"Rituale sind schön und wichtig"

"Vom Valentinstag kann man halten, was man will", sagt Paartherapeutin Sabine Ungeher. "Aber ein Tag, an dem man der Liebe gedenkt, das finde ich schön."  Foto: Archiv

Am Donnerstag ist Valentinstag, der Tag der Verliebten. Das Tageblatt nimmt den Tag zum Anlass, um bei der Limburger Paartherapeutin Sabine Ungeheuer nachzufragen, wie gute...

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LIMBURG/WEILBURG. Am Donnerstag ist Valentinstag, der Tag der Verliebten. Das Tageblatt nimmt den Tag zum Anlass, um bei der Limburger Paartherapeutin Sabine Ungeheuer nachzufragen, wie gute Beziehungen gelingen. Kennt sie die Formel für das perfekte Liebesglück?

Frau Ungeheuer, Sie als Paartherapeutin wissen, wie Beziehungen gelingen?

Das ist eine kurze Frage für eine sehr lange Antwort. Ich fasse das so zusammen: Verlieben ist einfach, lieben ist schwieriger. Denn das ist Arbeit, die man sich macht. Wie wir uns lieben und wen wir lieben, das hat viel damit zu tun, welche Vorbilder wir hatten und wie wir mit bestimmten Dingen umgehen. Wenn zwei Menschen zusammen sind, haben sie viel Nähe. Diese symbiotische Nähe, die man früher zur Mutter oder zum Vater hatte, fühlt sich für einen Moment gut an. Aber wir sind mittlerweile erwachsen und Liebe ist nichts Statisches. Als Paar sucht man mal die Nähe, mal die Distanz zum Partner. Das ist widersprüchlich. Aber nur, wenn man diese Ambivalenz aushalten kann, kann eine gute Beziehung gelingen. Denn wir lieben uns auch in dieser Widersprüchlichkeit. Und das ist ein Stückweit das Verrückte. Wir brauchen Partner, damit wir einen Spiegel haben, aber auch, damit er unsere Defizite aufdeckt.

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Gehen wir einen Schritt weiter: Gibt es eine Formel für das perfekte Liebesglück?

Die Formel ist, dass man immer wieder am Liebesglück arbeiten muss. Immer wieder in einer guten Form miteinander zu reden und kompromissbereit zu sein. Was nicht heißt, dass man sich immer in der Mitte treffen muss. Es geht auch so, dass mal der eine, mal der andere seine Wünsche verwirklichen kann. Sich gegenseitig wertzuschätzen, darum geht es. Toleranz, Akzeptanz, Fehlerfreundlichkeit, Achtsamkeit und Respekt sind Schlagworte für das perfekte Liebesglück. Aber auch aneinander zu wachsen und voneinander lernen zu wollen. Und man braucht den Willen und die Motivation, mit jemandem zusammensein zu wollen. Denn es wird immer Krisen geben. Und Krisen sind deswegen Krisen, weil sie Entscheidungszeiten sind. Wenn man sich in einer Krise für den Partner entscheidet, dann geht man gestärkter aus der Krise hervor. Sowohl für den eigenen Charakter, als auch für die Beziehung.

Also kein perfektes Liebesglück ohne Konflikte?

Nein. Aber wenn ein Konflikt auftaucht, muss ich mich immer fragen, was ist mein Bedürfnis daran? Denn es handelt sich um zwei Individuen, die unterschiedliche Bedürfnisse haben. Darum geht es schließlich, deshalb ist das in Beziehungen wichtig. Es gelingt natürlich nicht immer, zu den eigenen Fehlern zu stehen.

Hilft da Kommunikation?

