Heimische Unternehmen blicken pessimistisch in die Zukunft. Die Sanktionen zwischen der EU und Russland und die ungesicherte Energieversorgung sind nicht die einzigen Gründe.
LIMBURG-WEILBURG. Die Aufwärtsentwicklung der Wirtschaft in der Region Limburg-Weilburg nach dem Corona-Tief ist schon im Frühjahr mit dem russischen Überfall auf die Ukraine gebrochen worden. Mittlerweile schicken die gegenseitigen Sanktionen von EU und Russland, eine ungesicherte Energieversorgung, Lieferkettenprobleme, extreme Preissteigerungen und ein drohendes Wiedererstarken der Corona-Pandemie die Konjunktur in Deutschland auf Talfahrt. Wie stark die heimischen Unternehmen betroffen sind, zeigt die aktuelle Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) Limburg.
Nachdem sich zum Jahresanfang noch eine Erholung zeigte, drehte der IHK-Konjunkturklimaindex für den heimischen Wirtschaftsraum nach Beginn des Ukrainekrieges ins Minus. Zum Frühjahr 2022 fiel der Index bereits auf 96 Punkte und damit unter die 100-Punkte-Marke. Dies bedeutet eine eher negativen Gesamtstimmung. Diese Tendenz hat sich über den Sommer deutlich verstärkt. Die Ergebnisse der aktuellen Konjunkturumfrage zeigen zusammengefasst nur noch sehr schwache 71 Punkte. Im Herbst 2021 wurden noch 114 Punkte erreicht. Für die Umfrage werden dreimal im Jahr rund 500 Mitgliedsunternehmen der IHK Limburg aus den verschiedenen Branchen befragt.
Energiepreise sind das größte Problem
"Deutschlandweit wurden die Wachstumsprognosen inzwischen deutlich heruntergefahren. Zu den seit der Corona-Krise bestehenden Lieferkettenproblemen und Knappheiten bei Rohstoffen und Vorprodukten sind inzwischen erhebliche Preissteigerungen auf allen Wirtschaftsstufen und in großer Breite getreten", sagt IHK-Präsident Ulrich Heep.
Zeigte sich im Zuge des Coronabschwungs in den Jahren 2020 und 2021 noch eine unterschiedliche Betroffenheit der Branchen, so sind jetzt alle Branchen im Landkreis Limburg-Weilburg auf Talfahrt und die Indizes im negativen Bereich (unter 100 Punkte): Produzierendes Gewerbe (Industrie und Bau) 70 Punkte, Einzelhandel 66 Punkte und Dienstleistungen 73 Punkte.
Die gegenwärtige Lage insgesamt noch leicht positiv bewertet - 28 Prozent gut, 53 Prozent befriedigend und 19 Prozent schlecht. Jedoch haben sich vor allem die Zukunftsaussichten stark verschlechtert: Nur 4 Prozent erwarten eine zukünftig bessere Geschäftslage, 39 Prozent gehen von einer stabilen Geschäftslage aus, 57 Prozent jedoch rechnen mit einer Verschlechterung.
Vor allem die stark gestiegenen Preise für Strom, Gas und Kraftstoffe stellen für die Unternehmen eine zum Teil existenzielle Belastung dar. 84 Prozent der heimischen Betriebe sehen sich davon erheblich betroffenen und müssen reagieren. Dabei greift man zu verschiedenen Maßnahmen. 58 Prozent wollen die gestiegenen Preise an ihre Kunden weitergeben, vor allem in den Branchen Industrie, Bau, Großhandel, Verkehr und Gastgewerbe.
Jedes dritte Unternehmen sieht die Notwendigkeit beziehungsweise Möglichkeit zu Energieeffizienzmaßnahmen und will in diesem Sektor investieren, vor allem die energieintensiven Vorleistungsgüterproduzenten. 12 Prozent der Betriebe wollen auf andere Energieträger ausweichen, um Kosten zu sparen oder die Produktion zu sichern. Nachgedacht wird darüber vor allem im Baugewerbe und in der Verkehrsbranche.
"Die inzwischen viel zu hohen Energiepreise, die ja aus einer politisch gesteuerten Verknappung resultieren, müssen von der Politik als ein existenzielles Problem für Wirtschaft und Gesellschaft wahrgenommen werden. Ganz ideologiefrei muss schnellstens das staatlich beeinflussbare Angebot an Energie erhöht werden, damit auch die Preise fallen", betont Ulrich Heep. "Die Rückmeldungen aus den Unternehmen zeigen ganz klar: Wir können uns diese Energiepreise nicht dauerhaft leisten."
Der pessimistische Blick auf die weitere Geschäftsentwicklung korrespondiert mit der Ballung an relevanten wirtschaftlichen Risiken, zu denen auch die demografische Entwicklung, zunehmende staatliche Eingriffe und die sich verschlechternden weltpolitischen Rahmenbedingungen gehören. Von den regelmäßig bei den Unternehmen abgefragten Risiken hat sich das Thema der Energie- und Rohstoffpreise schon länger nach oben geschoben und steht seit dem Frühjahr 2022 unverändert an der Spitze: 81 Prozent aller Unternehmen sehen aktuell hier ein Risiko für ihre wirtschaftliche Entwicklung. Noch nie war ein Risiko in dieser alarmierenden Breite und Nachdrücklichkeit benannt worden.
An zweiter Stelle (von 59 Prozent der Unternehmen genannt) steht nach einem Sprung nach oben inzwischen die Sorge um die Inlandsnachfrage. Der Fachkräftemangel verschärft sich trotz der konjunkturellen Abkühlung und wird von 53 Prozent der Unternehmen als Risiko genannt. Stark zugenommen hat auch die Zahl der Unternehmen (49 Prozent), die steigende Arbeitskosten als Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung benennen.