Am Dienstagmorgen hat ein Warnstreik am UKGM in Gießen begonnen. Zentrale Forderung ist ein einheitlicher Tarifvertrag.
GIESSEN. Die Tarifverhandlungen für die circa 7800 nicht-ärztlichen Beschäftigten beider Standorte des Universitätsklinikums in Gießen und Marburg (UKGM) werden diese Woche mit Warnstreiks begleitet. Gar nicht einverstanden ist die UKGM-Geschäftsführung mit diesem Streik und bezeichnet ihn als "völlig unbegründet". Zu diesem aufgerufen hat für zwei Tage die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Von der Frühschicht um 6 Uhr am Dienstag bis einschließlich der Spätschicht am heutigen Mittwoch wird das UKGM unter Sicherstellung der Krankenversorgung bestreikt. Hauptforderung der Kundgebung, die um 8.30 Uhr begann, ist ein einheitlicher Tarifvertrag für alle Krankenhäuser. Der Betriebsratsvorsitzende des Standorts Gießen, Marcel Iwanyk, DGB-Kreisvorsitzender Klaus Zecher sowie Verdi-Landesfachbereichsleiter Gesundheit und Soziale Dienste, Georg Schulze, legten vor einer Hundertschaft von Streikenden dar, wieso diese Arbeitsniederlegung notwendig ist. Kritisch unter die Lupe genommen wurden dabei die Arbeitgeber, insbesondere Asklepios. Das UKGM hatte vor einigen Jahren vom Land Hessen der Krankenhausträger Rhön Klinikum AG übernommen und in diesem Jahr an den Asklepios-Konzern weiterverkauft. Ein Teil der Streikenden setzte sich am Dienstagmittag per Fahrrad oder Bus gen Lich in Bewegung, wo es auch vor der dortigen Asklepios-Klinik zu einer Kundgebung kam. Ein zweiter Bus fuhr mit Warnstreikenden nach Wiesbaden, um auf die Landesregierung Druck auszuüben.
"Gerade noch wurde den Beschäftigten in der öffentlichen Daseinsvorsorge und speziell im Gesundheitswesen für ihre Leistung in der Corona-Pandemie applaudiert. Doch bei den Tarifverhandlungen wollen die Arbeitgeber von Aufwertung und Anerkennung nichts mehr wissen - das passt nicht zusammen", kritisierte Schulze unterhalb des Haupteinganges des UKGM, wo sich die Streikenden stundenlang aufhielten.
Heute weitere Kundgebung
Deshalb machten, so der Gewerkschaftler weiter, die Beschäftigten von Kliniken und Gesundheitseinrichtungen in dieser Woche bundesweit Druck für ihre Tarifforderungen. "Asklepios hat bisher zu wenig Gewinn gemacht. Das muss mehr werden", kritisierte er solches Ansinnen des Arbeitgebers. "Was in anderen Kliniken nach TVöD bezahlt wird, muss es auch bei uns geben. Morgen sind mehr als 50 Kliniken im Streik für einen gemeinsamen Tarif für alle." Das wichtigste Kapital des Klinikums seien ihre Beschäftigten. Das Motto müsse sein: "Ein Betrieb, eine Belegschaft!". Alle müssten unter demselben Tarifvertrag stehen, sowohl Ärzte als auch Pflege- und Reinigungskräfte. Sein Schlusswort: "Wir können nicht leise sein. Sonst gehen wir unter."
Unverständnis dagegen herrscht beim UKGM. "Wir konnten mit deutlichen Gehaltssteigerungen für unsere Beschäftigten die Attraktivität unserer beiden Häuser erhöhen. Deshalb sehen wir keinen Grund, jetzt unsere Unikliniken in Gießen und Marburg zu bestreiken", so der Vorsitzende der Geschäftsführung, Dr. Gunther K. Weiß, in einer Pressemitteilung. "Damit haben wir aus unserer Sicht nicht nur zukunftssichere, sondern auch attraktive und wettbewerbsfähige Arbeitsplätze gesichert."
Doch nicht nur um mehr Geld geht es den Arbeitnehmern. Druck auf Landesregierung und die Politik generell auszuüben, forderte auch DGB-Mann Zecher. Das wochenlange Klatschen für die Bediensteten in der Pflege sei zwar in Ordnung gewesen, bringe aber nicht tatsächlich etwas. "Die Arbeitgeber haben nur das Geld dafür kassiert, statt für eine vernünftige Krankenversorgung zu sorgen." Außer mehr Bezahlung sei auch mehr Personal unumgänglich. "So jedenfalls geht es nicht weiter."
Zuvor hatte der Betriebsratsvorsitzende Iwanyk den Arbeitgeber heftig kritisiert: "Es ist nicht unbedingt das Geld allein, weshalb die Leute wegbleiben, nicht zu uns kommen wollen." Dazu führte er als Beispiel die langen Verhandlungen bezüglich OP-Besetzungen an. "Aus der Notfallplanung ist jetzt Standard geworden", beklagte er. Es gehe immer nur darum, Prozesse zu optimieren. Doch ein Krankenhaus funktioniere "nur mit den Mitarbeitern". Jobsicherheit sei aber nicht alles. Die Leute wären ausgebrannt, könnten nachts nicht mehr schlafen. "Der Laden funktioniert hier nur noch durch die Zuwendungsbereitschaft der Beschäftigten, für die Kollegen einzuspringen, damit das einigermaßen weiter funktioniert" bemängelte Iwanyk, und fuhr fort: "Die Leute laufen uns weg. Das darf nicht sein. Es muss sich was ändern." Angesichts "fortlaufender Berichte über Personalmangel, sich häufender Überlastungsanzeigen und vakanter Stellen" frage sich die Gewerkschaft ernsthaft, so Verdi-Verhandlungsführer Fabian Dzewas-Rehm, "ob sich die Krankenhausmanager im Alltag des UKGM überhaupt auskennen". Zudem fehlt aus seiner Sicht momentan der Wille zu Verhandlungen auf Arbeitgeberseite.
Am heutigen Mittwoch wird es auf dem Kirchenplatz ab 9 Uhr eine weitere Kundgebung geben. Streikende des UKGM treffen sich um 8 Uhr vor dem Hauptportal in der Klinikstraße, um sich per Demonstrationszug auf den Weg zum Kirchenplatz zu begeben. Dort werden auch zahlreiche Streikende von weiteren sieben hessischen Krankenhäusern und einer Altenpflegeeinrichtung erwartet.
Von rsc