"Ich fühle jeden Ton": Gitarrenvirtuose Michael Diehl. Foto: Stephan Klement
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Giessen/wettenberg. Bei Michael Diehl, einem Virtuosen an der Gitarre, ist das Musikfieber schon im Alter von acht Jahren ausgebrochen. "Und wenn du einmal infiziert bist, bleibst du auch dabei," schmunzelt der Künstler, Musiklehrer und Uni-Dozent. Heute ist der geborene Marburger über die Grenzen Deutschlands hinaus ein gefragter Live-Musiker. Ob auf Solopfaden oder im Duo mit seiner Partnerin Florezelle Amend, der vom Fingerstyle geprägte Gitarrist begeistert seine Zuhörer. Wer ihn live erleben will, hat an diesem Samstag um 15 Uhr auf Burg Gleiberg dazu die Gelegenheit. Diehl tritt dort zusammen mit der Band "Radio 2020" auf.
Michal Diehl bekam als Achtjähriger erstmals Unterricht, mit 16 versuchte er sich an ersten eigenen Projekten und spielte Auftritte mit Bands aus dem Jazz-, Soul- und Funkgenre. "Als mir dann klar wurde, dass ich meine berufliche Zukunft in der Musik sehe, habe ich ein Studium an der London Music School begonnen - eine faszinierende Zeit", erzählt er. In den knapp zwei Jahren seines Studiums sammelte der heute 46-Jährige viele intensive Eindrücke und Erfahrungen. "Wenn man ins Ausland geht, empfindet man die Dinge anders. Es war ein spannendes Gefühl, mit meinem Gitarrenkoffer in der Londoner U-Bahn zu stehen, mitten in dieser multikulturellen Stadt voller Energie. Ich habe schnell bemerkt, dass das musikalische Niveau dort sehr hoch war. Vom Straßenmusiker bis zum Profi war das toll anzuhören", schwärmt der Mittelhesse.
Zurück in Deutschland folgte das Studium "Professional Programm" an der Future Music School in Aschaffenburg, an dem der berühmte Jazzer Michael Sagmeister das Gitarren-Kolloquium verfasst hat. Rückblickend gehen für Diehl die Briten "etwas leichter mit der Musik um, nicht so analytisch wie wir Deutschen. Der Engländer spielt erstmal und macht sich dann Gedanken, bei uns ist es eher andersherum", erklärt Diehl.
Für ihn folgte 2005 die Gründung des Duos "2injoy", um die erlernte Theorie in die Praxis umzusetzen. Seine Musik- und seit 15 Jahren auch seine Lebenspartnerin Florezelle Amend, die als Sängerin mit den philippinischen Santo Tomas Chor auf Welttourneen auch vor Würdenträgern wie Papst Johannes Paul II. oder dem spanischen König auftrat, begeisterte den Hessen mit ihrer Stimme und Energie. Durch die verschiedenen Einflüsse aus London und Aschaffenburg sowie inspiriert von großen Gitarristen wie Tuck Andress und Tommy Emmanuel, entdeckte der leidenschaftliche Musiker den Fingerstyle für sich - eine Gitarrentechnik, die ihn heute ausmacht.
Nach zahlreichen Auftritten im Duett, inklusive Workshops in Malta und Italien, wo das Duo sein Publikum mit außergewöhnlichen Interpretationen großer Songs begeisterte, wuchs bei Diehl die Idee eines ersten Soloprojekts. So erschien 2012 das Album "Daybreak", das ausschließlich eigene instrumentale Gitarrenstücke enthält. Mittlerweile hat der Marburger sein drittes Soloalbum veröffentlicht. Als gefragter Live-Musiker verfügt er zudem über verschiedene Stile. Seine Erfolgsformel ist dennoch recht einfach gehalten: "Sich treu bleiben und die Musik fühlen." Dabei bindet er das Publikum mit in seine Auftritte ein, "indem ich ihnen Geschichten dazu liefere, wie ich auf diesen Song oder jene Melodie gekommen bin oder was mich emotional bewegt hat". Diehl versucht, den Spannungsbogen mit unterschiedlichen Stilistiken und Genres aufrechtzuerhalten. "Deswegen spiele ich auch immer im Stehen, weil ich jeden Ton fühle und mitgehe."
Die Inspiration zu seinen Instrumentals kann ganz unterschiedlich ausfallen. Das kann der Kaffeeduft am Morgen sein, Vogelgezwitscher, aber auch ein tragisches Ereignis wie der Tod eines guten Freundes. Da entstehen Melodien im Kopf, die ich mit meinen Fingern an der Gitarre finde." So entwickelt Diehl auch dramatische Titel wie etwa "Too much Water", der die Bootsüberfahrt eines Flüchtlings beschreibt.
So möchte er die Menschen nicht mit seiner Virtuosität, sondern vor allem emotional erreichen. Dafür brauche man keine "großen Stücke", eher "kleine Geschichten", ist er überzeugt. "Ich kann die Leute verstehen, die skeptisch sind und sich schwer vorstellen können, durch zwei Stunden Gitarrenspiel unterhalten zu werden. Aber wenn sie dann eine Träne verdrücken, ist das für mich die größte Anerkennung. Dementsprechend kann ich mit Gelassenheit auf die Bühne gehen, weil ich kein Schauspiel veranstalte." Auf einen griffigen Künstlernamen verzichtet der Musiker daher, "einfach nur Michael Diehl, Punkt".
Dass der Gitarrist in Zeiten von Corona kaum Konzerte spielen konnte, "ist natürlich sehr schade", aber so kann sich der Mittelhesse umso intensiver seinen zahlreichen anderen Projekten widmen. Diehl ist seit zwei Jahrzehnten als Musiklehrer und Gastdozent tätig, arbeitet in der "Musikzentrale" in Wetzlar, im "Powwow Music-House" in Löhnberg sowie an der freien Montessori-Schule in Westerburg.
Michael Diehl gastiert als Solist zusammen mit der Band "Radio 2020" und Siobhan Prendergast ("Celtic Tree") am Samstag, 25. Juli, um 15 Uhr im Burghof von Burg Gleiberg. Tickets kosten 15 Euro.