Die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises fordert für das Singalumnat-Gelände in Laubach zunächst ein ökologisches Gutachten.
LAUBACH. Rodungsarbeiten auf dem Gelände des ehemaligen Singalumnats in Laubach sind vorerst gestoppt. Das hat die Untere Naturschutzbehörde (UNB) des Landkreises entschieden. Zunächst muss der Bauherr, die Firma Gade Schlüsselfertigbau aus Kirchhain, ein ökologisches Gutachten mit dem Schwerpunkt Artenschutz vorlegen. Am Dienstag sollte auf dem Gelände mit den Rodungsarbeiten begonnen werden. Anwohner und Aktive des Vereins "Lebenswertes Laubach" schritten jedoch ein, da sie befürchteten, dass möglicherweise Straftaten gemäß Bundesnaturschutzgesetz begangen werden könnten. Die Fachleute der UNB haben dies nach einem Ortstermin ausgeschlossen.
Auf dem rund 5000 Quadratmeter großen Gelände sollen in drei Gebäuden 50 Wohnungen entstehen. Im Juni hatte das Stadtparlament mit den Stimmen von CDU und Freien Wählern grünes Licht gegeben.
"Verbotstatbestände"
Am Dienstag sollten Mitarbeiter einer Gartenbaufirma damit beginnen, die Strauchschicht auf dem Gelände zu beseitigen, wie Andreas Wenig, Vorsitzender von "Lebenswertes Laubach" und Anwohner, in einer E-Mail berichtete. Dabei sei auch ein Mitarbeiter eines Planungsbüros gewesen, der die Arbeiten aus Umweltgesichtspunkten begleiten sollte. "Wir haben die Arbeiten gestoppt mit dem Hinweis, dass damit gegebenenfalls artenschutzrechtliche Verbotstatbestände berührt werden", schrieb Wenig weiter. Nach mehreren Telefonaten, auch mit der UNB, sei dann gegen Mittag entschieden worden, die Arbeiten zunächst bis 19. Oktober zu stoppen und bis dahin die naturschutzrechtliche Situation auf dem Grundstück zu prüfen.
In der E-Mail verwies er auf ein Gutachten, das er in Auftrag gegeben hatte, und das dieser Zeitung vorliegt. Das Planungsbüro Stadt und Freiraum aus Limburg beschreibt auf sieben Seiten, warum das Gelände darauf untersucht werden sollte, ob es Heimat von Fledermäusen, Haselmäusen, Vögeln, Hirschkäfern und Zauneidechsen ist.
Für verschiedene Fledermausarten biete das Gelände "hohes Quartierpotenzial". Rund um das Gebäude gebe es "zahlreiche Einflug- und Quartiermöglichkeiten". Die starke Verbuschung und die damit einhergehende dichte Strauchschicht mit Futterpflanzen wie Brombeere oder Hasel böten "geeignete Habitatstrukturen" für die Haselmaus. Diese ist gemäß FFH-Richtlinie geschützt. Mögliche Brutstätten von Vögeln sollen auch geprüft werden. Desgleichen sollten alle Eichen daraufhin untersucht werden, ob sie sich als Habitat für den Hirschkäfer eignen. Das Gelände sei auch geeignet als Lebensraum für die Zauneidechse. Auf freien, versiegelten Flächen könnten sich diese sonnen, in Sträuchern, auf Grünflächen und einer angrenzenden Streuobstwiese verstecken und ihre Eier ablegen. Laut Gutachten sollten alle Bäume auf Höhlen oder Astlöcher untersucht werden, weil diese von Vögeln oder Fledermäusen bewohnt sein könnten.
Vorgeschlagen wird, den Untersuchungsraum auf das angrenzende FFH-Gebiet/Vogelschutzgebiet auszuweiten, da Abriss und Bau auf dem Gelände für Beeinträchtigungen über die Grenzen des Plangebiets hinaus sorgen werde. Im Fazit wird kritisiert, dass die Untersuchungen während des Bauleitverfahrens nicht gemäß dem Leitfaden für die artenschutzrechtliche Prüfung in Hessen stattgefunden hätten. Das Gutachten liegt auch der UNB vor und sei bei der Festlegung, die Rodungsarbeiten zu stoppen, berücksichtigt worden, hieß es vom Landkreis.
"Tatsachen geschaffen"
Wenig betonte auf Nachfrage, dass es bislang keine Belege für die genannten Tiere auf dem Grundstück gebe. Wenn ja, müsse aber auch über erforderliche Ausgleichsmaßnahmen gesprochen werden. Eine ökologische Baubegleitung parallel zu den Rodungsarbeiten reiche nicht. In seiner E-Mail verwies er darauf, dass die UNB in einer Stellungnahme während des Bauleitverfahrens die Untersuchung von Fortpflanzungs- und Ruhestätten auch in Laubgehölzen gefordert habe. Dies sei aber nicht in den Durchführungsvertrag zwischen Stadt und Investor eingeflossen. "Es ist ganz offensichtlich, dass mit den geplanten Rodungsarbeiten Tatsachen geschaffen werden sollten, die dazu führen, dass keine Fortpflanzungs- und Ruhestätten mehr gefunden werden", heißt es in Wenigs E-Mail.
Der Vorsitzende berichtete außerdem, dass es "sehr wahrscheinlich" sei, dass beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel ein Normenkontrollverfahren beantragt wird. Dieses prüft die Rechtmäßigkeit des Bauleitverfahrens.
Ein Vertreter der Gade Schlüsselfertigbau GmbH war nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Bürgermeister Peter Klug ist im Urlaub. Eine Rückrufbitte an ein Magistratsmitglied blieb unbeantwortet.