(rrs). Im Endspurt des Wahlkampfs konnte die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF), die sich in der SPD für die Rechte der Frauen einsetzt, Landrätin Anita...
KREIS GIESSEN. (rrs). Im Endspurt des Wahlkampfs konnte die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF), die sich in der SPD für die Rechte der Frauen einsetzt, Landrätin Anita Schneider für eine Online-Diskussion zum Thema „Politik für Frauen im Landkreis – was entschiedenes Handeln bewirken kann“ gewinnen. Das Interesse der weiblichen Bürger hielt sich allerdings in Grenzen und so konnte Moderatorin Katarzyna Bandurka von der ASF am Freitagabend nur 18 Frauen an ihren heimischen Monitoren begrüßen.
Anita Schneider blickte auf ihren Anfang 2010 als erste Landrätin Hessens zurück. Gleich zu Beginn ihrer Amtszeit stand die Notwendigkeit einer Frauenbeauftragten auf dem Prüfstand. Schneider kämpfte für die Stelle und heute hat Gießen eine externe Frauenbeauftragte und eine Gleichstellungsbeauftragte. „Mit der Flüchtlingskrise rückte bezahlbarer Wohnraum für alleinreisende Frauen in den Fokus. Wir haben mit der Frauenbeauftragten als Schutz vor Gewalt eine Frauengemeinschaftsunterkunft eingerichtet“, berichtete Schneider sichtlich stolz und schwenkte um „als das Prostituiertengesetz 2017 auf den Weg gebracht wurde, stellte der Landkreis nicht so sehr die öffentliche Ordnung in den Fokus, sondern setzte auf Beratung und eine Vertrauensbasis mit den betroffenen Frauen“.
Obwohl Frauen seit 102 Jahren Frauen nicht nur wählen, sondern auch gewählt werden können, „gibt es bis heute keine tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern in der Politik“, konstatierte Schneider betrübt. Die Quote sei zwar besser geworden, aber gerade bei den hauptamtlichen Stellen seien die Frauen immer noch in der Minderheit. Auch im Landkreis sei die Bilanz traurig: Nur zwei von 18 Kommunen haben eine Bürgermeisterin. Die Gründe seien vielfältig, angefangen bei Familie und Kindern, über fehlende funktionierende Netzwerke bis hin zu geringem Selbstvertrauen oder fehlender Führung und Unterstützung. Da helfen bisher auch Förderpläne wenig. Die Gleichstellungsbeauftragte würde allerdings darauf achten, dass Frauen bei gleicher Qualifikation bevorzugt eingestellt würden. Gemeinsame Fortbildungen und Netzwerke zwischen Führungsfrauen sollen helfen, die Quote zu steigern. Zudem wurde eine Frauenversammlung zu speziellen Themen in der Kreisverwaltung ins Leben gerufen, kurz darauf gefolgt von einer Männerversammlung. Auch würde der Landkreis flexible Arbeitszeitmodelle für Frauen anbieten, damit sich Familie und Beruf oder auch Pflege neben dem Beruf umsetzen ließen. „Wir sind da mit Angeboten wirklich gut unterwegs.“
Im Landkreis liege die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Frauen aber weit unter dem Bundesdurchschnitt. Teilzeitstellen und Minijobs sind dagegen angestiegen, bedauerte Schneider und fragte sich, warum das gerade in der Universitätsstadt Gießen mit ihren vielen gut ausgebildeten Frauen so ist.
Daraus ergäbe sich ein wichtiger Aspekt, da gerade Singles oder alleinerziehende Frauen mit Teilzeitarbeit auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen seien. Der soziale Wohnungsbau müsse daher mehr in den Mittelpunkt rücken. Fortbildungen und höhere Qualifikationen ohne gleichzeitige Arbeitsaufnahme nach der Kinderphase, sollen die Verbindung der Frauen zum Arbeitsmarkt erhalten.
Auch das Thema Gewalt sei wichtig. In Gießen gibt es zwei Frauenhäuser, aber nach der Istanbuler Konvention immer noch zu wenige Plätze. Ein Antrag beim Land auf mehr Plätze wurde abgelehnt, aber die Frauenhäuser hätten Fördermittel für weiteres Personal bekommen, das sich um Unterstützung und Fortbildung der Frauen kümmert. Es gäbe mittlerweile auch einen Verhütungsfond für finanziell schwache Frauen, unterstützt vom Ausländerbeirat.
Zum Abschluss warf Schneider einen Blick auf die besondere Belastung der Frauen durch die Corona-Pandemie. Homeoffice, gepaart mit Kinderbetreuung, Homeschooling und Haushalt laste fast alleine auf den Schultern der Frauen und führe zu extremer Doppelbelastung.
„Durch Homeoffice werden die Frauen außerdem vermehrt von der Karriereplanung ausgeschlossen, sie werden einfach leichter übergangen“, warf sie in die Waagschale. Ob häusliche Gewalt zugenommen hat, werde nur vermutet.