Wettenberger Bürgermeisterkandidaten auf den Zahn gefühlt
Rund 200 Besucher kamen zur Podiumsdiskussion mit den vier Bewerbern in der Sporthalle der Gesamtschule Gleiberger Land.
Von Leandro Theis
Die Moderatoren des Abends, Volker Böhm (r.) und Rüdiger Soßdorf (l.), umrahmen die vier Bürgermeisterkandidaten (v.l.) Marc Nees, Andreas Heuser, Philipp Nickel und Ralf Volgmann. Foto: Theis
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WETTENBERG - Bei den Kernthemen wie Siedlungsentwicklung, Klimaschutz, Verkehrskonzept und Verbesserung der Kommunikation zwischen Verwaltung und Bürgern herrschte unter den vier Bürgermeisterkandidaten weitgehende Einigkeit. Sie trafen sich am Donnerstagabend in der Sporthalle der Gesamtschule Gleiberger Land zu einer Podiumsdiskussion und stellten sich den Fragen von Volker Böhm vom Gießener Anzeiger und Rüdiger Soßdorf von der Gießener Allgemeinen Zeitung sowie der Bürger.
Es war ein Schritt zurück zur Normalität. Unter Corona-konformen Bedingungen begrüßten Barbara Yeo-Emde vom Kunst- und Kulturkreis Wettenberg sowie Mike Mülich von der Sängervereinigung Wißmar knapp 220 Zuschauer. So konnten sich die Wähler ihren eigenen Eindruck von Andreas Heuser (CDU), Marc Nees (unabhängig, unterstützt von den Freien Wählern), Philipp Nickel (unabhängig) und Ralf Volgmann (SPD) verschaffen. Auf zuvor ausgeteilten Zetteln konnten die Besucher Fragen an die Kandidaten notieren. Diese wurden von Helfern aus den Vereinen eingesammelt und an das Moderatoren-Duo übergeben.
Neuen Wohnraum schaffen
Zur Frage der künftigen Bebauung plädierte Heuser für Innenverdichtung und Umstrukturierung von Wohnraum: "Wir haben in Wettenberg wenig Flächen zu verteilen. Deshalb müssen wir versuchen, zu verdichten. Wir dürfen nicht unser gutes Ackerland versiegeln. Ich schlage deshalb vor, dass die Gemeinde um die Kosten für junge Menschen, die aus Wettenberg stammen, gering zu halten, alte Gebäude ohne Investorbeteiligung ankauft. Diese müssen dann umgebaut werden, sodass junge Familien dort preisgünstig wohnen können. Hier muss die Gemeinde innovativ vorgehen." Nickel lehnt das bisher betriebene "Wachstum um jeden Preis" ab. Er wolle das ländlich geprägte Ortsbild erhalten. Als Unding bezeichnete es der 44-Jährige, dass sich junge Wettenberger, die in der Gemeinde aufgewachsen sind, keinen Wohnraum leisten können. "Ich möchte die Mittelschicht, bestehend aus Facharbeitern, Angestellten, Pflegekräften und so weiter unterstützen, damit ihnen bezahlbarer Wohnraum in Wettenberg zur Verfügung gestellt wird. Ebenso muss seniorengerechtes Wohnen im Ortskern erhalten bleiben."
Dass Wettenberg in den nächsten zehn Jahren weiter wachsen wird, und "wir Bedarf an Wohnraum bekommen, der noch über dem aktuellen Bedarf liegt", prognostizierte Nees. Aus seiner Sicht muss neues Bauland erschlossen werden. "Die Gemeinde muss die Flächen ankaufen und nach einem sozialen Kriterienkatalog vergeben", erläuterte der Wißmarer.
Für die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum steht auch Volgmann. "Geringverdiener, Alleinerziehende, Personen mit keinem dicken Geldbeutel, die in Wettenberg nichts mehr finden, für die muss bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden", erläuterte der SPD-Kandidat. Die dafür nötige und geeignete Fläche müsse gefunden werden. Er sei nicht für große Grundstücke mit Einfamilienhäusern, sondern für Reihenhäuser und Wohngebiete, in denen eine gute Durchmischung stattfinde. Es gebe aktuell freie Bauplätze, ebenso viele leer stehende Gebäude. Hier will er sich eine Übersicht verschaffen, damit diese vergeben werden können.
