Im Winterhalbjahr fanden früher in Reiskirchen regelmäßig Hausschlachtungen statt. Die Arbeit des Metzgers war entscheidend.
REISKIRCHEN. "Ich hab gehört, ihr hätt geschlacht und hätt so lange Wurst gemacht. Gebt mir eine von den Langen, lasst die Kurze hangen". Das Winterhalbjahr war in den Dörfern in der Vergangenheit geprägt von Hausschlachtungen, die es fast in jedem Haus gab. Selbst in den Höfen der Besitzer, die nur wenige Äcker besaßen, deren Zahl absolut gering war, kaufte man sich im Frühjahr ein oder zwei Ferkel, die bis zum Winter hin gut gefüttert wurden und schließlich dann auch schlachtreif waren. Man hielt sich noch zwei oder drei Ziegen, deren Milch auch in der Fütterung Verwendung fand wie auch die anfallenden Essensreste. Dabei wurde in den meisten Fällen ein Schwein an den Metzger verkauft. War dann der Hausmetzger, der meist aus dem gleichen Ort kam, bestellt, ging es schon in aller Frühe los. Hausmetzger in Hattenrod waren noch in den 50er-Jahren Heinrich Maul sowie Karl Wallbott. Die Arbeit des Metzgers war schon entscheidend für das Gelingen der Hausschlachtung. Er würzte die Zutaten für die Herstellung der Wurst. Zwischendurch wurde ein Gläschen Schnaps getrunken. Hatte ein Metzger davon etwas zu viel genommen, konnte es passieren, dass die Wurst nicht gut gewürzt war (zu scharf oder zu fad), ändern konnte man dann nichts mehr. Tiergerecht erfolgte in dieser Zeit keineswegs die Schlachtung, was die Tötung des Tieres betraf. So bekam das Schlachtschwein in seinem Stall ein Seil um ein Hinterbein gebunden. Es wurde vor den Stall geführt und an einem Haken oder an der Wand angebunden. Nun begann das, wofür auch oft die Bauersfrau, die zuvor das Schwein täglich gefüttert hatte, sich besonders fürchtete. Das Schwein wurde durch einen Schlag mit einer Axt auf den Kopf betäubt. Durch einen Stich in den Hals wurde schnell das Blut entnommen. Dabei soll es auch in seltenen Fällen schon einmal vorgekommen sein, dass das Tier sich in seiner Panik losriss und blutend über den Hof rannte. Später wurden die Tiere mit einem Bolzenschussapparat getötet.
Katharine Alexander beschreibt in ihrem Büchlein "Über das Jahr auf dem Lande" viele Einzelheiten an einem solchen Schlachttag. So wurde schon am Vortag die Waschküche gereinigt, vor allem der Waschkessel, in dem sonst die Wäsche gekocht wurde, musste besonders sauber gemacht werden, da Fleisch und Wurst darin gekocht wurden. Das übrige notwendige Schlachtgeschirr wurde bereits am Vorabend von dem dortigen Schlachtfest geholt. Dabei handelte es sich um den Brühtrog, den Schroa, das Henkholz, das Hackbrett, die Fleisch- und Wurstmaschine, das Hackbeil und weiteres Zubehör. Das Wasser im Kessel musste schon kochen. Der Metzger entnahm dem geschlachteten Tier die Gedärme, denn in diese wurden dann die Wurstmasse gefüllt. Gekauft wurden natürlich auch Kunstdärme. Neben der Wurst waren auch die Frikadellen begehrt, die gewürzt oft schon als Schlachtfrühstück verzehrt wurden. Die Kochwurst wurde im Kessel längere Zeit gekocht. Platzte hier ein Darm, war die Reaktion durchaus unterschiedlich. Die Hausfrau bedauerte das Malheur, fehlte doch wieder eine Wurst. Andere waren sehr glücklich darüber, denn die Wurstsuppe war dadurch umso würziger. Sie wurde dann auch in die Nachbarschaft, zu Bekannten und nicht selten auch zum Lehrer der Kinder gebracht. Sie war sehr begehrt. Nachbarn, Verwandte revanchierten sich, wenn sie schlachteten. Gern gegessen wurde auch der "Sauhoink", der neben der Blutwurstmasse auch gekochte Kartoffeln, Zwiebeln enthielt. Nach erledigter Arbeit freuten sich alle auf das Schlachtessen, mit Wurstsuppe, Sauerkraut, Meerrettich, "Sauerbroih" und gekochtem Wellfleisch. Für die Kinder gab es kleine "Leierwürstchen", die darüber ganz besonders begeistert waren. Zu dem dörflichen Brauch gehörten auch die Wurstmännchen. Personen (in erster Linie junge Burschen) verkleideten sich, hatten eine Schüssel für Sauerbroih, Wellfleisch sowie eine Kanne für Wurstsuppe dabei. Sie luden sich mit dem eingangs erwähnten Spruch ein und baten um das Schlachtessen. Der Wunsch wurde erfüllt: Wehe, wenn das nicht der Fall gewesen wäre. Das hätte sich im Dorf sehr schnell rumgesprochen und man wäre als Geizkragen tituliert worden. Das Ringelschwänzchen wurde oft von Jungen entwendet und versucht, einem Mädchen an der Schürze zu befestigen. Gelang das, gab es großes Gelächter. So konnte man auf dem Lande doch besser als in der Stadt leben. Trotzdem gab es bestenfalls sonntags ein Stück Fleisch, meist jedoch erst an den Feiertagen.
Heute ist diese Hausschlachtung aus den Dörfern total verschwunden. So änderten sich die Zeiten in den vergangenen sechs Jahrzehnten. Sicherlich wurden nicht alle Einzelheiten beschrieben, was den Umfang des Berichtes erheblich erweitert hätte. Herausgestellt werden aber sollte, dass diese Hausschlachtungen in der Winterzeit die Dörfer prägten und auch einen gewissen Höhepunkt darstellten. Die Tatsache, dass heute das Schlachtessen gerne noch angenommen wird, zeigt, dass hier ein Stück Vergangenheit doch immer wieder ersehnt wird, ganz und gar von denen, die das einst noch erlebten.