Leser haben den Bunker am Rande der Limburger Werkstadt erkundet. Im Zweiten Weltkrieg suchten teils mehr als die 500 zugelassenen Personen hier Schutz.
LIMBURG. Auch in diesem Jahr ist das Interesse an einem Besuch des mächtigen Spitzbunkers am Rande der Limburger Werkstadt groß gewesen. Statt der zwei möglichen Gruppen mit jeweils zwölf Teilnehmenden hätten mehr als doppelt so viele Leser Interesse gehabt. Vor dem Eingang zum Bunker begrüßte Olaf Gebhardt vom Centermanagement der Werkstadt die Gäste. Die Erläuterungen zur Geschichte des Bunkers gab Hans-Peter Günther.
Für die Ende 1940 im Ausbesserungswerk Limburg beschäftigten 1358 Eisenbahner war ein Jahr zuvor ein markanter Luftschutzbunker errichtet worden, der bis heute wie eine Granatenspitze über 20 Meter in die Höhe ragt. Aufgrund der rasanten Entwicklung in der Waffentechnik wurde der Bau von Schutzbauwerken immer dringlicher. Um Soldaten in Kommandostellen, Arbeiter in Betrieben oder auch die Zivilbevölkerung vor der Einwirkung von Waffen - vor allem bei Bombenangriffen aus der Luft - zu schützen, wurden ab den 1930er-Jahren verschiedene Bunker entwickelt und in großer Zahl gebaut.
Hochbunker der Bauart Winkel
Der Architekt Leo Winkel (1885 - 1981) hatte die nach ihm benannten Luftschutztürme entworfen. Die Konstruktionsidee wurde 1934 beim Reichspatentamt eingereicht und am 9. April 1938 das Patent erteilt. Bereits ab Januar 1936 wurde die Bauart unter strengster Geheimhaltung auf einer Erprobungsstelle der Luftwaffe getestet. Um die Wirkung von Bombentreffern auf das menschliche Gehör abschätzen zu können, hatte die Luftwaffe im Inneren des Turms Ziegen angebunden, weil deren Gehör dem des Menschen ähnlich sei. Da Bombenabwürfe die Türme nur selten trafen, befestigte man diese außen am Bunker und zündete sie aus sicherem Abstand. Das Ergebnis: Nach den Versuchen waren die meisten Ziegen taub. Die Empfehlung: Menschen sollten einen Abstand von 30 bis 50 Zentimetern zur Außenwand halten. Allerdings ist im Limburger Bunker bis heute zu erkennen, dass die auf den Bänken sitzenden Eisenbahner mit ihrer Arbeitskleidung direkt gegen die Betonwand lehnten.
Serienbau mit Lizenzvergabe
Bereits im Dezember 1936 hatte Leo Winkel die Firma "Winkel & Co." in Duisburg gegründet. Er vergab die Lizenzen zum Bau der Türme an zwölf größere Bauunternehmen, die die bis zu 600 Personen fassenden Hochbunker errichteten. Da der Anteil der Eisenarmierung kontinuierlich reduziert werden sollte, ist die für Limburg beschriebene "starke Bettung aus Eisenspänen" fraglich. Bis Ende 1941 entstanden rund 200 Winkeltürme, überwiegend für die Wehrmacht oder den Werksluftschutz.
Am 5. Dezember 1941 untersagte das Reichsluftfahrtministerium den weiteren Bau solcher Luftschutztürme. Hauptgrund war der etwa 40 Prozent höhere Betonbedarf gegenüber einem vergleichbaren Schutzbau herkömmlicher Bauart. Außerdem wurde die schlechte Wiederverwendbarkeit der Schalungen für andere Bauwerke kritisiert sowie das räumlich nicht von den Aufenthaltsräumen getrennte Treppenhaus. Im Inneren führen breite Treppenstufen um einen zentralen Schacht herum. An den Schacht sind einfache Abortanlagen angebaut. Auf einigen Holztüren sind mit Kreide notierte Zahlen zu lesen, die über die tatsächliche Personenzahl während der Luftangriffe Auskunft geben. Für die Luftversorgung im Turm gab es mehrere "Luftschutzraumbelüfter", die im Werk Oranienburg der Auergesellschaft AG hergestellt wurden. Mehrere dieser im Notfall auch von Hand zu betreibenden Geräte sind noch im Original erhalten.
Für 500 Personen ausgelegt
Da die Eisenbahner im Schichtdienst eingesetzt wurden, war der Bunker für 500 Personen vorgesehen. Es gab nummerierte Plätze auf einfachen Holzbänken. Die mit Kreide geschriebenen Listen zeigen, dass offenbar deutlich mehr Menschen dort bei Angriffen Zuflucht fanden. Im Jahresdurchschnitt sollen 1944 sogar 1642 Arbeitskräfte im RAW Limburg beschäftigt gewesen sein, darunter fast 500 Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene. Diesen dürfte der Zugang zum Bunker jedoch verwehrt worden sein. Bekannt ist, dass Kinder aus der Nachbarschaft des Bahnwerks dort Schutz gefunden haben.
Der erste größere Angriff auf die Limburger Bahnanlagen erfolgte am 19. April 1944, weitere folgten am 19. September und 23. Dezember. Danach wurde der Betrieb im AW immer wieder aufgenommen, wenn auch mit Einschränkungen. Nach dem letzten Angriff am 25. März 1945 war das Werk jedoch zu 85 Prozent zerstört. In der Nacht darauf besetzten amerikanische Truppen die Stadt und die Angriffe hatten ein Ende.
Zu Zeiten der Bundesbahn wurde das ursprünglich für die Weichenfertigung genutzte Gelände an der Diezer Straße zu Parkplätzen und nach dem Verkauf in ein Wohngebiet umgewandelt. Daher steht der unter Denkmalschutz stehende Spitzbunker heute auf dem Gelände der Wohnanlage an der Joseph-Schneider-Straße.