Lautes Telefonieren, Musikhören, Kindergeschrei: Was kann man wann gegen Lärmbelästigung tun? Der Mieterverein Gießen gibt Tipps.
GIESSEN. Lautes Telefonieren, Partys, Baustellenkrach, Kindergeschrei: Mitunter kann das sehr belastend sein. Wann muss man welchen Lärm in der Nachbarschaft hinnehmen? Und wann kann man sich wehren? Dazu gibt der Mieterverein Hinweise in einer Pressemitteilung:
Es gibt allgemeine Ruhezeiten, die einzuhalten sind. Sie richten sich nach den jeweiligen Landesimmissionsschutzgesetzen und örtlichen Verordnungen, liegen aber meist zwischen 22 Uhr abends und 6 Uhr morgens. Die Landesgesetze regeln auch die zulässigen Betriebszeiten und Nutzungsdauern für laute Maschinen wie Rasenmäher und Laubbläser. So gilt zum Beispiel in einem reinen Wohngebiet für Freizeitlärm nachts ein Grenzwert von 35 Dezibel (dB). Wird dieser Wert überschritten, ist das ein erstes Indiz, dass eine Lärmbelästigung vorliegt. Um einschätzen zu können, was die Dezibel-Zahlen aussagen, hier ein paar Beispiele: 10 Dezibel: Blätterrauschen im Wald (10 dB), Normale Unterhaltung bei Zimmerlautstärke (50 dB), Fahrradklingel (75 dB), Schnarchgeräusch (90 dB), Presslufthammer, Kreissäge (100 dB) und ein Flugzeugstart (140 dB). Wann kann man was tun?
Lärmprotokoll
Fühlt man sich durch anhaltenden Lärm aus einer Nachbarwohnung gestört, sollte man zunächst das Gespräch mit dem Verursacher suchen. Hilft das nichts, ist ein Lärmprotokoll sinnvoll, das dokumentiert, an welchem Tag/Uhrzeit und wie lange die Belästigung andauert, eventuell mit Zeugenangabe. Damit wendet man sich schriftlich an den Vermieter und verlangt mit Fristsetzung Abhilfe. Wenn anhaltender Lärm die Wohnqualität einschränkt und der Vermieter das Problem nicht innerhalb der festgesetzten Frist behebt, können Mieter unter Umständen die Miete mindern - wenn die Lärmbelästigung einen Mietmangel nach § 536 BGB darstellt. Hierzu sollte aber zuvor der Rat von einem Fachjuristen eingeholt werden.
Bestimmten Lärm muss der Mieter jedoch hinnehmen: Liegt die Wohnung beispielsweise in einem belebten Viertel mit vielen Gaststätten, an einer stark befahrenen Straße oder in Bahndammnähe, hat der Mieter mit einem gewissen Geräuschpegel schon beim Einzug zu rechnen. Auch in Altbauwohnungen gelten andere Maßstäbe als in Neubauten, da diese generell hellhöriger sind. In einem Grundsatzurteil von April 2020 hat der Bundesgerichtshof übrigens entschieden, dass Baustellenlärm vom Nachbargrundstück nicht zu einer Mietminderung berechtigt, "(...) wenn auch der Vermieter die Immissionen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit nach § 906 BGB hinnehmen muss."
Sozial adäquat
Baby- und Kleinkindgeschrei kann niemand verhindern. Es gehört zur normalen kindlichen Entwicklung und muss daher hingenommen werden. Dazu zählt auch Lärm durch spielende Kinder in der Wohnung und im Freien. 2011 wurde das Bundesemissionsschutzgesetz geändert und seither sind Klagen gegen Kinderlärm fast ausgeschlossen. Handelt es sich allerdings um ältere Kinder und Jugendliche, die übermäßigen Lärm verursachen, sieht die Situation anders aus. Und die Toleranz gegenüber Lärm von Kindern in einem gemeinsam bewohnten Haus findet ihre Grenze, wo der Lärm nicht mehr sozial adäquat ist. Dies ist beispielsweise bei lautstarkem Trampeln und Hopsen innerhalb der in der Hausordnung festgelegten Ruhezeiten der Fall.
Auch über Zimmerlautstärke hinausgehendes Telefonieren, Fernsehen und Musikhören muss in dieser Zeit nicht hingenommen werden, auch wenn es von Kindern hervorgerufen wird. Ein Urteil des Bundesgerichtshofs (AZ: VIII ZR 226/16 vom 22. August 2017) zeigt die Grenzen auf.