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Gute Kommunikation ist das A und O. Und Vorwürfe sind fehl am Platz. Man muss Ich-Botschaften formulieren und reflektieren: Was stört mich? Warum mag ich das am anderen nicht? Jedoch sollte man sich auf Augenhöhe begegnen. Und Augenhöhe entsteht, wenn mein Partner mich sieht, meine Werte akzeptiert und mich wertschätzt. Zudem sollte man sich immer vor Augen führen: Ich kann niemanden ändern. Jemand kann sich nur ändern, wenn er das selbst möchte. Ich wäre sehr dafür, dass schon Kinder in der Schule lernen, wie Beziehungen funktionieren. Dass es ein Schulfach gibt, in dem man den ganzen Fragen nachgeht.

Funktionieren Beziehungen besser, wenn Paare einen ähnlichen Charakter und die gleichen Werte haben oder sind gegensätzliche Eigenschaften besser?

Es braucht beides, die Ergänzung, aber auch die gleichen Werte. Aber nicht in allem, sonst wird es langweilig. Denn an einer Partnerschaft, die langweilig wird, verlieren wir das Interesse. Wir müssen mit dem Widerspruch umgehen können, der hält die Spannung. Das ist den Paaren oft nicht klar. Und das ist ein bisschen auch meine Aufgabe als Paartherapeutin, den Paaren das deutlich zu machen.

Wie finden Sie Rituale wie den Valentinstag?

Rituale sind schön und wichtig. Vom Valentinstag kann man halten, was man will, aber ein Tag, an dem man der Liebe gedenkt, das finde ich schön. Das kann der Jahrestag des Kennenlernens sein, der Hochzeitstag oder der Tag, an dem man sich zum ersten Mal geküsst hat. Ein Tag, den man zelebrieren kann. Ein Tag, an dem man etwas miteinander unternehmen kann. Man sollte sich als Paar kleine Nischen schaffen. Das kann ein gemeinsam verbrachtes Wochenende oder ein Wellnesstag sein. Was immer man mag, wichtig ist, dass man eine regelmäßige, ritualisierte Zeit hat.

Sollten das Geben und Nehmen ausgeglichen sein?

Das Geben und das Nehmen ist eine subjektive Empfindung, die sich nicht nur auf Geschenke bezieht, sondern auch auf das Zwischenmenschliche. Auch das sollte man miteinander besprechen und es abgleichen. Man sollte sich deutlich machen, ob es ausgeglichen ist. Zudem sollte man Freude aus dem Geben ziehen. Frauen gebe ich öfter den Rat, ihre Wünsche und Bedürfnisse zu äußern. Mir fällt auf, dass Frauen in dem Punkt bescheidener sind als Männer.

Was halten Sie von Online-Dating-Plattformen?

Sie können wir uns heute nicht mehr wegdenken. Sie haben eine gewisse Durchdachtheit. Es gibt Algorithmen, damit Partner sich finden. Sie sind so aufgebaut, dass es Übereinstimmungen gibt und das, was nicht passt, wird ausgeschlossen. Im Großen und Ganzen ist das eine gute Chance, jemanden zu finden. Denn es gibt massenhaft Singles. Und relativ viele wünschen sich eine feste Beziehung, denn nur dann erlangt man eine gewisse Qualität und Vertrautheit. Das, was Liebe ist, braucht Beständigkeit und Verlässlichkeit. Auf der anderen Seite wollen viele Menschen Freiheit haben. Und es gibt sehr viele Formen und Möglichkeiten, wie man eine Beziehung leben möchte. Und das ist die Crux, jemanden zu finden, der genau das Gleiche will. Wenn der eine Partner verbindlich ist und der andere unverbindlich, dann passt das nicht. Denn beides geht nicht. Kompromissfähigkeit ist nötig. Zu mir kommen viele Paare, die sich über ein Online-Dating-Portal kennengelernt haben, und sie haben die gleichen Probleme, wie die anderen Paare.

Halten Sie sich als Expertin in Ihren privaten Beziehungen an all die Regeln, Ratschläge und das gesammelte Wissen?

Ja, jedenfalls versuche ich, sie in allen zwischenmenschlichen Beziehungen umzusetzen.

Das Interview führte Agathe Markiewicz