"Garbenteich-Ost": Wichtige Entscheidung steht bevor
Investor Daniel Beitlich (Revikon GmbH) äußert sich zu den Kritikpunkten der Bürgerinitiative Garbenteich, die das Pohlheimer Stadtparlament außerdem in einer Petition auffordert, in der heutigen Sitzung nicht endgültig über das Gewerbegebiet abzustimmen.
Von Frank-O. Docter
So sieht der aktuelle Planungsstand aus: Zur Autobahn hin soll der Industrieteil entstehen, zur Ortschaft hin ein Mischgebiet mit Gewerbe. Archivfoto/-grafik: Feldmann Architekten
Jetzt teilen:
Jetzt teilen:
GARBENTEICH - Heute Abend sind die Augen vieler Pohlheimer auf die Volkshalle gerichtet. Dort kommt die Stadtverordnetenversammlung zusammen, um über den Satzungsbeschluss zum Bebauungsplan des circa 25 Hektar großen Gewerbegebiets "Garbenteich-Ost" abzustimmen. Die Bürgerinitiative (BI) Garbenteich lässt derweil nichts unversucht, diesen entscheidenden Schritt zu verhindern oder zumindest bis nach der Kommunalwahl (14. März) aufzuschieben. Neben einer am Mittwoch herausgegebenen Petition (siehe Kasten) haben die BI-Mitglieder in einer kurz zuvor erfolgten Pressemitteilung ihre Kritikpunkte aufgeführt. Demnach sehen sie in den vorliegenden Dokumenten "etliche fehlerhafte Aussagen, die den Parlamentariern eine objektive Abwägung unmöglich machen". Überdies moniert man, auf eigene Einwendungen bei den Offenlagen des Bebauungsplans sei nicht ausreichend eingegangen worden. Für Stellungnahmen zu den Kritikpunkten der BI haben wir mit dem Investor und Projektentwickler, der Gießener Revikon GmbH und deren Geschäftsführer Daniel Beitlich, gesprochen.
BI: In der Begründung zu "Garbenteich-Ost" wird trotz großer Potenziale in Gießen (zum Beispiel Gail'sches Gelände) behauptet, "die Konversion von großen Altflächen ist abgeschlossen". Diese Aussage ist falsch.
Beitlich: Richtig ist, dass alle großen Konversionen in Gießen abgeschlossen sind. Dies verbunden mit der Aussage, dass es in Gießen zur Zeit praktisch keine verfügbaren gewerblichen Flächen gibt. Fast alle Gewerbegrundstücke sind vermarktet. Das angeführte Gail'sche Gelände befindet sich im Besitz einer großen Immobilienfirma. Es bleibt zu hoffen, dass dieses Gelände entwickelt wird. Dies ist allerdings noch ein weiter Weg, denn passiert ist bis heute wenig. Es geht aber auch nicht um Gießen, sondern um Pohlheim, und wir sind bereit, 15 Millionen Euro in Pohlheim zu investieren und Pohlheim von allen Kosten wie B-Plan, Verfahren, Gutachten, Erschließung et cetera freizustellen. Wir würden das nicht tun, wenn wir nicht der Meinung wären, dieses Gebiet sehr sinnvoll und im Interesse von Pohlheim entwickeln zu können. Wichtig ist: "Wir entwickeln dieses Gebiet gemeinsam mit der Politik für Pohlheim und nicht gegen Gießen.
PETITION DER BÜRGERINITIATIVE
Die Bürgerinitiative (BI) Garbenteich hat am Mittwoch eine Petition zu "Garbenteich-Ost" veröffentlicht, in der sie sich an Bürgermeister, Magistrat und alle Stadtverordneten wendet. So fordern die BI-Mitglieder das Stadtparlament dazu auf, in der heutigen Sitzung den Satzungsbeschluss zum "Gewerbe-/Industriegebiet" nicht endgültig zu beschließen, weil:
1. viele Fragen und Einwände von Bürgern, Institutionen und Verbänden nicht oder nur unzureichend berücksichtigt beziehungsweise beantwortet wurden,
2. fragliche Sachverhalte mit Verweis auf den städtebaulichen Vertrag behandelt wurden, dieser aber bisher nicht öffentlich ist,
3. der neue Bürgermeister Andreas Ruck in das Verfahren aktiv einzubinden ist,
4. hinsichtlich des Verfahrens und der Planung eine echte Öffentlichkeit herzustellen ist. Bisher wurden die Bürger und betroffenen Anwohner nur unzureichend über die bisherigen Festlegungen unterrichtet,
5. Investor Beitlich im Vorfeld betont hat, die Bevölkerung einbinden zu wollen und im Parlament eine breite Mehrheit anzustreben; beides wurde bisher nicht erfüllt,
6. angesichts der bis Juni laufenden Kauf-Optionen des Investors keine Eile geboten ist und das Parlament im Sinne einer gründlichen Abwägung nicht unter Zeitdruck gesetzt werden darf,
7. die Mehrheit der Pohlheimer Bürger dem Projekt sehr kritisch bis ablehnend gegenübersteht,
8. über eine Beteiligung der Bürger zu beraten ist (zum Beispiel Vertreterbegehren, anstehende Kommunalwahl),
9. sich durch die Ansiedlung des Logistikers ParcelOne eine neue Verkehrssituation ergeben hat,
10. vor der Zustimmung der Stadtverordnetenversammlung vom Investor hinsichtlich der geplanten Ansiedlungen die Karten auf den Tisch zu legen sind. (red/fod)
BI: Für Garbenteich ist von "verkehrstechnisch gut erschlossenem Gebiet" die Rede. Diese Grundannahme ist falsch.
