Blech lässt die Ruine tanzen

Drei von Neun: die Blechbläser Johannes  Osswald, Christine Dobmeier und Martin Gierden in Aktion.  Foto: Schultz
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Neun Bläser des Gießener Stadttheaters waren zu Gast beim Auftakt der Wettenberger Winterkonzerte auf dem Gleiberg.

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KROFDORF-GLEIBERG. Frohe Botschaft für Musikfreunde: Die Wettenberger Winterkonzerte gaben sich ein Stelldichein auf dem Gleiberg. "Blech tanzt" hieß das Event, veranstaltet von neun Bläsern des Gießener Stadttheaters. Die Musiker zeigten sich in bester Spiellaune und präsentierten Titel aus der Renaissance, Oper, Romantik, dem Tango und aus Musicals. Die Mischung zündete nachhaltig, das Publikum war hingerissen.

Johannes Osswald, Christine Dobmeier, Martin Gierden (Trompeten), Martin Gericks, Victor Lozano Mariano, Alvaro Artuñedo Garcia (Hörner), Philippe Stier, Kurt Förster, Alexander Schmidt-Ries (Posaunen) besitzen zusammen schon einmal den Vorteil der kraftvollen Klangintensität. Neun Bläser sind auch bis ganz hinten im Hof der Burg glasklar zu hören und berühren oder vielmehr packen auch den letzten Zuhörer.

Es ging gleich wunderschön mit einem Glanzlicht los. Claude Gervaises (1510-1558) drei alte französische Tänze legten die Richtung in die Klassik fest. Zunächst erklang "Allemande". Das war anmutig und einfach schön. Man erlebte ein Ensemble, das fröhlich den historisch tänzerischen Duktus realisierte. Mit zartesten Nuancen verwöhnten die Künstler die Zuhörer in der Pavane, der "Danse la Volunté" war der fugenlos passende Schlusspunkt: Der Zauber der Blechbläser erfüllte mühelos das Rund des Burghofs. Nur Alexander Schmidt-Rieses Moderationen mussten per Mikro übertragen werden, sonst war alles unverstärkt - ein seltenes Vergnügen. Hinzu kam, dass die Freiluftatmosphäre einen etwas trockenen, aber reinen und klaren Klang ermöglichte. Noch schöner wurde es dann mit drei Tänzen aus Engelbert Humperdincks (1854-1921) Märchenoper "Hänsel und Gretel". Erst hört man den "Besentanz", in dem die Hexe voller Vorfreude auf ihr Festmahl durch die Lüfte saust. Diese Lust war aus der Musik deutlich herauszuhören, und die lebhafte Beweglichkeit des bösen Frauenzimmers spürbar. Schwebender, leichtfüßiger kam dann der "Knusperwalzer" daher. Der "Freudentanz" schließlich ließ überbordende Fröhlichkeit spüren; ein kontrastreiches Trio, professionell musiziert. Riesenbeifall des gut gelaunten Publikums.

Dann ein Repertoire-Klassiker: George Bizets (1838-1875) "Habanera" aus der Oper "Carmen". Die wurde beschwingt und leichtfüßig musiziert, mit detailliert realisierten Verzierungen, eine ebenso vertraute wie angenehm anders klingende Version, die nicht nur an die wohlvertraute Oper erinnerte, sondern auch an die übergeschnappt komische Fassung, die einst Spike Jones mit seinen "City Slickers" vorlegte.

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Wiederum in so bislang kaum gehörter Fassung erklangen sodann zwei Tänze aus Tschaikowskis (1840-1893) "Der Nussknacker", als erster der "Arabische Tanz". Das ging einher mit sensibler Realisierung der feinen Arabesken, vor allem auch einer ungewöhnlich realen, melancholischen, auch nachdenklichen Stimmungsanmutung: Alles ging langsam, man konnte sich leicht eine Karawane in den Dünen vorstellen. Dann war es genug der Ruhe: Der "Trepak" versetzte mit seiner energischen Lebhaftigkeit auch das Publikum in Schwingung.

Es folgte Manuel de Fallas (1876-1946) "Tanz des Müllers". Dem Komponisten schwebt offenkundig ein Müller mit Temperament und beweglichen Füßen vor, spanische Anklänge und Schwung gehörten zu dieser etwas verspielten Komposition. Frederick Loewes (1901-1988) "My Fair Lady" wurde natürlich beim Publikum mit Freude aufgenommen, ebenso wie zuvor Jakob Gades (1879-1963) wohlbekannte "Tango jealousy", ein Glanzlicht des Abends. Melodramatisch, schmerzvoll und doch auch lebenslustig war das: Akzente wurden mit feinster Präzision gesetzt, sanfter Schwung und zugleich eine narrative Qualität wurden deutlich.

Noch ein Highlight: Quincy Jones' "Soul Bossa Nova". Schmidt-Ries kündigte "eine Mischung aus Bossarhythmen und der Lebensfreude des Soul" an. Es folgte ein Stück voller prachtvoller Klangfülle und perfekter Präzision, beeindruckend. Leonard Bernsteins "West Side Story" sorgte dann für den strahlenden Schlusspunkt. Vielseitig, abwechslungsreich, mit vielen Linien und Wendungen, war das eine komplexe musikalische Fundgrube, die das Ensemble detailgenau und fabelhaft transparent umsetzte. Großer Beifall des Publikums; zwei Zugaben: Winterkonzert geht also auch im September.