Kampf um ein Ostsee-Idyll

Der gefährdete Lieblingsplatz des Regisseurs: der unberührte Strand von Göhren an der Ostsee.  Foto: Verleih
© Verleih

Regisseur Christoph Eder stellt am Sonntag seine beeindruckende Doku "Wem gehört mein Dorf?" im Traumstern-Kino vor - und weckt damit Assoziationen an einen Licher Streitthema.

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LICH. Es ist ein wunderschöner Flecken Erde, dessen Küstenpanorama einst schon der große Romantiker Caspar David Friedrich auf Leinwand verewigt hat. Doch mit Romantik hat manch ein Bewohner Göhrens wenig im Sinn, wenn es um die Entwicklung dieses kleinen Ostseebades geht. Im Gemeinderat des rund 1300 Einwohner zählenden Dorfs auf Rügen stimmte eine knappe Mehrheit von vier Männern immer wieder für die Bauprojekte des weitgehend unsichtbar bleibenden Investors Wilfried Horst aus Nordrhein-Westfalen: So wurde Göhren zu einem komplett anderen Ort als vor 30 Jahren, als kurz nach der Wiedervereinigung Deutschlands die ersten Touristen aus dem Westen kamen. Doch dann entdeckte eine Gruppe von alteingesessenen Bürgern irgendwann ihren Widerstandsgeist und schloss sich zusammen, um weitere Bauprojekte dieses "Herrn Horst" zu verhindern.

Diese Geschichte erzählt der junge Regisseur Christoph Eder in seiner Dokumentation "Wem gehört mein Dorf?", die er am morgigen Sonntag um 12 Uhr bei ihrer Hessenpremiere im Traumstern vorstellt. Angesichts dieses Themas ist das Licher Programmkino ein gut gewählter Ort. Sorgte der Bau des Logistikzentrums an der nahen Langsdorfer Höhe doch für einen Aufruhr, der nicht nur kommunalpolitische Folgen hatte, sondern zwischenzeitlich auch die gesamtgesellschaftliche Stimmung vor Ort bedrohlich aufheizte.

Der klug komponierte, ohne jede Effekthascherei auskommende Film beschreibt tatsächlich mehr als nur einen Streit zwischen zwei Parteien irgendwo in der deutschen Provinz. Göhren wird zum anschaulichen Beispiel für die widerstreitenden Interessen, die auf kommunaler Ebene überall im Land aufeinandertreffen. Wachstum und Rendite stehen dabei im unversöhnlichen Gegensatz zur Bewahrung der Natur und einer lebendigen Bevölkerungsstruktur, die alle Gesellschaftsgruppen einschließt.

Besonders anschaulich wird dieses Dilemma durch den ruhigen Ton, in dem der selbst aus Göhren stammende Regisseur seine Geschichte erzählt. Es beginnt mit altem Filmmaterial aus den frühen 90ern, in denen er als kleiner Junge mit der Familie in der Ostsee gebadet hat. Doch verfällt Eder fortan nicht in einen nostalgischen, verklärenden Ton, sondern gibt allen Protagonisten Raum und Zeit, ihre Perspektive zu schildern. Da sind auf der einen Seite der alte Pensionswirt Bernd und seine Tochter Nadine, die sich um die Bewahrung der herrlichen Landschaft sorgen. Und da sind auf der anderen Seite der umgängliche Kneipenwirt, der wie seine Mitstreiter im Gemeinderat - "Die Vier von der Stange" - auf Ankurbelung des Tourismus durch immer neue Bauten des millionenschweren Herrn Horst setzen. Doch dabei entstehen ominöse Projekte wie ein hässliches Parkhaus im Ortskern, ein großes neues Baugebiet und ein Wellness-Hotel direkt hinter einem frei zugänglichen Strand. So spitzt sich der Konflikt immer mehr zu, bis es zum Showdown kommt: der Gemeinderatswahl. Und so wird diese Doku am Ende auch zu einem eindrucksvollen Plädoyer für die Demokratie vor Ort. Auf dass bitte niemand mehr sage, die da oben machen doch sowieso, was sie wollen.

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Der Dokumentarfilm "Wem gehört mein Dorf?" wird am Sonntag, 15. August, um 12 Uhr im Kino Traumstern in Lich gezeigt. Im Anschluss findet ein Filmgespräch mit Regisseur Christoph Eder statt.

Von Björn Gauges