Vulkanische Bomben in Gärten in Villmar entdeckt

Eine ziemlich steile Treppe führt hoch zum ehemaligen Steinbruch: Marion Werner öffnet ihren Garten in der Villmarer Grabenstraße zusammen mit Bernold Feuerstein für die Tageblatt-Leser. Foto: Christiane Müller-Lang
© Christiane Müller-Lang

Heute herrscht Idylle pur im Garten der Werners in Villmar. Experte Bernold Feuerstein erklärt, dass es dort ganz früher gezischt, geknallt und gespuckt hat. Mit Bildergalerie.

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VILLMAR. Blühende Rosen, lauschige Eckchen, wild wachsende Kräuter: In einem ehemaligen Steinbruch haben Marion und Thomas Werner in Villmar ein Gartenparadies geschaffen. Es herrscht Idylle pur, doch das war nicht immer so. Vor unvorstellbar langer Zeit ging es dort teilweise hochexplosiv zu.

"Hier hat's gezischt und geknallt", sagt Bernold Feuerstein, der den besonderen Garten zusammen mit Marion Werner für die mittelhessen.de-Leser öffnet. Belege für eine rege Vulkantätigkeit seien in den Felswänden zu finden. "Ganz deutlich sind an einigen Stellen vulkanische Bomben zu sehen", erklärt das Mitglied des Stiftungsvorstandes des Lahnmarmor-Museums. Von der Existenz dieser geologischen Besonderheiten im Marktflecken wusste auch Feuerstein bis zum Frühjahr noch nichts.

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Aus Anlass einer Ausstellung zum 30-jährigen Bestehen des Unica-Bruchs sei er im Vorfeld auf einen Artikel des Geologen Heiner Flick über vulkanische Bomben gestoßen, berichtet er weiter. Dabei habe er ein Foto entdeckt, das ihm sehr bekannt vorkam. "Ich war wie elektrisiert, ich habe sofort gedacht, dass das die ehemalige Steinbruchwand in Villmar ist", erzählt Feuerstein. Ihm sei bekannt gewesen, dass die Wand aus verschiedenen Vulkanschichten bestehe. Entstanden seien diese vor rund 380 Millionen Jahren - zu einer Zeit, als die Region noch in einem tropischen Meer lag. Mächtige Riffe seien dort gewachsen, die den später als Lahnmarmor bekannten Kalkstein aufbauten, aber auch Vulkane hätten jede Menge Lava und Asche gespuckt, die sich ablagerten.

Feuerstein zeigt auf einen Teil der Wand in verschiedenen Farbtönen. "Das sieht aus wie eine Schichttorte, jede einzelne Schicht ist ein Vulkanausbruch, das Material ist unterschiedlich - mal ganz glatt, mal eher körniger, mal rötlich durch die Eisenanteile", erklärt er.

Wenn man genau hinschaut, gibt es in den Felswänden gut abgegrenzte Lavabrocken zu sehen, sogenannte vulkanische Bomben. Eine ganz besondere befindet sich dort, wo die einzelnen Ablagerungsschichten besonders gut zu sehen sind.

Die "spannende Stelle" mit der Delle

"Diese Bombe muss mit großer Wucht auf die noch nicht verfestigten Ascheschichten geflogen sein, denn beim Einschlag hat sich eine richtige Delle gebildet", erläutert Feuerstein. Faszinierend sei aber nicht nur der Blick auf diese "spannende Stelle" mit der Delle, sondern auch das, was dahinterstecke. Denn für Feuerstein ist dies ein Nachweis dafür, dass es in der Region nicht nur Vulkane unter, sondern auch über dem Meeresspiegel gab. "Wenn der Vulkan über der Erde spuckt, dann fliegen die Bomben ziemlich weit und es gibt richtige Einschläge", sagt er und geht weiter zu einem Teil der Felswand mit unzähligen Löchern. "Das sieht aus wie ein Schweizer Käse, die Löcher können durch vulkanische Bomben entstanden sein, die irgendwann herausgefallen sind", bemerkt er.

Wie besonders die Felsen in ihrem Garten sind, wusste Marion Werner bis zum Frühjahr nicht. "Da stand Bernold Feuerstein vor unserer Haustür und wollte fotografieren", erzählt sie. Zwei Anläufe habe er gebraucht, bis er die besondere Bombe mit der Delle von dem Foto in dem Artikel gefunden hatte, ergänzt dieser. Steile Treppen führen vom Hof des Hauses in der Grabenstraße in den Garten und zu den Felswänden. Oft hat die Natur auf der terrassenförmigen Anlage freien Lauf. Immer wieder gibt es bei der Gartenlaube oder beim Löwenbrunnen auch liebevoll angelegte Eckchen zu entdecken. Wie zufällig liegen dort verschieden große Felsbrocken mit besonderen Strukturen zwischen Kräutern und Blumen.

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"Es sind ja genug da, wir sind quasi steinreich"

Marion Werner findet die Steine "einfach nur schön" und nimmt sie zu Dekorationszwecken. "Es sind ja genug da, wir sind quasi steinreich", sagt sie und lacht. An den Berg hinter dem Haus und die gewaltige Felswand habe sie sich erst gewöhnen müssen. "Anfangs war es sogar ein bisschen beklemmend, aber ich habe ihn lieben gelernt und freue mich inzwischen, wie toll die Farben beispielsweise in der Abendsonne aussehen", sagt Marion Werner.

In Villmar sind die Steine aus Steinbrüchen wie in der Grabenstraße über Jahrhunderte hinweg als Baumaterial benutzt worden. Sie sind in vielen Kellermauern zu finden, und auch Treppenstufen sowie die Bodenplatten des Weges im Pfarrgarten sind daraus gefertigt worden. Das bleibt ebenso wie die geologische Bedeutung des Geländes. "Der Laie steht davor und findet es schön und interessant, die Geologen können die Geschichten dazu erzählen", sagt Bernold Feuerstein.