Beitlich: Das Gebiet liegt direkt an der Umgehungsstraße L 3358 und ist für die geplanten Ansiedlungen sehr gut erreichbar. Wir schließen Großlogistik, Schüttgut, Autohof et cetera aus.
BI: Es gibt weder direkten Zugang zur Autobahn, noch öffentliche Verkehrsmittel in einem Umfang, wie sie etwa im Oberzentrum Gießen zur Verfügung stehen.
Beitlich: Die Bushaltestelle ist direkt am Eingang zum Gebiet und auch der Bahnhaltepunkt mit neuer Querungshilfe zum Gebiet liegt noch günstig.
BI: Man befürchtet eine starke Verkehrszunahme gerade für das ohnehin schon stark belastete Dorf-Güll.
Beitlich: Der Verkehr wird durch ein Sackgassensystem ausschließlich auf die Umgehungsstraße geführt. Hinzu kommt ein von uns bezahltes Leitsystem, um den Verkehr zu steuern. Es wurde auf Aus- und Zufahrten zur L 3131 nach Dorf-Güll bewusst verzichtet.
BI: Im Umweltbericht heißt es: "Die künftige Bebauung wird für das Wohngebiet eine deutliche Abschirmung der Geräuschimmissionen (...), die von der Autobahn ausgehen, zur Folge haben." Das ist fachlich eindeutig falsch. In der einschlägigen Literatur kann man nachlesen, dass nur durchgehende Lärmschutzwände direkt an der Quelle eine abschirmende Wirkung haben.
Beitlich: Richtig ist, dass eine durchgehende Lärmschutzwand direkt an der Autobahn - welche der Verursacher zu zahlen hätte, zu deren Aufstellungsort allerdings wir wie auch die Gemeinde keinen Zugriff haben - eine bessere Wirkung hätte als die Bauten im Bereich an der Autobahn. Diese haben eine deutliche Abschirmung, aber keine absolute. Ob das als falsch gelten sollte?
BI: In der Begründung ist von einem "Entwicklungsgebot" für diese Fläche die Rede. Das ist falsch, wie auch die Entwicklung in Lützellinden am praktischen Beispiel zeigt.
Beitlich: Es gibt ein Entwicklungsgebot als Willenserklärung aus dem Flächennutzungsplan (F-Plan), was nicht heißt, dass man es entwickeln muss. Es wurde daher ja auch von uns schon auf Anregung verkleinert und Flächen aus dem F-Plan "herausgeplant".
BI: Die vom Planungsbüro getroffene Behauptung, dass die Flächen im Eigentum der Revikon stünden, stimmt so nicht. Es besteht lediglich eine Kaufoption.
Beitlich: Wir haben durch Optionsverträge bis zum 30. Juni 2021 vollen Zugriff auf alle benötigten Grundstücke. Die Grundstücke der BI werden nicht gebraucht und liegen außerhalb der Planung. Wir haben die Kaufoptionen durch die Übernahme der FOC GmbH (Factory-Outlet-Center, Anm. d. Red.) übernommen und noch entsprechend ergänzt. Dies wurde immer offen und transparent kommuniziert. Eventuell ist die Wortwahl unglücklich, welche aber nichts an der Tatsache ändert, dass alle Grundstücke im Zugriff sind.
BI: Zahlreiche eigene Kritikpunkte wurden bei den Offenlagen nicht beachtet, unter anderem zu Klimaschutz, Landwirtschaft, Nahrungsmittelversorgung und Verfehlung der Ziele zum Bodenschutz. Man beklagt den Verlust von Ackerland und befürchtet durch die Versiegelung von Bodenflächen unter anderem deutlich höhere Stickoxid-Werte.
Beitlich: Jede Versieglung zu verbieten und damit jedes Wachstum kann nicht der Weg sein. Diese Flächen eignen sich für eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung in Pohlheim und im Landkreis und wurden vor über 20 Jahren bereits als geeignet eingestuft und im Flächennutzungsplan so ausgewiesen. Arbeitsplätze sollten auch einen Wert haben. Und gerade in Pohlheim wurden alle Interessen in den letzten Monaten konstruktiv abgewogen. Das Gebiet wurde kleiner und noch grüner, viele Nutzungen wurden ausgeschlossen. Ein transparenter Prozess, der sauber abgewogen wurde.
Und noch eine Frage des Anzeigers: Speziell für den Industrieteil vermisst die BI Aussagen des Investors, was dort hinkommen könnte und was auf keinen Fall. Es geistern in der Bevölkerung Befürchtungen umher vor einem Chemie-Unternehmen oder einem anderen, das sich negativ auf Grundwasser und Luft auswirken könnte.
Beitlich: Das ist leider eine sehr unschöne "Fake News", die bei mir auf völliges Unverständnis stößt. Großlogistik, einen Autohof und Schüttgut haben wir als Ausschluss in den städtebaulichen Vertrag aufgenommen. Gerne hätten wir auch ein Chemiewerk im städtebaulichen Vertrag ausschließen können, und können das auch noch tun.