"Auf der Hardt" in Gießen entstehen zurzeit 33 Saisongärten. Interessierte Pächter können sich noch melden, um nach Herzenslust zu pflanzen, zu jäten und zu ernten. Der...
GIESSEN. Munter recken Bundzwiebeln ihr Grün in die Luft, die Kartoffeln sind bereits gesetzt, weiße und lila Kohlrabipflanzen werden gerade von vier Sitzplätzen des Traktors von Familie Schnepp auf dem Acker verteilt. Im Hintergrund leuchten die Rapsfelder und die Burg Gleiberg ragt empor, während durch die Büsche die Silhouette von Gießen zu erkennen ist. Es wird eifrig gearbeitet "Auf der Hardt". Denn dort entstehen dieser Tage unter Federführung des Gießener Ernährungsrates 33 Saisongärten. "Gut ein Drittel ist schon verpachtet", zeigt sich Mitbegründer Georg Rieck im Gespräch mit dem Anzeiger zufrieden.
Das Konzept ist denkbar einfach. In den jeweils etwa 30 Quadratmeter großen Ackerstreifen sind zehn Gemüsesorten - von Buschbohnen über Salat bis zu Zucchini - vorgepflanzt, die Pflege liegt dann in der Hand des jeweiligen Pächters, der für ein Jahr die Verantwortung trägt. Die Nutzung von Gartengeräten und Wasser ist in der Pachtgebühr von 140 Euro enthalten. Von Mai bis November kann dann nach Herzenslust gepflanzt, gepflegt, gejätet und natürlich geerntet werden. Der Anbau orientiert sich an den Richtlinien der Bio-Verordnung der Europäischen Union und des ökologischen Landbaus. "Die Fläche befindet sich aktuell in der Umstellungsphase, die letzte konventionelle Bewirtschaftung fand 2020 statt", erklärt Rieck. Und versichert, dass dabei keine Pflanzenschutzmittel verwendet worden seien. Die Pächter verpflichten sich, die Richtlinien einzuhalten. Keinesfalls erlaubt sind konventionelle Mineraldünger und chemischer Pflanzenschutz. Zur Düngung wird - solange der Vorrat reicht - Rindermist aus Demeter-Erzeugung aus dem Vogelsberg bereitgestellt.
Der Ernährungsrat für die Stadt Gießen und die Region ist ein dauerhaftes Gremium, das sich in Ernährungsfragen als Brücke und Schnittstelle zwischen Bürgerinnen und Bürgern, der lokalen Ernährungswirtschaft und der Politik versteht. "Ernährung ist politisch", sagt Birgit Kundermann, die gemeinsam mit Georg Rieck und Angelika Körner den Vorstand bildet. "Der Ernährungsrat gibt zivilgesellschaftlichen, demokratischen und pluralistischen Positionen eine Stimme und politisches Gewicht. Er setzt sich für ein zukunftsfähiges, widerstandsfähiges, gerechtes, nachhaltiges und regeneratives Ernährungs- und Landwirtschaftssystem in der Stadt und in der Region ein."
Im Jahr 2016 entstand im Bistro von "Klatschmohn" die Idee, den damals brachliegenden Ernährungsrat wiederzubeleben, erinnert Kundermann. Im vergangenen Jahr sei dann "richtig Fahrt aufgenommen worden". In Darmstadt wurde ein Saisongartenprojekt besichtigt und wertvolles Wissen mitgebracht. Mit im Boot sind auch Sylvie Drahorad von der Professur für Bodenressourcen und Bodenschutz, sowie der Leiter des Gießener Umweltamtes, Dr. Gerd Hasselbach. Schon im kommenden Jahr könnte die Fläche für die Saisongärten "Auf der Hardt" doppelt so groß sein, Platz ist am Gelände der IJB, gemeinnützige Gesellschaft für Integration, Jugend und Berufsbildung, jedenfalls genügend vorhanden.
Von "gelungenen Synergien" spricht auch die zuständige Dezernentin Gerda Weigel-Greilich, die bei der Pflanzaktion vorbeischaute. Denn in direkter Nachbarschaft ist der ehemalige Bauhof der Firma Ludwig Schneider angesiedelt, der momentan unter Federführung der IJB zu einer "Kinder- und Jugendfarm" umgestaltet wird und ebenfalls in die Saisongärten integriert werden kann. Dort gibt es beispielsweise ein Imkerprojekt. Das ist insofern optimal, als neben einer Kleewiese zum gemütlichen Aufenthalt nach getaner Gartenarbeit auch ein Bienenblühstreifen zum Saisongartenmodell gehören wird - eine "sich gegenseitig befruchtende Situation" sozusagen.
*
Wer Interesse an einem Saisongarten hat, kann sich auf der Homepage des Ernährungsrates unter https://ernaehrungsrat-giessen.de informieren und anmelden. Weitere Infos telefonisch unter 0641/78718 oder per E-Mail an info@ernaehrungsrat-giessen.de.