Dank des "Pinguin-Projekts" können sich Studierende des Instituts für Förderpädagogik der JLU Gießen ihr Praktikum anders gestalten. Sie unterstützen Kinder beim Lernen,...
GIESSEN. Praktika während der Corona-Pandemie - das war für viele Studenten in den vergangenen Monaten ein schier unmögliches Unterfangen. Zu klein war die Auswahl derer, die auch angesichts von Covid-19 noch Praktikumsplätze vergaben, zu groß die Anzahl derer, die hinter einem der wenigen bestehenden Angebote her waren. Für Studierende des Instituts für Förderpädagogik der Justus-Liebig-Universität (JLU) hat sich im vergangenen Frühling eine neue Möglichkeit ergeben. Das innovative "Pinguin-Projekt", das in Kooperation mit dem Gießener Jugendhilfeträger "Aktion - Perspektiven für junge Menschen und Familien" ins Leben gerufen wurde, hilft jedoch nicht nur ihnen.
Alltag bewältigen
"Das Projekt ist eine tolle Möglichkeit, ein Praktikum mal anders zu gestalten", berichtet Astrid Dietmann-Quurck. Was die Geschäftsführerin des Vereins "Aktion - Perspektiven" damit meint, wird bei einem Blick auf die Inhalte schnell deutlich. Anstelle eines regulären Schulpraktikums unterstützen mehrere Förderschullehramtsstudierende hilfsbedürftige Kinder und Jugendliche aus der Region seit mehreren Monaten bei der Bewältigung ihres Alltags. Begleitet werden sie dabei von pädagogischen Fachkräften, die die Familien der betroffenen Kinder schon lange aus verschiedenen Projekten kennen. Parallel absolvieren die Studierenden, die am "Projekt Pinguin" teilnehmen, außerdem ein Seminar, in dem sie sich mit Kommilitonen und Lehrenden über ihre Erfahrungen austauschen können.
Initiatorin des Projektes war die JLU-Lehrbeauftragte Barbara Klocke. "Sie kam auf uns zu, weil für die Studierenden sämtliche Praktika ausgefallen sind. Sie hat uns gefragt, ob wir junge, motivierte Leute brauchen", erklärt Dietmann-Quurck. Sie habe das Angebot sofort angenommen. Neben den Studierenden, die dringend benötigte Praxiserfahrung sammeln können, komme das "Pinguin-Projekt" schließlich auch den betroffenen Familien zu Gute. Vor allem im ersten Lockdown habe es laut Dietmann-Quurck vielerorts am Nötigsten gefehlt. Ein geregelter Schulalltag war für viele Kinder und Jugendlichen daher nicht denkbar. "Die Kinder, von denen wir sprechen, haben kein Einfamilienhaus mit Garten", erklärt daher auch Inge Bietz, die Vorsitzende von "Aktion - Perspektiven".
Dass es bei den regelmäßigen Besuchen, die die Studierenden den betreuten Kindern abstatten, nicht nur um das Erledigen von Hausaufgaben geht, haben die vergangenen Monate eindrucksvoll gezeigt. Gemeinsam sprach man über Alltagsprobleme, ging nach den Schulaufgaben in den Skatepark oder hörte Musik. Ein teilnehmender Student half einem Kind laut Astrid Dietmann-Quurck beim Begräbnis seines verstorbenen Hasen. Ein anderer habe seinen Schützling dabei unterstützt, sich auch ohne Präsenzunterricht an einen normalen Arbeitsrhythmus zu gewöhnen, indem er ihn mehrmals wöchentlich morgens weckte.
Seit dem Frühjahr nahmen bereits 18 Studierende am Projekt teil. Durch eine Förderung der Stiftung "Anstoß" erhalten Teilnehmer, die sich nach Abschluss ihres Praktikums weiterhin engagieren wollen, eine Aufwandsentschädigung. Die Resonanz fällt bislang bei allen Beteiligten positiv aus. "Das Projekt verknüpft Theorie und Praxis", resümiert Initiatorin Klocke.
"Wichtige Erfahrung"
Auch Astrid Dietmann-Quurck zeigt sich zufrieden. "Ich freue mich über das unglaubliche Engagement der Studierenden." Sie ist überzeugt, dass die Initiative eine langfristige Wirkung erzielt. "Das Projekt bietet für die Studierenden die einmalige Möglichkeit, den Lebensverhältnissen der Kinder näher zu kommen. Sie erfahren hautnah, welche Probleme es gibt." Für angehende Lehrer sei das eine unheimlich wichtige Erfahrung.
Für die gerade laufenden Sommerferien ist für alle Teilnehmer eine gemeinsame Kanufahrt geplant. In Zukunft soll das "Pinguin-Projekt" gefestigt und weiter ausgebaut werden. So soll die Betreuungsarbeit Gegenstand wissenschaftlicher Forschung werden. Neben weiteren finanziellen Mitteln wollen die Koordinatoren außerdem versuchen, weitere Vereine zur Teilnahme zu bewegen.