Der Gießener Fahrgastbeirat arbeitete in über drei Stunden 14 Tagesordnungspunkte ab. Kritik gab es unter anderem an den "proppenvollen" Schulbussen.
. GIESSEN. "Was nix kostet, ist nix!" - "Zehner-Streifen, wann gibt's die wieder?" - "In der Schule penible Abstandsregeln, jedoch die Busse proppenvoll!" - "Wieso keine Fahrradmitnahme im Schienenersatzverkehr?" - "Teilnahme an dem Buchprojekt der Gießener Linken: das geht so nicht." 14 Tagesordnungspunkte umfasste die Sitzung des Fahrgastbeirates unter der Leitung seines Sprechers Friedhelm Sames. Corona-bedingt war die letzte Sitzung ausgefallen. Nun traf man sich im Stadtverordnetensitzungssaal des Rathauses. In knapp drei Stunden wurde ein Kaleidoskop an Punkten abgearbeitet.
Die geplante Neuwahl eines Sprechers dieses Gremiums, "bevorzugt mit gewöhnlichem Aufenthalt in der Stadt Gießen", musste ausfallen, da sich niemand für diese Funktion bereitfand. Und die Wahl eines Vertreters in der Agenda-Gruppe "Nachhaltige Mobilität" erübrigte sich, da der bisherige nun doch auch weiterhin dort künftig tätig sein möchte.
Die Kreistagsfraktion der Gießener Linken wird im Herbst ein Buch zur Verkehrswende herausgeben, in dem die Beiträge zahlreicher Organisationen, die sich mit dem örtlichen Verkehr und dessen Wende befassen, veröffentlicht werden. Über das Anliegen des Fraktionsvorsitzenden Reinhard Hamel um eine redaktionelle Stellungnahme des Fahrgastbeirates entbrannten heftige Diskussionen. Vor allem Stadträtin Gerda Weigel-Greilich wandte sich massiv gegen ein solches Ansinnen: "Ich glaube nicht, dass das durch die Satzung gedeckt ist. Der Fahrgastbeirat hat lediglich die Funktion eines Beratungsgremiums", so ihre Ansicht. Sprecher Sames konterte, dass dies als "insbesondere" stimme, aber nicht "ausschließlich" bedeute. "Ich finde, dass wir auch gegen die Stadtverwaltung Stellung beziehen können." Nach einem Schlagabtausch im Gremium wurde ein zusagender Beschluss gefasst. Sames wurde beauftragt, als Sprecher einen Text zu verfassen.
Schlagabtausch
Lange Zeit nahm der Punkt "Folgen der Corona-Pandemie für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) und die Fahrgäste" in Anspruch. Von erheblichen Rückgängen an Fahrgästen sowie auch der Einnahmen durch Beförderungsentgelte berichtete Anne Müller-Kreutz als Leiterin des Nahverkehrsservices der Stadtwerke (SWG). Vier Schüler der Gesamtschule Gießen-Ost und der Sophie-Scholl-Schule brachten ihren Unmut zum Ausdruck. "In der Schule wird penibel darauf geachtet, die Abstandsregeln einzuhalten und Masken zu tragen. Doch die Busse sind proppenvoll. Von der Möglichkeit, Abstand zu halten, keine Spur." Und damit driftete das Thema ab in den Schülerverkehr. "In der Hessischen Verordnung ist das halt so", wurde den Schülern lapidar beschieden. "Es gibt keine rechtlichen Verpflichtungen, zusätzliche Busse einzusetzen", hieß es dann. "Nur wenn Personen wegen Überfüllung nicht mitgenommen werden können." Doch wenn die Schüler nicht eingestiegen seien, sei die Buskapazität nicht ausgenutzt und es bestehe "keine Möglichkeit" für einen zusätzlichen Bus. Beschwert wurde sich darüber, dass "überall, wo es Geld kostet, die Abstandsregeln" nicht gelten würden.
Zur Entlastung des Linienverkehrs sei es nicht statthaft, Reisebusse hier zusätzlich einzusetzen, wurde beschieden. Berichtet wurde über das Resultat des Kreiselternbeirates, die Buskapazitäten zu erhöhen. "Kein Personal da", habe die Antwort geheißen.
Sven Germann, Vorsitzender des Beirates für die Belange von Menschen mit Behinderungen, monierte, dass die seit letztem Wochenende verwendete Durchsage zum Tragen von "Mund-Nase-Schutz" in den Bussen im Vergleich zu den Haltestellen-Ansagen deutlich zu leise sei. Müller-Kreutz (SWG) sagte zu, "nachzusteuern."
Große Probleme wurden beim Punkt "Fahrradmitnahme im Schienenersatzverkehr" publik gemacht. Mehrere Anwesende berichteten von ihren Erfahrungen. "Es war nicht möglich, ein Fahrrad mitzunehmen", so der einheitliche Tenor. "Gibt es keine Möglichkeit, einen Fahrradanhänger an den Bus anzuschließen?" wurde gefragt. "Das würde die Attraktivität des ÖPNV beträchtlich erhöhen." Gerhard Muth-Born, Leiter der Planung des Zweckverbandes Oberhessische Versorgungsbetriebe (ZOV), gab den Ratschlag: "Machen Sie als Gremium eine Forderung daraus!" Reinhard Bayer sprach das Problem mit selbstfahrenden Behindertenfahrzeugen an. Die in der Regel 80 bis 100 Kilogramm schweren Gefährte könnten oft nicht durch die Tür hineinfahren und so den Bus nicht nutzen. Kurz gestreift wurde das Thema kostenloser ÖPNV. Nach der schnöden Bemerkung einer Anwesenden, "was nix kostet, ist nix" war der Punkt abgehakt. Auch künftig nicht geben wird es die nachgefragte und als "lange vermisst" bezeichnete Zehnerkarte.