Sinemus kritisiert in Gießen geringen Anteil von Frauen in...

Prof. Kristina Sinemus referierte beim Arbeitskreis Unternehmerinnen der IHK. Fotos: Czernek
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Digitalministerin Prof. Kristina Sinemus referiert beim Arbeitskreis Unternehmerinnen der IHK zum Thema „Women go digital“.

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GIESSEN. Giessen. „Ich bin für die Funklöcher in Hessen verantwortlich“, mit diesen Worten umriss die Ministerin für Digitale Strategie und Entwicklung, Prof. Kristina Sinemus einen ihrer Arbeitsbereiche ihres jungen Ministeriums, das es seit 2019 erst gibt. Sie ist eine Quereinsteigerin, studierte in Münster und Kassel, promovierte im Fach Biologie und leitete erfolgreich ein Unternehmen, bis sie Volker Bouffier in sein Kabinett berief. „Mir wurde nicht viel Bedenkzeit gelassen“, sagte sie zur Einführung und fügte hinzu, dass ihr im Anschluss erst bewusst wurde, dass es dieses Ministerium noch gar nicht gab. Folglich konnte sie Strukturen wie in einem Unternehmen aufbauen, einschließlich eines Controllings. Alles zum Themenbereich Digitalisierung geht quasi über ihren Schreibtisch: Jedes Ressort stellt sein Projekt vor, dieses wird von ihrem Ministerium geprüft, Synergien zwischen einzelnen Ebenen mit bedacht.

Prof. Kristina Sinemus referierte beim Arbeitskreis Unternehmerinnen der IHK. Fotos: Czernek
Beate Hammerla

„Man muss Mut haben zu sagen: ich mache es aber anders“, sagte sie zu den Unternehmerinnen in ihrem Vortrag zu dem Thema „Women go digital“.

Zu Beginn zitierte sie aus der Zeitschrift Computerwoche, dem Heft Karriere 2020: „Frauen und IT – eine ideale Kombi: Das weibliche Geschlecht bringt genau die richtigen Voraussetzungen mit: empathisch, pragmatisch, kommunikationsstark, und Machtspiele mögen Frauen nicht. Genau diese Fähigkeiten brauchen die agile Arbeitswelt und die Digitalisierung. Allerdings: Die Realität spricht indes nach wie vor eine andere Sprache. Nur rund 20 Prozent der IT-Studierenden sind weiblich. In den IT-Abteilungen mancher Unternehmen bleibt der Anteil der Frauen im einstelligen Prozentbereich.“

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An der Entwicklung der IT-Branche hätten Frauen einen erheblichen Anteil, sagte Sinemus und erinnerte an drei bedeutende Pionierinnen auf diesem Gebiet Ada Lovelace, entwickelte 1843 als erste Programmiererin der Welt den ersten für einen Computer gedachten Algorithmus. Der von ihr entwickelte Code gilt als Vorgänger der heutigen Programmiersprachen. Hedy Lamarr, eigentlich Filmschauspielerin, leistete Pionierarbeit für die heutige Mobilfunktechnologie. Auf der Seite der Alliierten entwickelte sie 1942 eine patentierte Funkfernsteuerung für Torpedos. Durch automatisch wechselnde Frequenzen waren sie schwer zu lokalisieren. Dieses Frequenzsprungverfahren wird heute in der Kommunikationstechnik bei Bluetooth, WLAN und GPS verwendet. Grace Brewster Murray Hopper führte in den 1940er Jahren die neue Programmiersprache Cobol ein. Cobol zählt nach wie vor zu den weltweit am meisten verwendeten Programmiersprachen für betriebswirtschaftliche und kaufmännische Anwendungen.

Trotz dieser Persönlichkeiten seien Frauen in den MINT-Fächern unterrepräsentiert. Ein Erklärungsversuch dafür fand Sinemus in dem jüngsten Buch von Rutger Bregmann „Im Grunde gut“. Der Autor verfasst darin die Hypothese, dass Frauen und Männer solange gleichberechtigt gewesen seien, solange sie noch umherwanderten. Die Sesshaftigkeit sei auch die Geburtsstunde des Patriarchats gewesen, da Stärke und Kraft einen höheren Stellenwert erhalten hätten und Frauen dadurch ins Hintertreffen gekommen seien.

Dieses Missverhältnis müsse man jetzt wieder langsam ausbalancieren, so die Ministerin. Aktuell fehlten rund 40 000 IT-Ler, sagte sie weiter und prognostizierte, dass man in Deutschland nicht für die Aufgaben der Zukunft gerüstet sei. In Hinblick auf Frauen im IT-Bereich sei Deutschland im internationalen Vergleich ein Schlusslicht.

Daher habe sich auch die Herausforderung für das Ministerium angenommen und das Thema Frauenförderung auch ihn ihrem Ministerium implementiert. Sie versuche, den Frauenanteil auf Dauer auf mindestens 50 Prozent in ihrem Ministerium zu heben.

In ihr Ressort fällt demnach auch die Mobilfunkabdeckung. Daher sagte sie lächelnd: „Ich bin also für die Funklöcher verantwortlich.“ Aktuell läge die Abdeckung bei rund 91 Prozent, ihr Ministerium arbeite jedoch daran, dass am Ende der Legislaturperiode die 98 Prozent erreicht würden.

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In Hinblick auf die Digitalisierung kann sie der Krise auch einiges positives abgewinnen. „Die Anträge auf Unterstützung in den verschiedenen Programmen haben sich signifikant erhöht“, sagte sie. Für die Arbeit ihres Ressorts würden zwei Maxime gelten: Die Digitalisierung soll dem Menschen nutzen und nicht umgekehrt, analog geht nicht ohne digital und umgekehrt.

Am Ende der Veranstaltung wurde die langjährige IHK-Geschäftsführerin Beate Hammerla verabschiedet. Basierend auf einer Idee von Manuela Giorgis wurde der Arbeitskreis Unternehmerinnen (AKU) 2015 ins Leben gerufen. Hammerla hat sich immer sehr für den Arbeitskreis eingesetzt. Ihre Aufgaben hat ab September Andrea Bette übernommen. „Ohne die Hauptamtlichen sind die Ehrenamtlichen nichts“, sagte Dr. Angelika Schlaefke bei Ihrer kurzen Würdigung und dankte Hammerla für ihr stetiges Engagement. Dem AKU gehören mittlerweile rund 280 Unternehmerinnen an.