"Hell und schnell" - von heiter bis wolkig: Den Auftakt der Licher Kulturtage bestritt am Mittwoch Rezitator und Musiker Oliver Steller im Kino Traumstern.
LICH. Den Auftakt der Licher Kulturtage bestritt am Mittwoch Rezitator und Musiker Oliver Steller. Im komplett ausverkauften Kino präsentierte er als Premiere seine gelungene Wiedergabe von Werken Robert Gernhardts, "Hell und schnell". Die virtuose Verschmelzung der zugleich heiteren wie tiefgründigen Gedichte berührte und beeindruckte die Zuhörer ganz erheblich.
Die Licher Kulturtage (LKT) finden zum 17. Mal statt. Zunächst begrüßte die Vorsitzende Karla Leisen von Künstlich e.V. die Gäste und stellte "außergewöhnliche und unvergessliche Tage" in Aussicht. Peter Damm von der Kulturwerkstatt erinnerte daran, dass man die LKT 2003 aus der Taufe gehoben habe und betonte die Rolle der vielen Helfer hinter den Kulissen, die mit Herzblut bei der Sache seien. Bürgermeister Bernd Klein hatte Geburtstag, für den Magistrat würdigte Stadträtin Gisela Maier die "hochkarätige Veranstaltung", die zeige, dass Lich in der Region als Kulturzentrum wahrgenommen werde. "Überall ist Aschermittwoch, bei uns geht es heute los", sagte Gastredner Wolfhard Kluge.
Oliver Steller - "Ich fühl' mich in Lich sehr wohl" -, der 1994 hier das erste Mal auftrat, hat den Schritt in die zeitgenössische Literatur gewagt - erstmals. Er spielt das Programm allein, nur zur Gitarre greift er. Inhaltlich ist es ein großer Schritt von den klassischen Dichtern zum zeitgenössischen, vor allem aber ist es bei Gernhardt ein Wandern zwischen Witz, Komik und Ernst. Vielen Zeitgenossen ist er schlicht als Spaßvogel bekannt, der in der "Pardon" und später der "Titanic" mit seinen Schaffensbrüdern F. W. Bernstein, F. K. Waechter, Chlodwig Poth, Eckhard Henscheid, Bernd Eilert, Peter Knorr und Hans Traxler höheren Blödsinn verzapfte und Mitbegründer der Neuen Frankfurter Schule war. Mit Eilert und Knorr war er Co-Autor diverser Otto-Shows, und jeder im Saal erinnert sich an die köstliche Zerlegung des Besinnungsaufsatzes, die Otto damals vortrug: "Theo, wir fahr'n nach Lodz". Steller macht das exzellent und augenzwinkernd. Auch diesmal hat er wieder tolle Songs geschrieben. "Freude in der Straße, Dichter ist verliebt" ist ein leichtes heiteres Stück, in "So lieg ich hier" geht es tief berührend um seinen Herzinfarkt, und herausragend gelingt ihm "Habe Stimmen im Kopf". Steller kann sich einfach enorm gut in Dichtung einfühlen und findet eingängige, doch nie platte musikalische Formen, nicht selten verblüffend kongenial, die zeigen, dass er den Text absolut verinnerlicht hat.
Steller findet also nicht nur individuell zugeschnittene Formen für jeden Song, er rezitiert manche Texte auch in so herausragender Weise, dass es schon fast Neudichtungen sind. "Nach der Lektüre einer Gedichtanthologie" etwa spricht er in großartigem Stakkato-Duktus, der Gernhardts große Kunst verdeutlicht (eine CD will er demnächst mit dem Fischer-Verlag produzieren). Die allergrößten Höhen erreicht Steller, als er die ernsten, ja, tragischen Texte bringt ("Was es alles gibt") und die tief melancholische Seite Gernhardts zeigt; auch die ernsten Lieder haben die größte Kraft.
Steller muss hier viel Humor präsentieren und gerät dabei gelegentlich an seine Grenzen: So etwas hat er noch nie gemacht, man kennt das von ihm nicht, und seine Darstellung wirkt minimal unsicher, auch übertrieben - für Momente. Allerdings hat er sich einen Dichter ausgesucht, der die Skala der Empfindungen gleichsam umrundet: Gernhardt ist zuweilen so absurd komisch, dass man ihn plötzlich ernst nehmen muss. Oliver Steller gelingt es souverän, diesen schmalen Grat darzustellen und damit einen Autor dem Publikum näher zu bringen, der seinen Tiefgang großenteils sehr erfolgreich hinter dem Humor und dem Absurden verbarg.
Ein Zusatzkonzert findet statt am 13. April in der Bezalel-Synagoge in Lich statt.