Prognosen für ungewisse Zukunft

Mancher wird sich mehr abplagen müssen als andere, doch einfach wird es für keinen werden.  Symbolfoto: Uwe Anspach/dpa
© Uwe Anspach/dpa

Wie in Gießen Branchen und Einrichtungen über künftig kostenpflichtige Schnelltests, die 2G- und 3G-Regelungen sowie Auswirkungen auf das Geschäft denken.

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GIESSEN. Im Rahmen der 3G-Regelung muss man entweder von Corona genesen sein, dagegen geimpft oder einen negativen Schnelltest vorlegen, um Zugang zu den Innenräumen diverser Einrichtungen zu bekommen. Jedoch müssen freiwillig ungeimpfte Personen ab Oktober dafür die Kosten selbst tragen - die Bundesregierung will damit unter anderem der zuletzt zurückgegangenen Impfwilligkeit begegnen und den Druck erhöhen, sich doch noch ein Vakzin verabreichen zu lassen. In den von der 3G-Regelung betroffenen Branchen sind die Meinungen zu kostenpflichtigen Schnelltests für Ungeimpfte, deren Auswirkungen auf das Geschäft und einer eventuellen 2G-Regelung, die lediglich Getestete ausschließen würde, geteilt. Wir haben uns bei verschiedenen Gießener Einrichtungen umgehört.

"Sind für alle Kunden da"

Cathérine Miville, Intendantin des Stadttheaters, sieht die Kostenpflichtigkeit weniger als Problem. Zum einen vermutet sie, dass das Publikum tendenziell einen hohen Impfstatus habe. Zum anderen hätten die Erfahrungen bei den letzten Innenraumvorstellungen gezeigt, dass man aufgrund der Hygienekonzepte meist ohnehin weniger Sitzplätze im Theater habe, als Nachfrage bestünde. Eine genauere Prognose könne Miville zwar nicht abgeben, allerdings kann sie sagen, dass eine 2G-Regelung ohne gesetzliche Verordnung für das Theater unvorstellbar sei: "Wir sind ein öffentlich gefördertes Haus", und somit für alle Menschen zugänglich.

Im Best Western Hotel Steinsgarten hingegen, so Direktor Sven Appelt, denke man intern über eine 2G-Regelung für die Gäste nach, sei aber noch zu keinem definitiven Ergebnis gekommen. Dafür sprechen würde immerhin, die Gäste und Mitarbeiter besser zu schützen, ihnen freiere Bewegung zu ermöglichen sowie Gästegruppen anzusprechen, die Wert auf eine solche Regelung legen. Zwar fahre man momentan mit 3G gut, würden die Gäste die Hygienekonzepte respektieren - von einer Auslastung sei man allerdings immer noch weit entfernt, so Appelt. Die Hoffnung, dass sich mit den Impfungen im Vergleich zum Vorjahr die Gästezahlen verbessern würden, habe sich somit nicht bestätigt.

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Einen Rückgang der Kundenzahlen erwartet Ralf Süßel von der Friseurakademie Süßel, sobald die Schnelltests selbst bezahlt werden müssen. Denn das sei ein zusätzlicher Kostenpunkt, den sich nicht jeder leisten könne. Die Wirtschaft werde darunter leiden, ist er sich sicher. Direkt nach den Öffnungen sei der Andrang im Salon groß gewesen, habe danach aber merklich nachgelassen. Manche Kunden hätten sich sogar gegen Maskenpflicht oder Testnachweis gesträubt. Eine eigene 2G-Regelung kommt für Süßel aber nicht infrage: "Wir sind für alle Kunden da." Er könne sich allerdings vorstellen, die Kunden im Salon Schnelltests durchführen zu lassen.

Testungen vor Ort wären auch für Kristina Eichwald, Studioleiterin des Sport Point Gießen, eine Option, sofern diese akzeptiert werden. Man habe viel junges Publikum, und so befürchtet sie, dass beispielsweise ungeimpfte Schüler oder Azubis nicht mehr kommen würden, wenn sie die Tests selbst bezahlen müssten, da die Kosten für viele nicht tragbar sind. Ohnehin seien aber sicher mindestens 80 Prozent der Besucher bereits geimpft, stellt Eichwald fest. Auch Anna Ewald vom Inflow Studio für Yoga und Physiotherapie kann berichten, dass fast alle Teilnehmer Impfungen hätten, sich daher die Problematik bezüglich kostenpflichtiger Tests kaum stelle.

Für die Hallenbäder gelten zwar andere Verordnungen als für Fitnessstudios, man halte sich jedoch an behördliche Vorgaben und werde nicht eigenständig 2G einführen, erklärt Mathias Acker von den Stadtwerken. Die überwiegende Mehrheit der Kunden heiße die strengen Besuchsregeln gut, verhalte sich gemeinschaftlich und souverän, vermutlich seien auch hier die meisten Besucher schon durchgeimpft.

Nur einer von 200 Gästen

Einen hohen Impfstatus unter seinen Gästen kann auch Giancarlo Biscardi vom "Gianoli" beobachten: An einem Abend sei unter 200 Gästen lediglich eine Person gewesen, die einen Test hätte vorweisen müssen. Dass vor allem auch viele junge Gäste geimpft seien, beeindruckt ihn sehr und macht ihm Hoffnung, dass sich die Lage bald bessere. Eine 2G-Regelung fände er trotzdem schwierig, die Entscheidung, sich impfen zu lassen, sollte jedem selbst überlassen sein.

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Bereits bei 3G-Regelung und kostenlosen Tests gab es im Kinopolis reduzierte Besucherzahlen, stellt Betriebsleiter Enrico Sinner fest. Gerade für Gäste in der Altersgruppe 6 bis 18 sei es schwierig, da diese nicht oder kaum geimpft sind und die Eltern die Kinder oftmals nicht testen lassen wollen. Stattdessen werde lieber auf einen Kinobesuch verzichtet. Viele würden schon kein Ticket buchen, wenn sie Test oder Impfung nachweisen müssen. So konnte Sinner beobachten, dass ohne 3G-Regelung die Nachfrage stärker war. Vor allem sei es jedoch problematisch, wenn sich die Verfügungen für Innenräume sehr kurzfristig ändern, so wie vergangene Woche. Dann gebe es Diskussionen mit Kinobesuchern oder Tickets gingen zurück, was zwar ärgerlich, aber auch nachvollziehbar sei, sagt Sinner. Wenn die Inzidenzen so hoch gingen, dass 2G kommt, sei die Testpflicht ohnehin außen vor. Nur Geimpfte und Genesene ins Kino zu lassen, kommt für den Betriebsleiter bis dahin nicht infrage, denn man wolle keine Zielgruppe ausschließen.