Neustart in Lich mit kontroversen Debatten

Alle schön mit Abstand: Die konstituierende Sitzung des Licher Stadtparlaments fand in der Sport- und Kulturhalle Muschenheim statt.  Foto: Kächler

Konstituierende Sitzung des Licher Stadtparlaments: Dreierbündnis aus BfL, Grünen und FDP setzt Verkleinerung von neun auf acht Beigeordnete durch.

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LICH. Zwar betonten die Vertreter aller Parteien zu Beginn der Sitzung in der Sport- und Kulturhalle Muschenheim, sie wollten trotz großer Differenzen sachlich und ohne Polemik miteinander umgehen. Doch merkte man im Verlauf der konstituierenden Sitzung der Licher Stadtverordnetenversammlung davon kaum noch etwas. Schon gleich beim ersten Antrag ging es hoch her.

Zunächst stand jedoch die Wahl des Stadtverordnetenvorstehers an. Erwartungsgemäß setzte sich der Kandidat des neuen Dreierbündnisses aus den "Bürgern für ein lebenswertes Lich" (BfL), Grünen und FDP durch. So wurde Michael Pieck, der seit 1995 ununterbrochen der Fraktion der Grünen im Parlament angehört, mit bei 23 Ja- und zehn Nein-Stimmen sowie vier Enthaltungen gewählt.

Alterspräsident Burkhard Neumann (BfL) hatte zuvor - ebenso wie Bürgermeister Dr. Julien Neubert (SPD) in seiner Begrüßung - davon gesprochen, Brücken zu bauen, um Gräben zu überwinden. Alle 37 Mitglieder des neuen Stadtparlaments waren am Mittwochabend anwesend. Ihnen legte Neumann ans Herz: "Es wird vielleicht nicht leicht sein, einige Wunden, die zum Beispiel durch den Bau des Logistikzentrums entstanden sind, komplett zu schließen. Aber eine gute Zukunft verlangt kreative Ideen und den Mut und die Stärke, Neues zu probieren." Alle Mitbürger seien aufgerufen, hier aktiv mitzuarbeiten. "Die gewählten ehrenamtlichen Mandatsträger tun sehr gut daran, diese Ideen einzufordern", mahnte Neumann. Er regte eine Vision für die Zukunft unter dem Titel "Lich 2035" an.

Julien Neubert beglückwünschte alle Abgeordneten zu dem Vertrauen, das ihnen von den Wählern geschenkt worden sei und rief ihnen zu: "Als Bürgermeister reiche ich Ihnen allen die Hand, um gemeinsam das Beste für Lich zu erreichen." Er begrüßte auch Matthias Meyer, den künftigen Bürgermeister der Stadt Laubach, mit der Lich seit fünf Jahren eine interkommunale Zusammenarbeit verbindet, ganz herzlich als Gast.

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Mehr Stellvertreter

Einig waren sich die Mandatsträger bei der Aufstockung der Zahl der Stellvertreter des Stadtverordnetenvorstehers. Einstimmig wurden Joachim Siebert (BfL), Peter Blasini (FDP), Markus Pompalla (CDU), Josef Benner (Freie Wähler, FW), Professor Dr. Dr. Knut Stieger (SPD), Ulla Limberger (Grüne) und Andreas Müller-Ohly (Demokratische Bürgerliste, DBL) zu Stellvertretern gewählt.

Dann hörte die Harmonie jedoch auf. Als es um die Posten im Magistrat ging, wurden scharfe Geschütze aufgefahren. BfL, Grüne und FDP beantragten die Reduzierung der ehrenamtlichen Stadträte von neun auf acht. BfL-Fraktionsvorsitzender Magnus Schneider begründete den Antrag damit, dass die Mehrheitsverhältnisse in der Stadtverordnetenversammlung auch im Magistrat abgebildet werden sollten. Mit der Verkleinerung dieses Gremiums wolle man verhindern, dass der Bürgermeister im Falle eines Patts den Ausschlag geben könne. BfL und Grüne wären dann mit jeweils zwei Sitzen vertreten, FDP, CDU, FW und SPD mit jeweils einem. Um dieses Ziel zu erreichen, treten die drei Fraktionen des Bündnisses als Listenverbindung an.

In seiner Gegenrede sagte Josef Benner, Fraktionschef der Freien Wähler, das Vorhaben entlarve das neue Selbstverständnis des Dreierbündnisses. "An dieser Stelle sei angemerkt, dass BfL, Grüne und insbesondere die FDP keinen Krieg gewonnen haben, sondern eine Wahl." Dass die BfL als "junge, unerfahrene Kraft" diesen Weg "getragen vom Gedanken der Revanche" gehe, könne man vielleicht noch nachvollziehen. Aber dass mit Grünen und FDP "ehemals gestandene Parteien den demokratischen Kompass aus der Hand legen, nach Gutsherrenart über Gremien entscheiden" und auch den direkt gewählten Bürgermeister "an die Kandare" legen wollten, betrachte er mit Sorge. Daher lehne man eine Verkleinerung der Sitzanzahl im Magistrat grundsätzlich ab.

Auch die Fraktionsvorsitzenden von CDU, Markus Pompalla, und SPD, Knut Stieger, lehnten das Vorhaben ab. Doch mit 20 Ja- zu sieben Nein-Stimmen wurde die Verkleinerung des Magistrats schließlich beschlossen.

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Bürgerbefragung gefordert

Ebenfalls sehr kontrovers wurde die Wiedereinführung eines Ortsbeirats für die Kernstadt Lich diskutiert. Stieger fragte sich, warum gleich in der konstituierenden Sitzung über dieses Thema entschieden werden müsse, da die nächste Wahl erst in fünf Jahren stattfinde und man in Ruhe Gedanken dazu austauschen könne.

Benner erinnerte daran, dass es in Lich früher einen Ortsbeirat gegeben habe, dieses Gremium aber "eingeschlafen" sei. Man sollte erst einmal prüfen, ob überhaupt ein Interesse bestehe. Ebenso argumentierte Gregor Gorecki (CDU), der einen Ergänzungsantrag aller drei Fraktionen für eine Bürgerbefragung zu diesem Thema einbrachte. Dieser wurde jedoch mit 17 zu 19 Stimmen bei einer Enthaltung abgelehnt.

Verwundert zeigte sich Schneider, dass der Vorschlag einer Bürgerbefragung "ausgerechnet aus den Reihen von CDU und Freien Wählern" komme, hätten diese doch ein Bürgerbegehren zum damals geplanten Logistikzentrum auf der "Langsdorfer Höhe" kategorisch abgelehnt. "Dabei war es offenkundig, dass dieses Thema die Bevölkerung in Lich sehr beschäftigt hat", erklärte Schneider. Die Absicht, gleich in der ersten Sitzung des Parlaments grünes Licht für einen Ortsbeirat in der Kernstadt zu geben, rechtfertigte er damit, dass man ein Zeichen für einen Politikwechsel hin zu mehr Bürgernähe setzen wolle. Mit 20 zu 17 Stimmen wurde die Änderung der Satzung und damit die Bildung eines Ortsbeirats für die Kernstadt beschlossen.

Die Wahl der Mitglieder des verkleinerten Magistrats und des Ersten Stadtrats wird in der nächsten Sitzung des Stadtparlaments am 26. Mai auf der Tagesordnung stehen.