wie sonst an Silvester, meistens den Klassiker: Ruhestörung wegen zu lauter Musik", so Bens weiter.
Weniger Alkohol-Probleme
Ähnlich äußert sich Feuerwehrchefin Martina Klee: "Wir hatten einen größeren Einsatz in der Nacht. Einen Garagenbrand in Wieseck, der uns insgesamt knapp zwei Stunden beschäftigte." Kleinbrände wie sonst an Silvester gab es laut Klee in diesem Jahr keine. Aufgrund der Situation sei man dazu übergegangen, in diesem Jahr nicht zusammen auf der Feuerwache zu sitzen. "Wir waren stattdessen alle in Alarmbereitschaft, auch weil wir aufgrund der Umstände mit weniger Betrieb gerechnet hatten", berichtet die Feuerwehrchefin.
Aus Sicht der Kliniken war es ebenfalls eine recht ruhige Silvesternacht, dennoch gab es einzelne Behandlungsfälle, wie von Unfallchirurg Dr. Kai Unzeitig aus der Zentralen Notaufnahme des Uniklinikums (UKGM) zu erfahren ist. "Trotz der Einschränkungen hatten wir drei schwerwiegendere Handverletzungen durch Böller, bei einem der Fälle war ein Kind beteiligt", so der Oberarzt. Die Anzahl an körperlichen Auseinandersetzungen durch Alkohol sei in diesem Jahr aber deutlich geringer als sonst. "Dennoch haben wir die Nacht über durchgearbeitet. Wir dachten, dass es mit den Einschränkungen ruhiger werden würde als sonst, wurden dann aber eines Besseren belehrt", resümiert Unzeitig.
Eine andere Lage schildert die Leiterin der Zentralen Notaufnahme des St. Josefs Krankenhauses-Balserische Stiftung, Gertrud Hanis. "Die Silvesternacht war ruhiger als sonst. Verletzungen durch Böller hatten wir keine, ebenso hatten wir keine alkoholbedingten Fälle. Es war wie ein normaler Sonntag", so Hanis. Eine ähnliche Erfahrung hat Oberarzt Marcel Krug vom Evangelischen Krankenhaus gemacht. Die Nacht sei sehr ruhig gewesen und außer kleineren Verbrennungen gab es kaum ambulante Versorgungen, alkoholbedingte Fälle gar keine. "Die Einschränkungen haben uns da gutgetan. Unsere Versorgung steht voll im Bild von Corona, die Feiertage waren sehr stressig, und wir haben uns gewünscht, dass zumindest Silvester recht ruhig bleibt", berichtet Krug. Zumindest dieser Wunsch wurde ihm und seinen Kollegen erfüllt.