Bereits in dritter Generation hat Margit Ernstberger das Modehaus Becker in Gießen-Wieseck geführt. Doch nun geht diese lange Tradition zu Ende. Mit Corona hat das allerdings...
GIESSEN. Giessen-Wieseck. „Ich wollte immer mit 65 Jahren aufhören. Das stand schon lange vor Corona fest“, sagt Margit Ernstberger. Bereits in dritter Generation hat sie das Modehaus Becker in Wieseck geführt. Doch nun geht diese lange Tradition zu Ende. Nachdem klar war, dass keines ihrer zwei Kinder das Geschäft übernehmen würde, wurden die entsprechenden Schritte für die Schließung eingeleitet – lange, bevor Covid-19 alles auf den Kopf stellte.
Ein solcher Entschluss muss gut vorbereitet werden, da in der Modebranche langfristig geplant wird: So müsse man zum Beispiel jetzt an die Herbst- und Winterkollektion des nächsten Jahres denken und diese ordern, erklärt Ernstberger. Rückblickend auf 2020 berichtet sie im Gespräch mit dem Anzeiger, dass sie ganz gut durch dieses Jahr gekommen sei. „Ich bin durchaus zufrieden“, denn ihre Kundschaft habe ihr die Treue gehalten. Das lag wohl auch an dem Konzept des Modehauses: Dort gehörte eine gute und ehrliche Beratung zu den Selbstverständlichkeiten, die sich ausgezahlt hat. Verkauft wurde Mode, aber keine Low-Budget-Bekleidung, die am nächsten Tag schon wieder unmodern ist.
Komplizierter Bestellvorgang
Margit Ernstbergers Resümee fällt insgesamt positiv aus: „Es waren gute Jahre. Und: Im Zusammenhang mit Corona zeigt sich, dass es die richtige Entscheidung war, auch, wenn sie unabhängig davon getroffen wurde.“ Vermissen werde sie allerdings den Kontakt zu den Kundinnen, da sich zu einigen freundschaftliche Beziehungen entwickelt hatten.
Von klein auf hat Ernstberger hinter dem Ladentisch gestanden und Frauen bei der Auswahl ihrer Kleidung beraten. „Verkaufen, das habe ich immer gerne gemacht“, sagt sie. „Mode ist so vielfältig.“ Im Laufe der Zeit sei jedoch das Bestellen der Ware immer komplizierter geworden. Mittlerweile würden die Händler ihre Waren und Kollektionen am liebsten komplett online verkaufen. „Das ist nichts für mich. Ich muss die Sachen anfassen, um zu beurteilen, ob das etwas taugt.“
Der Ausverkauf wurde abrupt im Dezember gestoppt, denn eigentlich sollte dies noch bis Ende des Jahres gehen, bevor sich die Türen für immer schließen würden. Ob sie diese fehlenden Wochen noch nachholen wird, hat sie noch nicht entschieden. Ihre Kunden haben jedenfalls ihren Räumungsverkauf ordentlich genutzt, wie die vielen leeren Regale beweisen. Noch nicht geklärt ist unterdessen, was aus den Geschäftsräumen werden soll. Nach dem endgültigen Ende beginnen erst einmal die Aufbauarbeiten und danach sollen die Räume vermietet werden. Und was plant sie nun im Ruhestand? „Da wollen wir unser Leben noch ein wenig genießen, uns um unseren kleinen Enkel kümmern und Zeit haben für die Dinge, die bisher zu kurz kamen.“