2020 ereignete sich der Vorfall, bei dem ein Hund eine Spaziergängerin in den Arm biss. Der Fall ist vor Gericht gelandet. Das zieht einen Pathologen hinzu. Warum?
Langgöns. Wenn Rhodesian Ridgeback und Mops aufeinandertreffen, geht das wirklich gut? Großer gegen kleinen Hund, der Ausgang dürfte klar sein. Doch beide Hunde sind gesund und munter. Einer Frau aus Langgöns wurde diese tierische Konstellation allerdings zum Verhängnis. Einer der beiden biss zu, nur welcher ist für Außenstehende bislang unklar. Das muss nun gerichtlich in einem Schmerzensgeldprozess geklärt werden.
Direkte Zeugen gab es nicht. Ein Pathologe wird letztlich vor dem Landgericht in Gießen als Gutachter zur Größe des Bisses Stellung beziehen und damit den Prozess mit entscheiden. Bei den beiden beteiligten Hundehalterinnen gibt es zum Vorfall unterschiedliche Aussagen.
Zum Auftakt des Prozesses, den die gebissene 27-jährige Mops-Besitzerin anstrengte, wurde schnell deutlich, dass die Beklagte, die zwei große Hunde ihr Eigen nennt, nicht ganz unbekannt im Ort ist. Diese äußerte sich freimütig zu vorgehaltenen aktenkundigen Begegnungen in Langgöns und machte allerdings deutlich, dass nicht ihr Ridgeback die junge Frau angefallen habe, sondern deren Mops versehentlich zuschnappte.
Auf den Biss folgen Blutvergiftung und OP
Die Klägerin, Angestellte im öffentlichen Dienst, sieht das anders, hatte viel Ärger mit der Wundheilung und fordert nun 7000 Euro, davon sind 5000 Euro Schmerzensgeld. Im Dezember soll zunächst ein Beschluss gefasst werden, welcher Pathologe die Gebisse der beiden Tiere in Augenschein nimmt. Die Untersuchung des Arms der Klägerin wird dabei eine weitere wichtige Rolle spielen.
Am ersten Verhandlungstag vor der Einzelrichterin wurde unter anderem ein Zeuge befragt, der das Geschehen nicht hautnah miterlebt hatte, allerdings direkt nach dem Biss Erste Hilfe leistete und ein nicht ganz unwesentliches Telefongespräch der Beklagten mitbekam.
Zur schicksalhaften Begegnung an einem Feldweg hinter Häusern kam es bereits Anfang August 2020. Was aus ihrer Sicht geschah, durfte zunächst die Klägerin schildern: Sie ging mit ihrem Mops – der von klein auf ohne Leine und Halsband mitlaufe – spazieren und wurde an einem Punkt gewahr, dass sich hinter ihr die Beklagte mit ihren angeleinten Hunden schnell näherte. Beim Zusammentreffen sei ihr unmissverständlich bedeutet worden, doch ihren Mops anzuleinen. Dem wollte und konnte die 27-Jährige allerdings nicht nachkommen. Der Gesprächston ihres Gegenübers sei dann sehr unfreundlich geworden.
Die Beklagte soll daraufhin ihren Ridgeback abgeleint und mit einem schnipsenden Fingerzeig auf die Klägerin gedeutet haben. Sie sei vorgewarnt gewesen, da sie die Frau bereits vom Hörensagen direkt habe einordnen können. Aus Angst um ihren Mops, griff sie diesem mit dem linken Arm unter den Bauch, hob ihn hoch und wehrte nach ihren Angaben den unerwarteten Angriff des Ridgebacks auf ihre Person mit dem erhobenen rechten Arm ab.
Die Bisswunde blutete stark, und es gab im Anschluss Komplikationen mit einer Blutvergiftung, die eine Operation und Krankenhausaufenthalt erforderlich machte.
Die Beklagte bestritt nicht, ihren Hund abgeleint zu haben, schildert aber die Begegnung anders. Sie habe nach der Aufforderung anzuleinen einige Meter hinter der Klägerin gestanden und nur gesehen, wie sich diese abgewandt von ihr den kleinen Hund geschnappt habe. Was danach geschah, könne sie nur vermuten, denke allerdings, dass der Mops seinem eigenen Frauchen in den Arm biss.
Zeuge hört Schreie und eilt zur Hilfe
Laut eigener Aussage waren andere Vorfälle mit ihren Hunden in Langgöns bereits aktenkundig geworden. Eine Maulkorbpflicht für die Tiere besteht allerdings nicht, betonte die Beklagte.
Es gab drei Monate zuvor eine Beißerei, nach der die verklagte Hundehalterin die Kosten für die Behandlung des anderen verletzten Vierbeiners trug. Ein Jogger hatte sich zudem über lautes Gebell des Rhodesian Ridgebacks der Halterin beim Herannahen beschwert. Am Rande sprach die Beklagte von nachbarlichen Beschimpfungen und Unterstellungen, gegen die sie sich mit vor Gericht erwirkten Unterlassungserklärungen erwehre.
Ein Zeuge, ein 60 Jahre alter Lagerist und Nachbar, war der Klägerin jedenfalls nach dem Biss zur Hilfe geeilt, weil er Schreie gehört hatte. Er sagte aus, dass während er die 27-Jährige verband, die ihm unbekannte Halterin der großen Hunde in einem Telefonat erklärte habe: „Unser Hund hat eine Frau gebissen.“ Der Mann der Beklagten bestritt als Zeuge ein Gespräch mit seiner Gattin nicht, erklärte jedoch, dass dieser Satz ihm gegenüber nie gefallen sei.
Von Ernst Walter Weißenborn