Glänzender Saisonabschluss der Wettenberger Winterkonzerte: Der Schweizer Pianist Jean-Sélim Abdelmoula war zu Gast in der evangelischen Kirche.
Von Heiner Schultz
Von der New Yorker Carnegie Hall in die evangelische Kirche Wißmar: der Pianist Jean-Sélim Abdelmoula. Foto: Schultz
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WETTENBERG. Einen glänzenden Abschluss erlebten die Besucher des letzten Wettenberger Winterkonzerts dieser Saison am Sonntag in der evangelischen Kirche Wißmar. Der junge Pianist Jean-Sélim Abdelmoula musizierte Werke von Janácek, Beethoven und Schubert. Seine ebenso sensible wie technisch souveräne Musizierweise verzauberte die Zuhörer.
Abdelmoula, Jahrgang 1991, ist ein Schweizer Pianist und Komponist. Er studierte Klavier in Lausanne sowie Kammermusik an der Guildhall School in London. Seit September 2018 ist er einer der beiden Studenten des Sir Andras Schiff Performance Programms für junge Pianisten an der Kronberg Academy. Als Solist trat er bereits in zahlreichen bedeutenden Konzertsälen der Welt auf, zuletzt war er zusammen mit Streichern aus Kronberg zu Gast in der New Yorker Carnegie Hall. Dieser ebenso junge wie bereits hochrenommierte Künstler trat nun zum dritten Mal in Wißmar auf und wurde bereits beim Auftritt mit herzlichem Applaus begrüßt. Die Kirche war etwa gut halb besetzt.
Schon bei Leos Janáceks (1854-1928) "In the Mists" zeigte sich Abdelmoulas herausragendes Talent für feinste Stimmungszeichnungen und ebensolche Dynamikgestaltung. Zunächst etwas nachdenklich, ja träumerisch musizierte er sodann prägnanter und ließ die Energie wiederum abschwellen. Im zweiten Teil dann ein sanftes Schreiten, fast melancholisch werdend. Es folgten starke, klare Akzente unter Verwendung etwas modernerer Elemente. Das Thema bäumte sich schließlich noch einmal auf, um dann wieder im Nebel zu versinken, eine Bildlichkeit, die Abdelmoula exzellent zu gestalten wusste. Der lange gehaltene Schlussakkord ließ erst Spannung weiterbestehen und dann sanft versinken: stark. Kraftvoller Beifall belohnte den Künstler.
Ludwig van Beethovens Sonate Nr. 31, op. 110 in As-Dur in vier Sätzen ging der Schweizer Gast sanft fließend an, arpeggienhaft, das Ganze war dunkel grundiert. In der äußerst sensiblen Umsetzung war deutlich emotionale Energie zu spüren, eine interessante Gestaltung, nachdenklich-auflösend und mit glänzendem Timing.
Im zweiten Satz ein flotteres Tempo, wobei Abdelmoula eine seiner großen Stärken bewies: die Synthese aus Kraft und Differenzierung. Auch hier fand sich Versunkenheit in der bedachtsamen Umsetzung; eine starke Verzögerung erhöhte die Intensität. Im dritten ein stärkerer Fluss und kraftvolle Akzente. Insgesamt eine zarte, ja liebevolle Spielweise. Im herausragenden vierten Satz dann ein fast triumphales Aufschwingen zu größter Intensität - eine perfekte Umsetzung. Massiver Beifall schon jetzt.
Franz Schuberts Sonate in B-Dur D 960 in vier Sätzen, die letzte seiner drei späten Sonaten, gestaltete Abdelmoula zum Glanzlicht des Abends. In der für Schubert typischen ausgedehnten Sonatenform ergab sich einerseits ein profunder Einblick in sein Schaffen und zugleich wiederum in die persönliche Umsetzung Abdelmoulas. Es begann träumerisch fließend, langsam prägnanter werdend, mit verspieltem Variantenreichtum. Abdelmoula bewies größte Sorgfalt und baute kleine Spannungsverstärker ein. Insgesamt hörte man einen großen, reich gestalteten plausiblen Spannungsbogen. Die Variationen erklangen unspektakulär, aber enorm vielfältig und mit einer Fülle an Details; auch hier wieder träumerisches Versinken. Auch im zweiten Satz kehrt große Ruhe ein. Fast überraschend dann das Scherzo mit bildhafter Lebendigkeit und eingestreuten tänzerischen Momenten, dann ein famos expressiver Abschluss. Großartig. Heftiger Beifall erfüllte die Kirche. Als Zugabe erklang ein wunderbar nachdenklicher Mozart, bedachtsam, hochnuanciert, fast schon vergeistigt - noch ein Genuss.
Die Spenden gehen diesmal an den Förderverein Sozialstation und den Arbeitskreis der Winterkonzerte.