Ein 66-Jähriger steht vor Gericht, aber nicht als Angeklagter, sondern als Schuldunfähiger. Die Staatsanwältin ist sich sicher, er soll in Annerod gezündelt haben.
KREIS GIESSEN. Kreis Gießen (fley). Der dritte Tag im Sicherungsverfahren gegen einen 66-Jährigen aus Fernwald vor der siebten großen Strafkammer des Landgerichts brachte neue Erkenntnisse ans Tageslicht. Konkret geht es bei dem Verfahren um den Vorwurf der versuchten schweren Brandstiftung, versuchter schwerer Körperverletzung, Körperverletzung und einem tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte gegen einen 66-jährigen Rentner aus Annerod in schuldunfähigem Zustand. Er soll am Neujahrsmorgen Mülltonnen, einen Trolley und einen Teil der Waschküche in einem Mehrfamilienhaus in Annerod in Brand gesteckt haben, in welchem der Beschuldigte selbst wohnt. Zwei Tage vor der Tat war die Feuerwehr schon einmal zu dem Objekt angerückt, da dort die Mülltonnen brannten. In beiden Fällen fiel der Verdacht auf den Rentner. Aufgrund einer psychischen Vorerkrankung war der Beschuldigte nach Aussagen der Staatsanwaltschaft zum Tatzeitpunkt schuldunfähig. Statt einer Haftstrafe droht ihm die Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik. Die vorsitzende Richterin Dr. Katrin Exler hörte einen Polizisten, dem der Beschuldigte mehrfach negativ aufgefallen war. Er erklärte, dass der Senior die damalige Brandsituation im Mehrfamilienhaus "sichtlich genoss". Es gab jedoch keine verwertbaren DNA-Spuren des 66-Jährigen, die auf dessen Tat hingewiesen hätten.
Auf die Lokalitäten angesprochen, berichtete der 41-Jährige, dass der Waschraum mit Ausnahme von zwei Waschmaschinen nahezu leer gewesen sei. "Da sind beim Brand Kunststoffleitungen verschmort, aber es gab keine Gefahr eines Großbrands", so der Experte. Bereits Ende Dezember sei der Beschuldigte auffällig geworden, sein Wesen habe sich laut den Anwohnern verändert. Zudem soll er beim Mülltonnenbrand zwei Tage vor der Tat die Feuerwehrleute mit einer Glasflasche beworfen haben.
Ein DNA-Gutachten hätte zudem bei den festgestellten Brandmitteln keine ausreichende DNA ergeben, um eine einwandfreie Überführung zu gewährleisten. Staatsanwältin Ella Schmidtmer sieht das anders. "Der Beschuldigte hat die Taten begangen", so die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer. Nach ihrer Ausführung habe der 66-Jährige nicht nur einen Polizisten tätlich angegriffen und eine Glasflasche nach Feuerwehrleuten geworfen, sondern zwei Tage später auch die Brände gelegt und durch das gezielte Abbrechen eines Schlüssels im Türschloss der Eingangstür ein Entkommen aus dem Haus mutwillig verhindert. "Der Beschuldigte saß bei der Löschung auf der Treppe und rief: 'Ihr werdet alle sterben'. Zudem forderte er einen Anwohner auf, die Tür einzuschlagen". Die Staatsanwältin betrachtet es als erwiesen an, dass er die Taten begangen habe und so einen Fremdschaden von rund 20 000 Euro verursachte. Die Täterschaft des Beschuldigten basiere auf den Zeugenaussagen. Einen Anlass für die Tat konnte die Staatsanwältin aufgrund der irrationalen Bewegung durch die Krankheit des Angeklagten nicht präzise benennen. Dennoch erachtet sie den Beschuldigten aufgrund seiner krankhaften seelischen Störung für schuldunfähig und beantragte die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus.
Verteidiger Moritz Müller hingegen bezweifelte das geschilderte Geschehen. "Sämtliche angelasteten Handlungen können nicht ohne vernünftige Zweifel bestätigt werden", so Müller. Die Waschküche sei auch über andere Wege erreichbar gewesen als nur durch das Treppenhaus und auch der Flaschenwurf kam lediglich aus der Richtung des Gebäudes, nicht aber aus der Wohnung des Beschuldigten. "Selbst bei der DNA gibt es keine Feststellung und Zuordnungen zu Ungunsten meines Mandanten", betont der Jurist. Er lehnt die Unterbringung ab. Das Verfahren wird am Freitag mit einem Beschluss fortgesetzt.