Hungener Kommunalpolitiker auf Exkursion im Stadtwald

In einem naturnahen Waldbereich erläuterte Referent Markus Dietz den Stadtverordneten die Lage. Foto: Kannwischer

Bei einer Exkursion im Hungener Stadtwald wies Waldökologe Markus Dietz auf die Bedeutung des Forsts als Wasserspeicher hin. Außerdem gelte es, das Gleichgewicht zwischen...

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HUNGEN. Politiker sehen den Wald vor lauter Bäumen doch: Zu einer Waldexkursion in den Stadtwald bei Langd haben vor Kurzem die Hungener Naturschutzgruppen von Nabu und der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON) alle in der Stadtverordnetenversammlung vertretenen Fraktionen eingeladen.

Die Führung hatte der Waldökologe und Wildbiologe Dr. Markus Dietz (Gonterskirchen) übernommen. Stephan Kannwischer (Nabu Horlofftal) gab eingangs einen kurzen Abriss über die Natur- und Kulturgeschichte des Waldes bis heute. Bodo Fritz (Nabu/Naturschutzverein VNULL Langd) skizzierte pointiert die Wälder im Bereich Langd mit ihren vielfältigen standörtlichen Gegebenheiten und dem stellenweise noch hohen Artenreichtum verschiedener Lebensgemeinschaften, den es zu erhalten gelte.

Markus Dietz erläuterte einige waldökologische Zusammenhänge, die beim Publikum teilweise Erstaunen hervorriefen. Gerade die Hiebreife von Buchen in der aktuellen forstlichen Praxis mit nur etwa 120 Jahren verblüffte, da die Rotbuche bis zu 400 Jahre alt werden kann, sodass quasi "Baum-Jugendliche" von der Motorsäge niedergestreckt würden. Die Rotbuche komme weltweit betrachtet nur auf sehr kleiner Fläche vor. In Deutschland befinde sich fast ein Viertel des natürlichen Verbreitungsareals, weswegen Deutschland eine besondere Verantwortung für das Buchenwald-Ökosystem habe.

Dietz führte aus, dass der sich selbst entwickelnde Wald im Wildnisgebiet eine wichtige Funktion als CO2-Speicher habe, da sich im Waldboden und im Wald verbleibenden Holz immer mehr Biomasse aufbaue. Ebenso sei ein natürlicher Wald ein enorm wirksamer Wasserspeicher und damit ein wichtiger Faktor für den Grund- und Hochwasserschutz. Einigkeit herrschte bei der Einschätzung, dass es auch Bereiche geben müsse, in denen sich die Schutzfunktionen und Wohlfahrtswirkungen des Waldes voll entfalten könnten. Den Wald als nachhaltigen Rohstofflieferanten hatten ebenfalls alle auf dem Schirm, da Holz einen bautechnisch und ökologisch wertvollen Rohstoff darstelle, der für die Bevölkerung und holzverarbeitende Betriebe weiterhin nachhaltig nutzbar bleiben sollte.

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Gerade die Waldstabilität im Klimawandel machte den Fachleuten in den vergangenen Jahren besondere Sorgen, weshalb mit forstlichen Maßnahmen die Klima-Resilienz der Wälder dringend zu erhöhen sei. Hier gelte es, maßvoll mit Aufforstungen im besten Fall klimaangepasster, heimischer Baumarten zu agieren.

Dietz sprach auch von der "vollends berechtigten" ökonomischen Seite der Forstwirtschaft, die neben dem Holz- und Rohstoffertrag auch finanzielle Mittel aus alternativen Einnahmen generieren könnte. Hier seien Friedwälder, Wald-Ökopunkte oder auch Wald-Wildnisbereiche zu nennen. Einen solchen Weg habe die Gräfliche Forstverwaltung Solms-Laubach kürzlich mit der dauerhaften Stilllegung von 240 Hektar Wald beschritten und 5,5 Millionen Euro erlöst. Das stehende Holz wurde durch den Bundes-Wildnisfonds der Bundesregierung erworben und nach regulären forstlichen Wert- und Ertragsberechnungen taxiert. Der Grund verbleibt im Eigentum des Waldbesitzers, wo auch alle anderen Rechte (inklusive Jagd- und Wasserrechte) verbleiben.

Im Anschluss an das circa 800 Hektar große Waldreservat des Landes Hessen im Staatsforst Langd könne die Stadt Hungen ebenfalls mit einer Wald-Entwicklungsfläche von etwa 220 Hektar eine ähnlich große Ertragssumme generieren und dabei das Grundeigentum behalten. Eine solch hohe Einmalzahlung könne die Chance bieten, die restlichen 80 Prozent des rund 1100 Hektar umfassenden Hungener Stadtwaldes klimaresilient umzubauen sowie weitere zukunftsträchtige Aufgaben wie Hochwasser- und Katastrophenschutz zielgerichtet in Angriff zu nehmen, meinte Dietz. Er skizzierte die ebenfalls durch eine natürliche Waldentwicklung im besuchten Stadtwald-Bereich zu erzielenden touristischen Effekte im Sinne eines ökologischen Stadtmarketings, die andernorts bereits die Einnahmen aus den regulären klassischen Waldeinnahmen um ein Mehrfaches überflügelten. Kannwischer und Fritz ermunterten die Kommunalpolitiker, sich das erläuterte Konzept zu Gemüte zu führen und einen lukrativen finanziellen Beitrag zum klimaresilienten Gesamtumbau des Hungener Stadtwaldes mit stadtgesellschaftlichem Mehrwertnutzen zu generieren.