Kreis Gießen nimmt Abschied von der Schwarzen Null
Landrätin stellt Haushalt 2021 vor. Ohne die Corona-Sonderregelungen wäre der Etat nicht genehmigungsfähig. Steigender Finanzbedarf in den Bereichen Personal, Asyl und Straßenbau.
Von Ingo Berghöfer
Steigende Instandhaltungskosten schlagen im Haushalt für das kommende Jahr zu Buche. Das ist auch eine Folge der Sparpolitik der Jahre unter dem kommunalen Rettungsschirm. Damals ist vieles liegen geblieben, was jetzt saniert werden muss. Archivfoto: dpa
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KREIS GIESSEN - Kreis Gießen. Unter das Motto "Stabilität in der Krise" hat Landrätin Anita Schneider den Haushalt für das kommende Jahr gestellt, den sie am Dienstagabend in den Kreistags-Notausschuss in der Harbighalle in Alten-Buseck einbrachte. Unter den gesetzlichen Vorgaben der Schwarzen Null wäre dieser Haushalt wohl nicht genehmigungsfähig, räumte Schneider bei der Vorstellung des Etats in einer Pressekonferenz vor Beginn der Ausschusssitzung ein. Doch die sind aufgrund der Corona-Pandemie derzeit außer Kraft gesetzt. Das ist wohl auch gut so, denn auch die corona-bedingten Ausgaben tragen dazu bei, dass der Kreisetat 2021 nicht ausgeglichen werden kann.
Bislang sind dem Landkreis für die Maßnahmen in der Corona-Pandemie Nettokosten in Höhe von rund 1,1 Millionen Euro entstanden, weitere Anforderungen werden kommen. Zudem muss auch das Land Hessen corona-bedingt massive Steuerausfälle hinnehmen, was natürlich auch Konsequenzen für den Kommunalen Finanzausgleich (KFA) hat.
Es gibt aber auch positive Entwicklungen. Der Haushaltsentwurf entstand auf Basis der Zahlen des Landes zum KFA von Anfang Oktober. Am 6. November aber schlossen das Land und die kommunalen Spitzenverbände einen Kommunalpakt, in dem beide Seiten sich auf Hilfen von mehr als drei Milliarden Euro einigten. Veränderungen für den Landkreis aufgrund dieses Paktes sollen später in den Etat einfließen. Schneider warnte aber vor allzu großen Erwartungen: "Unsere Handlungsspielräume - das steht fest - werden dadurch nicht größer werden."
Planungssicherheit
In erster Linie bringt der Kommunalpakt in unruhigen Zeiten Sicherheit in die Finanzplanung, weil er den KFA für die Jahre 2021 bis 2024 stabilisiert. Das ist wichtig angesichts weiterer drohender Steuerausfälle, sollte das Coronavirus sich weiterhin so stark ausbreiten wie in den vergangenen Wochen und dann zusätzliche Einschränkungen des Wirtschaftslebens nötig machen.
Die wichtigste Zahl im Haushaltsentwurf 2021 lautet 51,5. Das ist die Höhe des Gesamthebesatzes und der werde auch im kommenden Jahr nicht erhöht, um die Kommunen in der derzeitigen finanziellen Krise nicht noch zusätzlich belasten, betont die Landrätin.
Nach dem Gebot der Kostendeckung sei aber eine Anhebung des Hebesatzes der Schulumlage um 0,6 Prozent-Punkte auf 17,6 Prozent nicht zu vermeiden. Dennoch schließe der Schulträgerhaushalt mit einer Unterdeckung von rund 1,1 Millionen Euro ab, die im Haushaltsjahr 2021 noch eingespart werden müssen, sagt Schneider. Im Gegenzug wird aber der Hebesatz der Kreisumlage für die Gemeinden ohne eigene Schulträgerschaft im gleichen Umfang auf 33,9 Prozent reduziert.
Zu den wichtigsten Eckdaten des Haushaltes:
Im Ergebnishaushalt wird ein Überschuss von 1,3 Millionenen Euro angepeilt. Im Finanzhaushalt steht dem nach Abzug der ordentlichen Tilgung von 7,2 Millionen Euro und dem Beitrag zur Hessenkasse von 6,5 Millionen Euro ein Fehlbedarf von 6,7 Millionen Euro gegenüber.
Deshalb sollte für das Haushaltsjahr 2021 ein Haushaltssicherungskonzept beschlossen werden, mit dem Ziel, die Deckungslücke von 6,7 Millionen Euro durch Mittel aus der vorhandenen Liquiditätsrücklage der vergangenen Jahre zu schließen.
Zu den Ausgaben:
Die Gesamtausgaben für Personal erhöht sich im Vergleich zum Vorjahr um rund 4,5 Millionen Euro. Ursache dafür sind neben Tariferhöhungen die Zuwächse aus den Stellenplänen 2020 und 2021. Ein großer Teil des Mehrbedarfes entfällt dabei auf das Gesundheitsamt und den Bereich "Hygiene". Der Stellenplan 2021 umfasst 20,63 neue Stellen und damit insgesamt 855,01 Stellen.
Die Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen steigen um rund 3,3 Millionen Euro auf insgesamt 61 Millionen Euro. Neben Mehrkosten im Bereich "Abfallwirtschaft" in Höhe von 1,4 Millionen Euro ist ein wichtiger Grund für die Aufwandsteigerung der erhöhte Bedarf für Unterhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen an Kreisstraßen. Aufgrund der Auflagen als Schutzschirmgemeinde ist dort ein Stau entstanden.
"Produkt Asyl" wird teurer
Deutlich steigen die "Mehrbelastungen im Produkt Asyl": Dessen Defizit wächst um 3,9 Millionen Euro und damit um mehr als das Doppelte auf 7,1 Millionen Euro. Schneider betont, Grund für die Steigerungen sei kein Zuwachs an Asylbewerbern. Deren Fallzahl belaufe sich wie im Vorjahr auf rund 1300 Personen. Aufgrund längerer Aufenthalte der Hilfeempfänger müssten überwiegend höhere Leistungen gewährt werden. So falle in vielen Fällen der Bund als Zahler aus, weil der seine finanzielle Unterstützung für Asylbewerber auf drei Jahre begrenzt habe. Diese Frist laufe jetzt aus, etliche Asylbewerber hätten aber nach wie vor keinen Arbeitsplatz. Darüber hinaus entstünden Mehrbelastungen in den Bereichen "Hilfe zum Lebensunterhalt" (plus 800 000 Euro), "Eingliederungshilfe" (plus 450 000 Euro), "Sozialbudget" (plus 450 000 Euro) und "Hilfe zur Erziehung" (plus 300 000 Euro).
Trotz der zusätzlichen finanziellen Belastungen bewegt sich der Gesamtinvestitionsetat in Höhe von 36 Millionen Euro im Rahmen der Vorjahre. Schwerpunkte der Investitionen sind der - auch corona-bedingte - Ausbau der IT (1,6 Millionen Euro), der Bau des Gefahrenabwehrzentrums (3,8 Millionen Euro), Schulen (24,5 Millionen Euro), Wohnbauförderung (eine Million Euro) und Kreisstraßen (2,8 Millionen Euro).