Gasrechnung: Schock für 67-jährigen Rüsselsheimer

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Schock im Briefkasten: Bis März waren es noch 144 Euro, ab November wollte sein Gasversorger 1858 Euro pro Monat von Harald Wolf haben.              Foto: Jens Etzelsberger

Die Gasrechnung hat den Rüsselsheimer Rentner Harald Wolf nicht ganz unvorbereitet getroffen. Jetzt versucht er die massive Steigerung auszugleichen.

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RÜSSELSHEIM. Völlig unvorbereitet ist Harald Wolf nicht getroffen worden. Zwei Preiserhöhungen seines Gasversorgers seit März haben die Richtung schon vorgegeben, und das Verfolgen der Nachrichtenlage tat ein Übriges. Dass Gas teurer werden wird, war dem 67-Jährigen also schon bewusst. Was da unter dem Betreff „Preisänderung“ Mitte September in seinem Briefkasten in der Rüsselsheimer Rheinstraße landete, ließ ihn dennoch schlucken.

Nach allgemeiner Beschreibung der schwierigen Lage und Verweis auf Gasspeicherumlage und die mittlerweile gekippte Gasbeschaffungsumlage wurde es gegen Ende der ersten Seite des Schreibens von Shell Energy schnell konkret. Der Grundpreis werde ab dem 1. November nicht mehr 23,53 Euro brutto pro Monat betragen, sondern 27,81 Euro. Und für die Kilowattstunde Gas werden Harald Wolf als Arbeitspreis auch nicht mehr 13,94 Cent pro Kilowattstunde in Rechnung gestellt, sondern 43,72 Cent.

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Für sich genommen schon enorme Preissprünge, aber noch immer Centbeträge. Deren wahre Bedeutung offenbart sich auf der zweiten Seite des Schreibens, wo Harald Wolf die summierte Konsequenz in Form des künftigen monatlichen Abschlages mitgeteilt wird. (Der folgende Satz müsste eigentlich musikalisch mit einer Schock-Fanfare unterlegt werden) „Mit Inkrafttreten der Preisänderung zum 01.11.2022 beträgt Ihr monatlicher Abschlag 1.858,00 EUR.“

Fast Verzehnfachung des Abschlagspreises

„Das sind 500 Euro weniger als das, was meine Frau verdient“, sagt der Rentner. Aber noch ein anderer Vergleich zeigt die enorme Dimension der Erhöhung. Bis zum März habe der monatliche Abschlag noch 144 Euro betragen, erzählt Harald Wolf. Binnen acht Monaten hätte sich sein Gasabschlag damit fast verdreizehnfacht. Allerdings nicht ohne Zwischenschritte. Ab März waren 306 Euro fällig, ab 1. Oktober sind es 433 Euro und ab November sollen es besagte 1858 Euro pro Monat sein, berichtet Wolf im Gespräch mit dieser Zeitung.

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Dass er diese Preise kaum bezahlen kann, liegt auf der Hand. Er lebt zwar im eigenen Einfamilienhaus, muss also keine Miete zahlen, aber mehr als 1800 Euro pro Monat für Gas sprengen jedes Budget. Zumal Harald Wolf das Ende der Belastungen noch lange nicht erreicht sieht. Sein Stromversorger hat sich nämlich noch nicht bei ihm gemeldet, doch er ahnt nichts Gutes.

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Doch zurück zum Gas. Harald Wolf muss nicht lange überlegen, um zu erkennen, dass die Kündigung der einzige Weg ist. Zumal die Rüsselsheimer Stadtwerke als zuständiger Grundversorger einen deutlich günstigeren Tarif bieten. Hier kommt er voraussichtlich mit rund 600 Euro pro Monat davon. Immer noch viermal so viel wie beim alten Versorger bis zum März, aber dennoch nur ein Drittel dessen, was ihm ab November drohte. Harald Wolf kündigt per Einschreiben, er kündigt per E-Mail und er kündigt auf der Webseite seines bisherigen Versorgers. Sicher ist sicher, bloß nichts falsch machen, bloß nicht auch nur einen Monat die 1858 Euro bezahlen müssen. Was solche Entwicklungen für Mieter und Häuslebauer mit knapp gestrickten Finanzierungen bedeutet, will sich Harald Wolf gar nicht vorstellen. „Die kommen ganz schön in die Bredouille“, sagt er.

Bei den Rüsselsheimer Stadtwerken sind die Ausläufer des Gasmarktbebens auch schon angekommen. Seit Februar seien monatlich rund 200 Kunden in die Grund- und Ersatzversorgung gewechselt. Anfragen von Kunden außerhalb des Netzgebietes wurden rundweg abgelehnt. Auf die Frage, ob die neuen Kunden die Stadtwerke vor Probleme bei der Gasbeschaffung stellen, antwortet das Unternehmen recht allgemein. „Derzeit gibt es noch einzelne Angebote auf dem Markt für die Energiebeschaffung.“ Allerdings sei ein deutlicher Rückgang der Offerten zu beobachten, so die Stadtwerke, die aktuell Gas für die Lieferjahre 2024 bis 2026 einkaufen.

Der Wegfall der Gasumlage und die Senkung der Mehrwertsteuer auf Gas wird den Preis der Stadtwerke zunächst sinken lassen. Statt, wie aktuell, 18,71 Cent brutto pro Kilowattstunde werden dann 14,2 Cent in Rechnung gestellt. Dann wird es auch für Harald Wolf etwas billiger.