Lumdatalbahn: Fließt Geld aus Berlin?

In der neuen Kostenberechnung für die Reaktivierung ist auch die Erneuerung der Gleisanlage enthalten. Archivfoto: Wisker
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Der Bund denkt über neue Bewertungsmaßstäbe bei Reaktivierungsprojekten im ländlichen Raum nach. Davon könnte die Lumdatalbahn profitieren.

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KREIS GIESSEN. Der Bund will den öffentlichen Personennahverkehr attraktiver gestalten. Genau das könnte sich positiv auf eine mögliche Reaktivierung der Lumdatalbahn auswirken.

Wie Landrätin Anita Schneider in einer Pressekonferenz erläuterte, war das neue Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzt (GVFG) Anlass für ein Gespräch mit Dr. Michael Güntner, Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, um dort das Projekt Lumdatalbahn vorzustellen. Ein Teil der Gesetzesnovelle hat nämlich zum Ziel, Reaktivierungen von Bahnstrecken im ländlichen Raum einer anderen Betrachtung zu unterziehen als etwa den Neubau einer S-Bahn in einer Großstadt. "Das kann man einfach nicht vergleichen", meinte die Landrätin. Während bei Letzerem einzig und alleine Kosten und Nutzen entscheiden, sollen für Projekte im ländlichen Raum weitere Bewertungskriterien einfließen.

Das Land Hessen strebt für Reaktivierungsmaßnahmen unter 50 Millionen Euro diese neue Betrachtung bereits an und hat dem Bund entsprechende Kriterien vorgeschlagen, die eine adäquate Bewertung von Schieneninfrastrukturprojekten ermöglicht. Schneider nannte als Beispiele dafür Klimaschutz, demografischer Wandel, Mobilität und auch Auswirkungen auf die Entwicklung des ländlichen Raums. An dieser Stelle kommt das Projekt Lumdatalbahn ins Spiel. Fiele sie unter die neuen Bewertungskriterien des Bundes, wäre immerhin eine Förderfähigkeit von bis zu 90 Prozent der Gesamtkosten möglich.

Kostenschätzung

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Nachdem der Abschlussbericht des vom Rhein-Main-Verkehrsverbundes (RMV) in Auftrag gegebenen Gutachtens für die Leistungsphasen I und II nun vorliegt, liegt die Kostenschätzung bei rund 36,6 Millionen Euro. Darin enthalten ist ein Zuschlagsfaktor von 25 Prozent für "Risiken im weiteren Planungsprozess", wie etwa Preissteigerungen im Baugewerbe. Jedoch hatte das Land Hessen sich diese Berechnung angeschaut und kam zu dem Schluss, dass die Kosten für die Eisenbahnkreuzungsmaßnahmen nur zu einem Drittel anzusetzen seien, sodass bei diesem Planungsstand die Kosten rund 26 Millionen betragen. Nimmt man den bereits erwähnten Zuschlagsfaktor von 25 Prozent hinzu, ergeben sich nach Berechnung des Landes Kosten von 32,5 Millionen Euro. Außerdem basiert diese aktuelle Kostenschätzung auch darauf, dass die Bahnanlage grundhaft erneuert und ausgebaut wird. Das macht laut Schneider mit Blick auf die Zukunftsfähigkeit der Strecke Sinn.

In der Machbarkeitsstudie zur Reaktivierung vom 9. Januar 2018 waren die Kosten mit rund 10,7 Millionen Euro beziffert worden. Dabei ging man jedoch nicht von einer grundhaften Erneuerung, sondern lediglich von der Befahrbarmachung der Gleisanlage aus. Schneider zeigte sich von den neuen Zahlen nicht überrascht. Sie habe bereits in der Vergangenheit darauf hingewiesen, dass man von mehr als 10,7 Millionen ausgehen müsse. Die Machbarkeitsstudie habe eine Tendenz aufgezeigt, während nun mit dem Abschlussbericht zur Leistungsphase I und II eine Konkretisierung der Kosten vorliege. Auch sei die Steigerung mit der Erneuerung der Gleisanlage erklärbar. Die Stimmungslage während des Gesprächs Ende Oktober mit Berlin, bei dem neben der Landrätin auch Vertreter des Landes Hessen, des RMV und des Zweckverbands Oberhessische Versorgungsbetriebe (ZOV) per Videokonferenz zugeschaltet waren, war laut Schneider "sehr positiv", das Projekt habe Güntner als "sehr interessant" angesehen. Der Staatssekretär habe, so die Landrätin, "massiv empfohlen, dranzubleiben". Freudensprünge sind noch nicht angebracht, doch meinte Schneider, man gehe Schritt für Schritt ein Stückchen weiter. Sollten die neuen Bewertungskomponenten auf die Lumdatalbahn zutreffen, könne das Land Hessen einen Antrag auf Förderung stellen.

Sowohl Kanzleramtsminister Dr. Helge Braun (CDU) als auch Sören Bartol (SPD) hätten als heimische Mitglieder des Bundestags ihre Unterstützung zum Ausdruck gebracht. Bartol habe als Sprecher der Arbeitsgruppe Verkehr der SPD-Bundestagsfraktion an dem Gespräch teilgenommen. Folgende Ergebnisse habe man zusammengefasst erzielt: Der Bund wird seine Nutzenkomponenten bis Ende 2020 neu justieren, "sah aber bereits nach Vorstellung des Projektes Lumdatalbahn Chancen, dass ein solches Projekt in die neue Förderkulisse des Bundes passen könnte." Der Bund beabsichtige unter anderem die Vorschläge und Ideen des Landes Hessen zu prüfen und aufzugreifen. Weiterhin habe man verabredet, dass Anfang 2021 die Förderfähigkeit des Vorhabens nochmals neu berechnet wird, um bis zum Frühjahr 2021 durch Abstimmungen mit dem Bundesverkehrsministerium eine Einschätzung des Projektes auf der Grundlage des GVFG zu erhalten.

Ein wenig Geduld ist also noch gefordert, denn erst wenn die neuen Kriterien seitens des Bundes definiert sind, soll es weitere Gespräche zwischen dem Land Hessen und Berlin geben. Dann sollte, so Schneider, auch eine Einschätzung der Fördermöglichkeit der Lumdatalbahn vorliegen. Auf dieser Basis könne man anschließend im Kreistag das weitere Vorgehen abstimmen. "Ich bin an dieser Stelle sehr zufrieden", erklärte die Landrätin.