So geht das mit der Wahl: An der Clemens-Brentano-Europaschule wurde das demokratische Mitbestimmungsrecht schon mal geübt.
LOLLAR. Ist denn schon Wahltag? Zumindest an der Clemens-Brentano-Europaschule (CBES) schien das so zu sein. Wie gesagt, es schien so, denn hier fand im Vorfeld der Bundestagswahl die "Juniorwahl" statt. Bei einer Juniorwahl wird sozusagen der Wahlvorgang geprobt, die Aula wird zum Wahllokal und alle Abläufe sind orginalgetreu denen einer echten Wahl nachempfunden.
Alle Jahrgangsstufen hätten sich zuvor im Unterricht mit politischen Wahlen auseinandergesetzt, erläuterte Matthias Payer, Leiter des Aufgabenfeldes Gesellschaftswissenschaften für das Hochschulpraktikum. Die Veranstaltung wurde nicht nur an der CBES in Lollar, sondern auch am Standort Allendorf/Lda. durchgeführt. Nach zahlreichen Diskussionen im Unterricht gab es nun die Praxis, als die Aula in Lollar in ein großes Wahllokal umfunktioniert worden war, und die Schüler, die im Alter von neun bis 13 Jahren waren, ihre einzelnen Positionen besetzten.
Stimmzettel
Da gab es eine "Anmeldung", bei der die "Wähler" sich ausweisen und die Wahlbenachrichtigung vorzeigen mussten, um den Stimmzettel zu bekommen, der dem Original in den richtigen Wahllokalen nachempfunden worden war. Der nächste Schritt führte die "Juniorwähler" in die Wahlkabine, wo sie ihren Stimmzettel ausfüllten, um zur doppelt versiegelten Wahlurne zu gehen, wo der Wahlvorstand anhand des Wählerverzeichnisses die Wahlberechtigung überprüfte und die Stimmabgabe vermerkte. Erst dann wurde der Einwurf in die Wahlurne freigegeben. Die Jugendlichen wussten sehr gut Bescheid, als sie gefragt wurden, worin denn der Unterschied zwischen der Erst- und der Zweitstimme besteht. Dass durch die Erstimmen der Bundestag immer weiter aufgebläht werde und aus allen Nähten platze, sei eine Randerscheinung, denn ein Wahlkreisabgeordneter, der direkt gewählt wird, ziehe auf jeden Fall in den Bundestag ein, auch wenn seine Partei unter der Fünf-Prozent-Hürde bleibe. Die Zweitstimme dagegen habe eine ganz andere Aufgabe: Sie sei maßgebend für die Sitze, die die damit gewählte Partei im Deutschen Bundestag erhalte. Dass ein bereits im Anlauf stecken gebliebener Versuch, das ständige Anwachsen des Bundestages zu verhindern, auch in der jetzigen Legislaturperiode nicht gelang, nannten viele "Juniorwähler" ein Armutszeugnis. Wenn man etwas wirklich wolle, dann klappe es auch, so der Tenor der Jugendlichen.
Payer zeigte sich zusammen mit Schulleiter Andrej Keller erfreut, dass so viel aus dem Unterricht bei den Jugendlichen hängen geblieben war. Die Meinungen gingen bei der Frage auseinander, ob das Alter der Wähler auf 16 Jahre herabgesetzt werden sollte. Nicole und Laura waren der Ansicht, dass Jugendliche so viel entscheiden müssten, da könnten sie auch mit 16 Jahren wählen gehen. Ganz anderer Meinung war Tobias. "Viele Jugendliche sind mit 16 Jahren dazu noch nicht reif genug", sagte er, was den heftigen Protest der jungen Damen hervorrief. Die CBES hatte zuvor auch den Wahlkreiskandidaten eine politische Bühne geboten, bei der die Schüler Fragen an den jeweiligen Kandidaten stellen konnten.