Gericht: Kein Beweis für Diebstahl

Symbolfoto: dpa
© dpa

Gegen seine fristlose Kündigung hat sich ein Paketfahrer gewehrt. Das Arbeitsgericht hat zu seinen Gunsten entschieden, denn die Vorwürfe des Diebstahls sah man nicht bestätigt.

Anzeige

STAUFENBERG/GIESSEN. Wurde das Arbeitsverhältnis nach einem vermeintlichen Diebstahl nun korrekt aufgelöst oder nicht? Dieser Frage ging am Donnerstagvormittag die elfte Kammer des Arbeitsgerichts Gießen unter Vorsitz von Richter Michael Schneider nach.

Gegen diese Vorwürfe wehrt sich nämlich der Beschuldigte und hat deswegen Klage gegen seine ehemalige Firma, einen Paketdienst, eingereicht. Diese beschuldigt den Kläger, im Herbst 2020 mehrere Pakete gestohlen und dies mit gefälschten Unterschriften vertuscht zu haben. Aus diesem Grund sei gegenüber dem Kläger ein Hausverbot ausgesprochen worden, zudem wurde dieser wegen des vermeintlichen Diebstahls gekündigt. Doch bereits daran hat Schneider erste Zweifel: "Kann man den Diebstahl denn beweisen? Das scheint nicht der Fall", so der Richter. Nachdem sich im Oktober 2020 herausgestellt hatte, dass eines der Pakete, die an einen hiesigen MediaMarkt gehen sollten, gefehlt habe, habe die Beklagte ein Gespräch mit dem Kläger geführt. Dennoch sei das Arbeitsverhältnis noch mehr als einen Monat weitergegangen, was Schneider mit Unverständnis quittiert.

Ende Oktober 2020 sei aufgefallen, dass ein hochwertiges Smartphone verschwunden sei. Der Vorwurf der Beklagten lautet, dass der Kläger die Auslieferung nicht vorgenommen hätte. Am 13. November sei aufgefallen, dass das Telefon fehle, am 25. November habe die Beklagte eine endgültige Verlusterklärung unterzeichnet und fünf Tage später dem Kläger Hausverbot und eine fristlose Kündigung erteilt. Das sei, so ihre Auffassung, alles nach gültigem Recht erfolgt. Der Kläger hingegen bestreitet den Diebstahl und verweist darauf, dass Pakete immer mal wieder verschwinden würden, das sei üblich.

Die Ware würde anfangs durch einen Hauptscanner geprüft und gehe per Laufband zum Zusteller. "Das ist dann quasi wie am Flughafen beim Gepäckband?", fragt Schneider nach, was der Kläger bejahte. Zudem müsse der Zusteller den Empfang der Ware vor dem Verladen scannen. Sollten dabei Pakete fehlen, müsse der Kurierfahrer diese suchen, was aufgrund des hohen Termindrucks oft nicht möglich sei. Dann würden die Pakete manuell dem jeweiligen Kurier zugeteilt werden. Bei einem fehlenden Paket gäbe es somit normalerweise keine Diebstahlsvermutung. Doch auch bei polizeilichen Hausdurchsuchungen habe man keine gestohlene Ware entdeckt. "Da wurden Fristen dann auch nicht eingehalten", meint Schneider.

Anzeige

Nicht nur sei die zweiwöchige Frist bei einer fristlosen Kündigung nicht eingehalten worden, es sei zudem auch der Diebstahl nicht nachweisbar, auch nicht vonseiten der Polizei. "Ohne Beweis kann es keine Tatkündigung geben", so der Richter. Um das belastete Arbeitsverhältnis zu beenden, schlug Schneider vor, das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31. Dezember 2020 zu kündigen, womit sich beide Parteien nach kleineren Besprechungen und kurzen Verhandlung schließlich einverstanden zeigten. Auf dem Schaden bleibt die Beklagte allerdings sitzen. Die Kosten für die verschwundenen Pakete muss sie selbst tragen.