Der erste Teil der Serie: Der TuS Eisenbach 1923 wird 100 Jahre alt / Edmund Hartmann blickt zurück
SELTERS-EISENBACH. Ein Verein, der wie der Turn- und Sportverein (TuS) Eisenbach 100 Jahr alt wird, schreibt seine eigene Geschichte, er ist aber auch Spiegel und Spielball der Geschicke eines Jahrhunderts, durchlebt dessen Höhen und Tiefen, Krieg und Frieden.
Minutiös aufgezeichnet finden sich alle Ereignisse in einer lebendig geschriebenen Festschrift zum 100. Geburtstag, auf die der Verein stolz sein kann. Fast 300 Seiten voller Bilder, voller hervorragend recherchierten Fakten und vor allem voller Empathie für den TuS.
Begonnen hatte alles in der Wirtschaft Steinebach, wo sich am 17. September 1923 fast alle jungen Leute von Eisenbach versammelten, um das "Ei" auszubrüten. Programmatisch wurde der frisch gegründete Fußballclub "Vorwärts" getauft. Woher nahm man die Kraft und den Mut nach vorn zu schauen? Der Krieg war zwar schon vor fünf Jahren beendet worden, aber die Folgen lasteten auf dem Land und dem Ort: Arbeitslosigkeit, Männer, die den Ort verlassen hatten, um anderswo zu arbeiten, Armut, Inflation.
Es muss das Dennoch der Jugend gewesen sein, die Notwendigkeit ein Ziel zu haben für das, sich jedes Engagement lohnt. Da war weder ein Fußball noch ein Fußballplatz. Also hieß es, die Ärmel hochkrempeln und vollen Einsatz bringen. Nach harten Verhandlungen durften die Vereinsmitglieder eine alte Tongrube mit Bohrlöchern nutzen. Unermesslich der Kraftaufwand ohne den Einsatz von großen Maschinen, und unermesslich die Freude, als es nur mit Muskelkraft geschafft war.
Lang musste gespart werden, bis sich die Mitglieder des jungen Vereins für 725 Reichsmark einen richtigen Fußball kaufen konnten. Nun konnte es losgehen. Das erste Fußballspiel wurde gegen die Mannschaft Oberselters gespielt, die damals schon einen Namen hatten. Ausgetragene Arbeitsschuhe an den Füßen, am Leib das, was aus alten Beständen an Gamaschen, Hemden, Hosen aufzutreiben war, ging es mit Feuereifer ins Spiel.
Das Geburtsjahr von Edmund Hartmann
Die Chronik zeigt in Zahlen deutlich, wie es um die Finanzen stand. Eintrittsgelder bei zwei Spielen in 1924: im Juni 7,25 RM, im November 4,25 RM; die ersten grün-weißen Trikots kosteten dagegen 60,50 RM. Nur über Spenden war die Ebbe in der Clubkasse aufzufüllen. Die Mitgliederzahlen stiegen, die Bedeutung der Mannschaft im sportlichen Umfeld ebenfalls.
Bevor 1934 der nächste Sprung in der Vereinsgeschichte ansteht, sei ein Einschub gestattet: 1932. Es ist das Jahr, in dem Edmund Hartmann geboren wurde. Er ist das älteste lebende Vereinsmitglied. Aber seine mehr als 90 Jahre mag ihm keiner abnehmen. Die Treppe zu seiner Wohnung ist kein Problem, der Körper fit wie der Geist. Namen und Jahreszahlen hat er im Kopf. Auf die Frage, ob er denn noch heute die Spiele verfolge, meint er: "Ja, die wichtigen Spiel verfolge ich am Fernseher, mein Enkel hat mir dafür extra einen modernen eingerichtet. Auf den Sportplatz gehe ich ab und zu, aus Zeitmangel geht es nicht öfter". Die Organisation für den Seniorentreff kostet einige Mühe, aber der Einsatz für andere gehört zu den Richtlinien seines Lebens. Übrigens übt er mit ihnen das Fußball-Lied "Gefährlich ist das Fußballleben" für das 100- jährige Vereinsbestehen ein.
Der Blick zurück ist voller Anekdoten. Sein Vater Georg Hartmann war schon Gründungsmitglied. Als Sattler hat er seinem Sohn zu einer Zeit, als mit Stoffbällen gespielt wurde, wunderbare Bälle aus echtem Leder genäht, die allerdings einen Nachteil hatten; sie sogen sich bei Regen voller Wasser. Der kleine Edmund begann mit fünf Jahren zu kicken. Zu diesem Zeitpunkt hatte " Fußball Club Vorwärts" dadurch einen enormen Aufschwung erlebt, dass er 1934 mit der "Deutschen Jugendkraft" zusammenging. Man errang die Meisterschaft in der A-Klasse und stieg nach den Aufstiegsspielen gegen Michelbach, Nassau und Friedrichssegen in die Bezirksklasse auf. Auf dem Sportplatz war so viel los, dass Edmund Hartmann als Kind beinahe öfter Bälle holte, als dass er zum Spielen kam.
Das sollte sich mit Beginn des Krieges 1939 ändern. "Wir Kinder waren den ganzen Tag auf dem Platz, wenn es keine Schule gab. Als ich ins Limburger Tilemann Gymnasium kam, musste ich mit den anderen bei Fliegeralarm entweder in den Keller oder wir wurden heimgeschickt. Fliegeralarm war deshalb für uns das Schönste. Einmal ist auf dem Heimweg von Limburg nach Eisenbach ein paar hundert Meter von uns eine Bombe gefallen. Kaum waren wir zu Hause, ging es auf den Sportplatz. Nach der Brückensprengung und der Überschwemmung in Limburg fiel die Schule aus. Seither waren wir nur dort zu finden."
Lebhaft erinnert sich Edmund Hartmann daran, dass gegen Ende des Krieges, als das Brennmaterial knapp wurde, der Holzzaun von "ihrem" Sportplatz zu Brennholz einiger Eisenbacher wurde. Sogar die Umkleidekabine, die auch manche Feier gesehen hatte, musste dran glauben.
Von Petra Schramm