Virtuosen unter sich

Trompeter Markus Stockhausen und seine drei Mitstreiter eröffneten die Musikreihe in Lich. Ihnen folgten die Harfenistin Evelyn Huber (rechts) mit ihrem "Trio Inspire". Fotos: Schultz, Müller

Zwei auf unterschiedliche Weise mitreißende Konzertabende waren zu Beginn der Reihe "SommerMusikWelten" in Lich zu erleben.

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LICH. Zwei grandiose Instrumentalisten mit jeweils beeindruckenden Begleitern an ihrer Seite gab es zu Beginn der aktuellen Reihe "SommerMusikWelten" in Lich zu erleben. Die Markus-Stockhausen-Group um den Trompeter am Mittwoch im Traumstern sowie die Harfenistin Evelyn Huber mit dem "Trio Inspire" am Donnerstag in der Bezalel-Synagoge sorgten für nachhallende Konzerterlebnisse.

Man werde überwiegend Titel von der aktuellen Dreifach-CD "Tales" spielen, erklärte Stockhausen eingangs, um dann ohne Umschweife mit "Far into the stars" zu beginnen. Der Titelsong des gleichnamigen Albums von 2017 ("Eine Suite") wies dem Abend die Richtung. Die dominante Trompete, elektronisch mit Harmoniestimmen versehen und in sattem stereophonischem Hall eingebettet, sorgte für einen Hauch von Sphärenmusik. Schon hier zeigte sich, welch begnadeter Klangmodulierer Stockhausen ist, der einen großen Sound minutiös zu gestalten versteht.

Das Klavier ergänzte ihn mit einem Grundton, während eine Interaktion zwischen Flügelhorn und Cello begann. Dann plötzlich ein schneller Rhythmus, man macht sozusagen Strecke, bis zum Finale. Filigranes Ausklingen, nur mit Klavier und Percussion - ein Glanzlicht als Aufmacher sozusagen. Das Quartett, gerade auf Minitour durch Deutschland, besteht neben Stockhausen (Piccolotrompete, Trompete, Flügelhorn) aus Jeroen van Vliet (Piano, Keyboards), Cellist Jörg Brinkmann und Schlagzeuger Christian Thomé.

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Das folgende "A smile" zeigte die stilistische Vielfalt, die diese Formation zu bieten hat. Phasenweise wurde ohne den Chef wie im Trio musiziert. Dann kündigte Stockhausen "Easy Listening" an, gerade so, als habe man bis dahin schwere Kost serviert. Eine sanfte Eleganz prägte jetzt die Musik, während das Cello verfremdet tönte: Jörg Brinkmann hatte wie ein Gitarrist ein Schaltbrett vor den Füßen, das er entsprechend einzusetzen wusste. So schuf er oft mit aparten Klangverfärbungen substanzielle Akzente.

Schlagzeuger Thomé erwies sich ebenso als effektbewusster Perkussionist, der hier die vierte Stimme spielte. Attraktiv war die Duo-Aktion zwischen Trompete und Cello, die für intime Kommunikation sorgte. Stockhausen schlug, typisch, insgesamt immer neue, unvorhersehbare Richtungen ein. Brinkmann überraschte im eingebetteten "Better world" mit einem Solo von fulminanter Musikalität.

Nicht erst im nächsten Triostück überzeugte Pianist de Vliet: mit überzeugender Vielfalt, sensibel und konstruktiv. Das Schlagzeug redete mit, das Cello erzählte eine Geschichte - es war fast nicht mehr von dieser Welt. Wieder eine andere Facette leuchtete auf in "There's always hope". Nach einem Intro von fast himmlischer Ruhe eine gedämpfte Trompete, die Erinnerungen an Miles Davis wachrief.

Vielleicht am treffendsten charakterisiert "Flow" die Musizierweise dieses Quartetts. Verhalten beginnend mit einem betörenden Cello entwickelte der Titel saalfüllendes Volumen. Der fließende Charakter blieb immer erhalten, zu spüren war stets ein gemeinsamer inhaltlicher Nenner, eine durchgehende Verbindlichkeit des Ausdrucks. So wie bei aller Eingängigkeit von Strukturen und Harmonien nie auch nur ein Hauch von Banalität aufkam. "Ich hätte mir das noch zwei Stunden lang anhören können", sagte ein Musiker hinterher. Damit war er nicht alleine. Der Beifall wollte schließlich kein Ende nehmen, die erfreuten Musiker spielten zwei Zugaben.

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"Wir werden heute etwas wagen, bei den selbst komponierten Titeln viel improvisieren und uns von der Musik leiten lassen. Wir haben uns auf keine Tonarten festgelegt. Das ist auch für mich nicht alltäglich und wird eine spannende Erfahrung", kündigte Harfenistin Evelyn Huber zu Beginn ihres Auftritts in Lich mit dem "Trio Inspire" an. Knapp zwei Stunden später waren sich die Zuhörer einig: Huber an der Doppelpedalharfe, Matthias Frey am Flügel sowie Cellist Christopher Herrmann sorgten im Kulturzentrum Bezalel-Synagoge für einen Abend voller Gefühl und Leidenschaft.

Mit lang anhaltendem Applaus honorierten die Zuschauer die Leistung der drei Virtuosen, die prompt zurückzahlten. "Sehr geehrte Damen und Herren, Sie haben sich schon wieder eine Zugabe erklatscht", freute sich Herrmann. Was folgte war die zweite Dreingabe, passend zur kommenden Jahreszeit betitelt mit "Discolored Leafs" (verfärbte Blätter). Zuvor hatte das Trio sein Publikum mitgenommen auf eine musikalische Reise, die etwa in eine ägyptische Millionenstadt führte. "Alexandra", komponiert von Pianist Frey, bezog sich auf die dortigen Erlebnisse der drei Musiker. Orientalisch angehauchte Klänge, gepaart mit sich steigernden schnellen Tonfolgen - und schon hatte man das Gefühl, mitten in der Metropole dabei zu sein.

Auch überraschte das Trio mit unorthodoxem Spiel. Frey, der auch erfolgreich Filmmusik komponiert und mit seiner Arbeit für den Spielfilm "Die Mauer - Berlin 61" für den Emmy nominiert wurde, spielte den Flügel wie ein Saitenins-trument und entlockte ihm mit seiner Technik ungewöhnliche Klänge. So rieb der 65-Jährige etwa einen Luftballon auf den Seiten im Korpus des Flügels, während er weiter die Tasten bewegte. Cellist Christopher Herrmann, der 2016 ein eigenes Label namens "cellosophie" gegründet hat, nutzte sein Streichinstrument für Klopf- und Schlaggeräusche, oder setzte es als Zupfinstrument ein. Selbst die bekannte Melodie "Hänschen Klein" fand bei ihm ihren passenden Einsatz. Das Zentrum des musikalischen Klangteppichs, der von pompös und energiegeladen bis melancholisch-verträumt reichte, bildete aber die imposante Doppelpedalharfe von Evelyn Huber, die 1,8 Meter hoch und über fünfzig Kilogramm schwer ist.

Die zweifache Echo-Preisträgerin kreierte kraftvolle ebenso wie zarte Töne an diesem außergewöhnlichen Instrument. Motiviert wurden sie bei ihren Improvisationen von ihrer neuen CD "Inspire", welche zwölf selbst komponierte Songs der drei Musiker enthält.