Wie das Klima schützen?
In Sachen Klimaschutz müsse jeder bei sich selbst anfangen, erklärte Nickel. So habe auch er bewusst auf Werbemittel verzichtet. "Sie werden von mir keine Plakate oder Zettel finden. Ich habe das dafür vorgesehene Geld gemeinnützigen Einrichtungen zukommen lassen." Er will konsequent auf Nachverdichtung verzichten. Zudem müsse man sich Gedanken machen, wo die "Klimakiller" herkommen.
Für eine stärkere interkommunale Zusammenarbeit in Sachen Klimaschutz möchte sich Nees einsetzen. "Außerdem muss die Gemeinde mit gutem Beispiel vorangehen. Ich kann mir zum Beispiel Fahrräder für die Mitarbeiter der Gemeinde vorstellen und natürlich auch für den Bürgermeister selbst."
Für Volgmann ist es wichtig, den Wald zu erhalten und sicherzustellen, dass er sich auch weiter entwickeln kann. "Klimaneutrale Gebäude, Neubauten und Umbauten müssen unterstützt und entsprechend gefördert werden", so der 57-Jährige. In Sachen Erhalt und fortdauernde Entwicklung des Waldes stimmte Heuser zu. Angesichts der sich häufenden Flutkatastrophen müssten in Wettenberg Regenrückhaltebecken bereits im Wald gebaut werden, so der dreifache Familienvater. "Der öffentliche Nahverkehr muss umstrukturiert werden, um den Leuten eine attraktive Alternative zum Auto anbieten zu können. Genauso werde ich mich für den Ausbau von Radwegen einsetzen."
Immer häufiger bemängelt wurde zuletzt die fehlende Kommunikation der Verwaltung zu Vereinen und den Bürgern. Nees sieht einen Lösungsansatz darin, einen festen Ansprechpartner für die Vereine auf der Verwaltung zu installieren. "Dieser muss entsprechend geschult und ausgebildet werden. Er muss die Anfragen entgegennehmen, sie entsprechend auf die zuständigen Kollegen verteilen und auch Ansprechpartner bei weiteren Rückfragen sein." Auch Volgmann bestätigte die Kritik an der mangelnden Kommunikation seitens der Verwaltung. "Ich würde selbst als Bürgermeister vorangehen und will Ansprechpartner für alle Bürger sein." Verwaltung sei für ihn ein Service, zu dem der Kunde gehen kann und der dort auch eine Antwort für sein Anliegen zu bekommen hat.
Die Verbesserung der Kommunikation sei für ihn Kernthema, machte Heuser deutlich. Er sei auch bei seinem Beruf als Polizist niemand, der vom Büro aus führt, sondern sich vor Ort Probleme anschaue. Dies will er auch als Bürgermeister tun. "Wenn Bürger eine Anfrage stellen, muss jemand implementiert werden, der diese entgegennimmt. Kommt es dabei jedoch zu Komplikationen, dann hat meiner Meinung nach der Chef rauszufahren und es sich anzuschauen. Ich habe mir deshalb die Vorgehensweise des früheren Bürgermeisters Gerhard Schmidt zum Vorbild genommen. Diese lautet: Rausfahren, nachschauen, Informationen mitnehmen, anschließend umsetzen und steuern."
Als zweigeteilt sah Nickel das Problem an. Er würde bei der Schulung der Mitarbeiter der Gemeinde in Sachen Bürgerbeteiligung ansetzen. Die Verwaltung biete bereits die Möglichkeit, sich aktiv einzubringen, doch leider stünden bei Aktionen dort immer nur eine Handvoll, und meist sogar immer nur die dieselben Leute. "Ich will deshalb ein Klima schaffen, das den Spaß am Mitmachen fördert."
Die rund zwei Stunden, die für die Podiumsrunde angesetzt waren, vergingen für alle Anwesenden wie im Flug. Nach diversen Fragen aus dem Publikum hatten die Kandidaten Gelegenheit, in Abschlussstatements zu erklären, wieso sie neuer Bürgermeister von Wettenberg werden wollen.