Mit einem Dringlichkeitsantrag hat die Gießener CDU versucht, den Verkehrsversuch auf dem Anlagenring auszusetzen. Der Vorstoß scheiterte jedoch im Stadtparlament.
Gießen. Was bedeutet die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Gießen vom Anfang der Woche für den Verkehrsversuch auf dem Anlagenring? Um diese Frage kreist derzeit die politische Debatte. Am Donnerstagabend hat sie auch das Stadtparlament erreicht. »Der Magistrat, die Koalition und Bürgermeister Alexander Wright stehen nach dem Beschluss des Verwaltungsgerichts mit ihrem Verkehrsversuch vor einem Scherbenhaufen«, sagte Frederik Bouffier von der CDU. »Jeden vierten verunfallten und schwerverletzten Radfahrer verzeichnen wir auf dem Anlagenring«, entgegnete Wright. Deshalb müsse an dieser Stelle etwas für die Sicherheit der Radfahrer getan werden, erklärte der Bürgermeister.
Umbau unterbrechen
Per Dringlichkeitsantrag wollte die CDU am Donnerstag erreichen, dass der Umbau des Anlagenrings unterbrochen wird, so lange die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht aufgehoben oder abgeändert ist. Mit Punkt zwei des Antrags sollte das Stadtparlament darauf verzichten, Rechtsmittel einzulegen. Das hätte bedeutet, das Gießener Urteil anzuerkennen und auf den Gang zum Verwaltungsgerichtshof (VGH) zu verzichten.
Die CDU habe von Anfang an in Sachen Verkehrsversuch gewarnt, führte Bouffier aus. »Aber Sie sind offensichtlich unbelehrbar«, wandte sich der Landtagskandidat an den Magistrat. Es sei respektlos gegenüber dem Gericht, trotz Entscheidung weiterzubauen. »Wenn der VGH die Gießener Entscheidung bestätigt, dann haben Sie einfach weiter Geld der Steuerzahler ausgegeben«, betonte Bouffier. Wolle der Magistrat nicht riskieren, weitere Steuergelder zum Schaden der Gießener auszugeben, sei es notwendig, mit dem Umbau innezuhalten.
Der Verkehrsversuch und der zuständige Dezernent Wright seien bereits gescheitert, konstatierte Fraktionsvorsitzender Dominik Erb von der FDP. Er sprach von einem gesellschaftlichen und juristischen Scheitern. »Das Verwaltungsgericht hat entschieden, dass nicht mal die Voraussetzungen für den Verkehrsversuch vorliegen«, führte Erb aus. Es gehe um das Steuergeld der Gießener, betonte auch der Liberale.
»Wir wollen in Kassel Beschwerde einlegen, denn wir sehen unsere Argumentation vom Gießener Verwaltungsgericht zu wenig beachtet. Daneben legt unsere Begründung die Argumente bislang nicht hinreichend dar«, entgegnete Wright. Dass es am Anlagenring Handlungsbedarf gebe, um die Sicherheit der Radfahrer zu verbessern, hätten schon Stadtrat Thomas Rausch und Amtsvorgänger Peter Neidel von der CDU festgestellt, illustrierte Wright das Vorliegen der Gefahrenlage.
Angriffe auf Kommunalpolitiker
»Die aktuellen Baustellen sind sicher herausfordernd und nicht angenehm«, zeigte der Bürgermeister Verständnis. Wenn der Verkehrsversuch aber starte und der Anlagenring entsprechend vollständig umgestaltet sei, dann sei es eine andere Situation als jetzt. Stoppe man - wie von der CDU gefordert - dann bestehe die Gefahr, ein Jahr auf die ausführenden Firmen warten zu müssen. Um jedoch auch auf einen negativen Bescheid vom Verwaltungsgerichtshof vorbereitet zu sein, bereite die Stadt einen Rückbau des Anlagenrings vor. Wright kritisierte die Petition gegen den Verkehrsversuch, die die CDU vor Beginn der ersten Umbauphase im Internet auf den Weg gebracht hatte. »Die ersten Beleidigungen mir gegenüber kamen erst, als die Petition online war. Vorher gab es nur Kritik«, so der Bürgermeister. Stadtverordneter Michel Zörb sprach von verbalen Angriffen auf Kommunalpolitiker, die auch Gewalt sein könnten. »Wir teilen solche Kommentare nicht und haben uns niemals damit gemein gemacht«, antwortete Bouffier.
Darauf, dass die beiden Punkte des CDU-Antrags nicht zusammenpassten, kam SPD-Fraktionsvorsitzender Christopher Nübel zu sprechen. Zudem würde er aus seiner Sicht als Anwalt keinem Mandanten raten, die Vorbereitungen des Versuchs auf dem Anlagenring zu diesem Zeitpunkt abzubrechen. Es helfe niemandem, die derzeitige Situation einzufrieren, unterstrich Nübel. Gigg+Volt erwarte vom Magistrat, dass er den Versuch zum Laufen bringe. Ein Scheitern würde die Verkehrswende in Gießen um Jahre zurückwerfen. Fraktionsvorsitzender Lutz Hiestermann erinnerte Bouffier daran, dass die CDU 2019 zugestimmt hatte, die Stadt bis 2035 mit allen erforderlichen Mitteln klimaneutral zu machen.
»Der Verkehrsversuch ist ein Beschluss des Stadtparlamentes. Der Magistrat hat den Auftrag, ihn umzusetzen«, brachte sich Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher ein. Diese Umsetzung stehe nun vor einer Hürde. Das sei jedoch kein »Scherbenhaufen«. Zudem seien juristische Überprüfungen bei solchen Projekten ein Stück Normalität. Das Stadtparlament lehnte den Antrag der CDU mehrheitlich ab.