Im Pohlheimer Stadtparlament rechtliche Schritte angedroht

"Üble Nachrede" und "Verleumdung" wirft die Pohlheimer SPD dem CDU-Fraktionsvorsitzenden vor. In einer turbulenten Sitzung wurden die Ereignisse vom November aufgearbeitet....

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POHLHEIM. Ein handfester Streit zwischen führenden Oppositions- und Koalitionspolitikern, in den dann auch noch der Stadtverordnetenvorsteher reingezogen wurde, überschattete am Freitagabend die Pohlheimer Stadtverordnetenversammlung. Das Ganze gipfelte darin, dass der SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Alexander und sein Parteikollege Horst Biadala rechtliche Schritte gegen Matthias Jung, Fraktionsvorsitzender der CDU, androhten. Ihm werfen beide "üble Nachrede" und "Verleumdung" vor. So habe Jung bei der November-Sitzung vier von ihm damals namentlich genannten Oppositionsvertretern - neben Alexander und Biadala auch Reimar Stenzel und Eckart Hafemann (beide Bündnis 90/Grüne) - unterstellt, vor der Bürgermeisterwahl Amtsinhaber Udo Schöffmann (CDU) und seine Familie "zum Abschuss freigegeben" zu haben. Laut Alexander "steht die Stellung einer Strafanzeige zur Disposition". Ein von Biadala beauftragter Anwalt überprüft die Angelegenheit derzeit.

Zugleich monierten beide SPD-Politiker, Stadtverordnetenvorsteher Prof. Helge Stadelmann (CDU) hätte Jung im November "zur Ordnung rufen" oder ganz "das Wort entziehen" sollen. Da die Sozialdemokraten, wie ebenso die Grünen, jene Sitzung wegen der auch damals schon angespannten Corona-Situation in Pohlheim boykottiert hatten, erfuhren sie erst durch das spätere Anhören der Tonaufzeichnung von den Aussagen. Diese Aufzeichnungen werden gewöhnlich nicht lange nach den Sitzungen und dem Anfertigen des schriftlichen Protokolls gelöscht. In diesem Fall aber soll sie "weiterhin vorgehalten", kündigte Stadelmann an.

Schwer enttäuscht von Matthias Jung zeigte sich auch Reimar Stenzel: Ihm ebenfalls vorzuwerfen, Schöffmann und Familie "zum Abschuss freigegeben" zu haben, sei "so was von abartig". Und so bedauere er, "jemals mit Dir ein freundschaftliches Verhältnis" unterhalten zu haben, sagte Stenzel an Jung gewandt. Letzterer schwieg im Übrigen während der gesamten Debatte. Auch Schöffmann hielt sich zumeist zurück, ließ aber wissen, dass er Jungs Beitrag "nicht für angemessen" halte. Diesen wie allerdings auch das jetzige SPD-Vorgehen "hätte man sich sparen können", meinte der Bürgermeister. Während der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Reiner Leidich an frühere Situationen im Parlament erinnerte, als er selbst "tituliert wurde", ohne dass ihm jemand "beiseite gesprungen ist". Daher rief Leidich die Kontrahenten dazu auf, "diese Sache nicht unnötig in die Länge zu ziehen". Zumindest was die Form der Sitzungsprotokolle angeht, bekam Leidich seinen Wunsch erfüllt: Die von den Grünen unterstützte Forderung der SPD nach einer fortan ausführlichen wörtlichen Protokollierung wurde bei 15 Ja- und 19 Nein-Stimmen abgelehnt.

Ungewöhnlich scharf griff Horst Biadala dann gegen Sitzungsende Helge Stadelmann an: "Sie sind ganz offensichtlich mit der Amtsführung eines Stadtverordnetenvorstehers überfordert. Ich hielte es für richtig und konsequent, wenn Sie ihre Funktion als Vorsitzender dieses Gremiums aufgeben." Das führte zu sofortigen Protestrufen aus den Koalitionsreihen, worunter auch das Wort "respektlos" zu hören war. Stadelmann selbst ging auf die Rücktrittsforderung an ihn nicht direkt ein. Stattdessen appellierte er an alle Parlamentarier, "sachlicher zu werden", "fairer miteinander umzugehen" und "das Gift und das Taktieren" aus der Debatte rauszunehmen. Auslöser der Forderung Biadalas war zum einen die seiner Ansicht nach von Stadelmann "nicht gewahrte Neutralitätspflicht" - der Stadtverordnetenvorsteher hatte den öffentlichen Umgang mit der Schöffmann-Familie als "nicht in Ordnung" bezeichnet und damit Jung zumindest darin zugestimmt. Zum anderen ging es um die unterschiedliche Darstellung der Vorgänge, die zum SPD-Boykott der damaligen Sitzung und des vorhergehenden Ältestenrats geführt hatten. Stadelmann berichtete, vom Boykott erst eine Viertelstunde vor Sitzungsbeginn erfahren zu haben, während Alexander darauf hinwies, dies in einer E-Mail angekündigt zu haben. Schöffmann konnte hierzu aufklären, dass es an diesem Tag "technische Probleme" mit dem Mailserver gab, sodass Alexanders Nachricht den Schriftführer nicht rechtzeitig erreichte und die SPD-Fraktion als unentschuldigt ins Protokoll eingetragen wurde.

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Angesichts der Streitereien geriet das vermeintliche Hauptthema des Abends, die Einbringung des städtischen Haushalts 2021 durch Udo Schöffmann, fast ein wenig in den Hintergrund. "Ich habe Ihnen nie Freibier für alle versprochen, und so ist es auch in diesem Haushalt", machte er zu Beginn der letzten Haushaltsrede seiner Amtszeit deutlich, am Kurs einer "soliden Finanzplanung" festhalten zu wollen. Bei Erträgen von knapp 32,29 Millionen Euro und Ausgaben von fast 33,74 Millionen musste Schöffmann zwar ein Defizit von etwas weniger als 1,45 Millionen Euro vermelden. "Da wir aber in den letzten Jahren ordentlich gewirtschaftet haben, dürfen wir unsere Rücklagen zum Ausgleich des Defizits verwenden. Wir müssen deshalb keine Steuern erhöhen", betonte er. Wobei die Opposition monierte, dass es sehr wohl Gebührenerhöhungen gegeben habe. Wie Schöffmann dann weiter ausführte, seien im Haushalt "keine Kredite veranschlagt, die einer Genehmigung bedürfen". Enthalten sind hier zudem Investitionen von über 19,5 Millionen Euro, die sich zusammensetzen aus Investitionsmitteln für 2021 in Höhe von 13,2 Millionen und Verpflichtungsermächtigungen für 2022 von 6,3 Millionen. Gerade rechtzeitig kommt überdies die vom Landkreis den Kommunen zur Verfügung gestellte Corona-Finanzhilfe, die im Fall von Pohlheim 480 000 Euro beträgt und in der Limesstadt in den nächstjährigen Haushalt einfließt, um diesen zumindest zum Teil ausgleichen zu können, erläuterte der Bürgermeister.

Was die Haushaltsführung in seiner Amtszeit angeht, zog Schöffmann für sich ein positives Fazit: Ende 2015 habe er mit einem Guthaben von knapp 1,13 Millionen Euro übernommen, seinem Nachfolger könne er nun "nach heutiger Schätzung ein Guthaben von rund neun Millionen Euro übergeben", sagte der CDU-Politiker. Gelungen sei dies "trotz geringer Finanzkraft und unter Ausnutzung von Fördertöpfen mithilfe dieses Hauses und der Verwaltung", übermittelte Schöffmann seine Dankesworte.

Von Frank-O. Docter