Autorin Michaela Küpper war zu Gast im Marktflecken. Ihr Buch "Kaltenbruch" spielt in der Nachkriegszeit, ist aber auch heute wieder aktuell.
VILLMAR. Kaltenbruch ist ein Dorf in der rheinischen Provinz und an seinem Rand steht der Leidnerhof. Dort landen Marlene und Dana während des Kriegs. Herta Kaminsky und ihre fünf Kinder leben ebenfalls als Flüchtlinge in Kaltenbruch: Es wird zwar nicht mehr gehungert, aber der Alltag in den Baracken ist karg und mühsam. Und die Menschen sagen: "Die Flüchtlinge und Kartoffelkäfer, die werden wir nie wieder los!"
Die freie Autorin, Redakteurin und Illustratorin Michaela Küpper aus Königswinter war am vergangenen Sonntag auf Einladung der Villmarer Bücherei zu einer Lesung in den kleinen Saal der König-Konrad-Halle eingeladen. Anlass war der 150. Geburtstag der Bücherei. Vor rund 25 Zuhörern zeichnete die Autorin ein trauriges Bild aus Zeiten, die zwar lange vorbei, aber heute doch wieder aktuell sind.
Zuvor hatte Büchereileiterin Gabriele Schmermuly die Anwesenden - darunter auch Bürgermeister Matthias Rubröder (CDU) - begrüßt. "Lesen lässt eine eigene Welt im Kopf entstehen", sagte sie und blickte auf die Zeit vor 150 Jahren zurück, als 1872 die bis heute erfolgreiche Arbeit der Bücherei mit dem Bestellen von Büchern beim Borromäusverein in Bonn startete. "Wir sind damit die älteste Einrichtung dieser Art in der neuen Pfarrei Heilig Geist Goldener Grund und auch darüber hinaus", sagte Gabriele Schermuly. In der ersten Zeit sei nur eine Buchvermittlung betrieben worden: Villmarer Bürger konnten über die Pfarrei Bücher vom Borromäusverein in Bonn kaufen. Für die "Arbeit" der Buchvermittlung gab es sogenannte "Vereinsgaben", also Bücher, die in Villmar zur Ausleihe gedacht waren. So kam mit den Jahren ein eigener Bestand zustande. Heute ist die Bücherei ein fester und beliebter Bestandteil des Lebens in Villmar.
Für das Engagement des Bücherei-Teams mit Gabriele Schermuly, Marion Zey-Werner, Hildegard Krämer, Tanja Eigenbrodt, Tanja Gierden, Britta Ried, Rita Roßbach und Sylvia Wiche bedankte sich Bürgermeister Rubröder mit einem Präsent. Sonja Schreiber überreichte ein Bild zum Thema "Treffpunkt Bücherei". Dort stehen heute nicht nur Bücher im Mittelpunkt: "Wir leihen Bücher, Zeitschriften, Gesellschaftsspiele, Tiptoi-Stifte und -bücher, Tonie-Hörfiguren, CDs und DVD-Filme an jedermann aus, unabhängig von Konfession und Wohnort", sagte die Leiterin. Die Ausleihe ist kostenlos.
Und dann tauchte Michaela Küpper weiter in "Kaltenbruch" ein, wobei sie Szenen vorlas, die die Neugierde auf weitere Hintergründe und den Fortgang der Geschichte weckten. "Sie lief am Erdbeerfeld vorbei, bog in einen klatschmohngesäten Weg ein", las die Autorin. Und weiter: "Später beginnt es zu regnen und sie kommt an eine Stelle, wo der tote Heini Leidner liegt, umgeben von Blutspuren und zerdrückten Erdbeeren." Kommissar Peter Hoffmann wird aus Düsseldorf in die Provinz versetzt, und Lisbeth Pfau bewirbt sich um die Stelle als Sekretärin. Beim ersten Gespräch wird sie abgelehnt, bei einer zweiten Chance allerdings bekommt sie die Stelle, weil sie den "Laubfrosch" erkennt, das erste elektronische Aufnahmegerät "Stenorette", das Grundig 1954 auf den Markt bringt.
Autorin bringt Fotos und Filme mit
Hier hörte die Lesung auf, aber Michaela Küpper ließ nun mit Fotos und Filmen aus dieser Zeit das Geschehen aus dem Buch weiter lebendig werden. Beispielsweise mit Unterlagen aus dem Museumshaus Schlesien: Die Menschen hatten damals kaum etwas, aber Hauptsache sie überlebten.
In einem Interview sagte Michaele Küpper: "Nicht ich habe das Thema gesucht, sondern das Thema hat mich gefunden. Zufällige Begegnungen mit Zeitzeugen haben mich sehr berührt. Aus Interesse und Neugier ist eine Idee gereift, die sich zu einer Geschichte entwickelte." Es sei spannend, zu schauen, wie eine kriegstraumatisierte, am Boden liegende Gesellschaft es geschafft hätte, sich wieder aufzurichten und neu zu formen, und welchen Preis sie dafür gezahlt hätte.
"Kaltenbruch" macht neugierig, in einer bröckelnden Wohlstandskultur weiter in die eigene familiäre Vergangenheit hineinzutauchen und sich dem Buch immer mehr anzunähern. Und die Bilder sind auch im heutigen Europa wieder traurige Realität.