Der Niederkleener Klaus Textor beschäftigt sich intensiv mit der Hochwasserproblematik rund um den Kleebach.
. NIEDERKLEEN. Das Hochwasser vom 14. Juni, das die Ortsmitte von Niederkleen unter Wasser setzte, hat viele Bürger aufgeschreckt und verunsichert. Der Niederkleener Klaus Textor beschäftigt sich seit langem intensiv mit der Hochwasserproblematik und hat dazu auch umfangreiches Material gesammelt. Er warnt seit vielen Jahren vor Hochwasserereignissen, die in der Vergangenheit seinen Heimatort schon öfters heimsuchten. Hier spricht er über seine Sicht der Hochwasserursachen, die Rolle der Behörden und effektive Lösungsansätze.
Herr Textor, "Wehr zu, und alles ist gut?" Sie sehen das etwas anders. Wo liegt denn nach Ihrer Ansicht das Problem?
Das starke Gefälle im Oberlauf des Gewässers ist der Knackpunkt für die Gefährlichkeit, die der Kleebach für Niederkleen darstellt. Die sogenannte Engstelle Niederkleen ist vor allem durch das geringe Gefälle innerorts charakterisiert, was nichts mit der geringen Breite des Gerinnes hier zu tun hat. Hier kommt es zu vermehrten Ablagerungen, welche regelmäßig zu beseitigen sind, um die geforderte Gerinneleistung nachhaltig zu gewährleisten.
Der Kleebach hat also im Ortskern allein schon naturbedingt ein ganz geringes Gefälle?
So ist es. Der Kleebach ist in seinem oberen Verlauf sehr schnell. Nahezu die Hälfte seines Laufes hat er ein Gefälle von 195 Metern. Das sind etwa 16,25 cm pro Meter. Vom Wehr bis zur Brücke Bergstraße in Niederkleen sind es 3,95 Meter Gefälle auf 654 Meter Strecke, also nur noch 6,04 mm/ m. Dann beginnt der flachste Teil des Baches, mitten in der Ortslage von Niederkleen: Von der Brücke an der Bergstraße bis zur Brücke am Backhaus beträgt das Gefälle dann ganze 75 cm auf 274 Meter Fließstrecke. Das sind im Durchschnitt 2,74 mm Gefälle/ m. Just auf diesem Stück bestehen alte und neue Querverbauungen.
Wie schätzen Sie denn die Gefahrenlage bei der jüngsten Überflutung ein?
Die Zahlen der möglichen Wassermengen welche bei Stark- und Dauerregen Niederkleen passieren wollen, geben am besten Auskunft, wie hoch die Gefahrenlage tatsächlich ist: Regenmengen wie in 1981, nach 150 Liter/m² in zwei Tagen, mitten im August führten dazu, dass 25 m³/sec Niederkleen passieren wollten. 16 m³/sec davon wurden am Pegel Oberkleen registriert. Das würde heute dazu führen, dass bei geschlossenem Beckenschieber das Becken in exakt 45,5 Minuten randvoll wäre. Gibt das nicht zu denken? Diese Menge ist damals etwa acht Stunden lang durch Niederkleen geflossen. Bleibt der Schieber offen, und laufen etwa 10 m³/sec dauernd aus der Talsperre, dann ist diese halt in spätestens 1 ½ Stunden randvoll. Wenn es weiter regnet, was ist dann? Das ist das schlimmste Szenario. Sicher ist, dass bei deutlichem Überströmen der Staumauer der eher kleinen Talsperre auch der Entlastungsschieber geöffnet werden muss. Das führt dazu, dass dann deutlich mehr als 11,2 m³/ sec auf Niederkleen zuströmen. Am 14. Juni waren es etwa 7 m³/sec, was bequem von einem Gerinne in gutem Pflegezustand hätte abgeführt werden können, ohne dass der Bach ausufert! So war es schon bald an den Brücken knapp, welche mindestens 10 m³/sec abführen sollen. Das hätten diese am 14. Juni sicher nicht getan. Eine ganz große Katastrophe hätte ins Haus gestanden, natürlich immer abhängig von der Regenmenge. Noch so ein gewitterunterstützter Starkregen in dieser Nacht hätte dem Dörfchen Niederkleen den Rest gegeben. Das Fatalste wäre dabei das Schließen des Schiebers der Talsperre gewesen, was die Situation unbeherrschbar gemacht hätte. Denn keiner weiß, wie viel Wasser noch nachkommt. Zum Glück waren besonnene Menschen vor Ort und es hat aufgehört zu regnen.
Sie sind also überzeugt, dass das Schließen des Wehrs nicht viel geholfen hätte?
Ja, genau. Es gab keinerlei Warnstufe vom Pegel Oberkleen, der einen Notzugriff auf die Schieber in irgendeiner Form hätte rechtfertigen können. Die Messeinrichtungen des Rückhaltebeckens registrieren dauernd etliche Daten zum Durchfluss. All diese Daten lagen im Bereich der Planfeststellung sowie des Zulassungsverfahrens im Rahmen des Probestaus 2007 und folgten der berechneten Kennlinie der Beckenabgabe in m³/ sec. Das Kleebachgerinne der Ortslage hätte meines Erachtens diese Wassermenge schadlos durchleiten müssen, wenn all die Jahre eine plangerechte Gerinneunterhaltung erfolgt wäre.
Wie stellt sich Ihnen die Rolle der Behörden dar?
Meine Erfahrungen haben leider gezeigt, dass sich diese im Zweifelsfall die Zuständigkeiten gegenseitig zuweisen.
Sehen Sie ein Behördenversagen?
Seit Jahren kommt die Gemeinde den im Maßnahmenkatalog vorgegebenen Tätigkeiten zum Hochwasserschutz nicht nach. Wie soll man das nennen?
Gibt es dafür Belege?
Ich habe auch Bürgermeister Marius Reusch im August 2019 auf die schwelende Gefahr aufmerksam gemacht, um die Herstellung der geforderten Gerinneleistung schon im letzten Jahr zu erreichen. Er hat die wesentlichen Daten erhalten und wurde auch über meine Schreiben und Fragen dazu an die Untere Wasserbehörde unterrichtet. Genutzt hat es, wie man sieht, nichts. Zugegeben, das Ganze ist ein sehr komplexes Thema. Somit werden die betroffenen Anwohner wohl vorerst noch eine Weile mit der latent schwelenden Gefahr leben müssen. Dies stellt für mich, als persönlich Betroffener, seit Jahren einen unerträglichen Dauerzustand dar.
Welche Lösung für die Zukunft wäre für Sie die wirksamste?
Eine umgehende fach- und sachgerechte Information der Bevölkerung über die bestehende Hochwassergefahr. Dann die Herstellung der in der Planfeststellung vorgesehenen Gerinneleistung von der Talsperre bis zum Steinbruch und die Beseitigung der in direkter Kleebachnähe abgelagerten abschwemmbaren Teile wie Holz oder Erde.