Drei historiche Keller und zwei Plätze waren das Ziel eines Spaziergangs, den 30 Villmarer unternommen haben. Die Rundgang-Teilnehmer wurden zurückversetzt bis ins 16....
VILLMAR. "Versetzen Sie sich gedanklich zurück in das 16. Jahrhundert und lassen Sie uns unter dem Motto "Lost Places" zu einem Rundgang der besonderen Art durch Villmar starten": Gabriele Schermuly, die Leiterin der katholischen Bücherei St. Peter und Paul, und Dr. Bernold Feuerstein begrüßten am Sonntagabend auf dem Brunnenplatz 30 Frauen und Männer, die sich für diese außergewöhnliche Führung angemeldet hatten. Dabei stellte sich auch heraus, dass alle Plätze schnell nach Bekanntgabe des Termins vergeben waren und viele Interessierte nicht mitgehen konnten.
Auf dem Plan standen drei Keller und zwei Plätze. Nicht weit vom Start entfernt, in der Peter-Paul-Straße innerhalb der Stadtmauern, befindet sich das Anwesen von Nadine und René Kissel. 1699 gehörte das Haus dem Oberförster von Hadamar, Johann Christoph Hansen. Der Keller ist allerdings wesentlich älter als das nach dem Ortsbrand 1699 wieder aufgebaute Haus. In dieser Zeit diente der unter der Küche befindliche Kellerraum als Kartoffellager und hatte auch einen Zugang von der Straße her sowie einen zum Nachbarhaus. Wie René Kissel ausführte, hält er es für möglich, dass sich untendrunter ein Brunnen befinde, aus dem das Wasser bis in die Küche hochgeholt wurde.
In der Stadtmauer gab es einen Gefangenenturm
Der Fußweg führte dann durch die "Quergasse" zum heutigen Parkplatz an der Kreissparkasse. Hier gab es das erste Getränk: eine Flasche Wasser, was bei der Hitze sehr gut tat. Überhaupt waren die Wechsel zwischen den kühlen Kellern und dem heißen Luftgebräu oberirdisch reichlich kreislaufbewegend. Die Zehntenstraße habe früher Schulgasse geheißen, schilderte Gabriele Schermuly. "Peha", der erste Lebensmittelmarkt von Peter Josef Hammerschlag, habe sich dort befunden und das Aussterben der kleinen "Tante-Emma-Läden" in Gang gesetzt.
In der Stadtmauer, die dort teilweise noch zu sehen ist, gab es auch einen Gefangenenturm, das "Bollesje". Passend zu diesem Thema wurde eine Spielszene vorgeführt: Dr. Bernold Feuerstein spielte den Schultheiß, Michael Staab den Pfarrer, Tanja Eigenbrodt und Marion Zey-Werner zwei "leichtfertige" Dienstmägde und Hildegard Krämer den Brezelbäckerbub. Damals mussten Strafen noch mit Wachs bezahlt werden, denn dies war ein wertvolles Material, mit dem man Licht machen konnte.
Weiter ging es auf den Schulhof, den heutigen großen Parkplatz: auch hier sind noch Teile der Stadtmauer zu erkennen, und die Schule hatte früher viel Platz eingenommen. Als sich aber der Boden in Richtung Lahn absenkte, musste das Lehrgebäude abgerissen werden. Erhalten ist noch das ehemalige Lehrerhaus, das heute dem Rathaus angegliedert ist.
Ein Labyrinth auf 850 Quadratmetern
An dieser Stelle erzählte der Lehrer alias Michael Staab von einem Streich, den Buben mit ihm vollführt hatten: Angelehnt an "Max und Moritz" wurde seine Pfeife mit Pulver befüllt, das beim Entzünden explodierte und nicht nur ein rußgeschwärztes Gesicht, sondern auch den Verlust der Freude am Lehrerberuf mit sich brachte.
Ein Stück weiter befindet sich heute das Gebäude der Nachsorge der Jugend- und Drogenberatung, neben dem rechts ein eisernes Tor in die Mauer und eine Treppe in die ehemaligen Brauereikeller hinunter führen. Hier übernahm Wolfgang Müller die Regie. Er war der Architekt, der die frühere Brauerei 1989 für die Jugend- und Drogenberatung Limburg umbaute und kennt die Keller "wie seine Westentasche". Insgesamt gib es neun Gewölbekeller auf 850 Quadratmetern Fläche, die labyrinthartig durch schmale Gänge miteinander verbunden sind. Eine Zeit lang wurde dort von der Jugend- und Drogenberatung bei idealen Temperaturen eine Pilzzucht betrieben. Als die beiden Gruppen dann wieder am Tageslicht ankamen, wurden sie von einem kühlen Bier erwartet.
Vor dem geselligen Abschluss dieses interessanten Ausflugs im idyllischen Pfarrgarten - in dem auch ein Glas Wein kredenzt wurde - galt das Interesse noch dem dortigen Pfarrhauskeller: Dr. Bernold Feuerstein wies darauf hin, dass dieser, eher unscheinbare Keller zu den ältesten Kellern des Marktfleckens gehöre.