Vor 50 Jahren steht Weilburger Innenstadt in Flammen

Flammen über der Weilburger Altstadt: Vor 50 Jahren wird die Innenstadt zum Notstandsbereich erklärt.  Foto: Archiv der Feuerwehr Weilburg

Nur weil Wind aus Ost bläst, bleibt das Schloss damals verschont. Es gibt einen Notstandsbereich, 20 Millionen Mark Schaden werden geschätzt. Die Brandursache steht schnell fest.

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WEILBURG. Am Donnerstag, dem 19. Oktober 1972 - also vor 50 Jahren - hat ein Großfeuer die Titelseite des Weilburger Tageblattes bestimmt. Dort konnte man lesen: "Der bisher größten Brandkatastrophe in der Geschichte Weilburgs fielen am Mittwoch das Bürgerhaus, Nebengebäude des Schlosses, vier Wohnhäuser und Teile des Heimat- und Bergbaumuseums zum Opfer. Die Weilburger Innenstadt wurde vorübergehend zum Notstandsbereich erklärt."

Weiter hieß es in dem Bericht: "Nach ersten Schätzungen verursachte das Feuer einen Schaden von rund 20 Millionen Mark. Menschen wurden nicht verletzt. Wie ein Sprecher des RP Darmstadt mitteilte, brach der Brand im Gebäude der Reithalle aus, wo zwei sechs- und achtjährige Jungen Zigaretten geraucht und mit Streichhölzern gespielt hatten."

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Um 14.45 Uhr schreckten die Sirenen die Weilburger auf. Zu diesem Zeitpunkt schlugen bereits die Flammen aus dem Dach des Bürgerhauses. Im Nu waren die Zufahrten zum Markt- und Schlossplatz von Kraftfahrzeugen und Hunderten von Schaulustigen versperrt, so dass die Feuerwehr Mühe hatte, durchzukommen.

Wasser stand der Feuerwehr zunächst nur von der Zisterne auf dem Marktplatz zur Verfügung. Es dauerte etwa 25 Minuten bis Wasser aus der Lahn an den Brandherd gepumpt werden konnte. Trotz aller Bemühungen gelang es aber nicht, das Übergreifen des Feuers vom Bürgerhaus auf das Museum, die Wohnhäuser in der Langgasse sowie auf den westlichen Flügel des Schlosses im Viehhof zu verhindern. Allerdings gelang es den Wehren, die Flammen vom Mitteltrakt fernzuhalten.

Katastrophe spricht sich sehr schnell rum

Sehr schnell sprach sich in der Bevölkerung die Katastrophe in der Weilburger Innenstadt herum. Neugierige strömten in die Stadt. Glücklicherweise konnten die Polizeibeamten das Verkehrsproblem lösen. Sie sorgten für eine freie Zufahrt der alarmierten Wehren zum Brandort, sie sicherten die Schadensstellen ab und waren auch mit der Eigentumssicherung der Brandgeschädigten beschäftigt. In der Langgasse wurde dennoch den Feuerwehrleuten die Zuschauermenge zuviel. Weil die Löscharbeiten massiv behindert wurden, musste die Zuschauermenge abgedrängt werden. Die Aufgabe der Polizei war es darüber hinaus auch den Verkehr umzuleiten. Mehrere Stunden war die Bundesstraße 49 (die damals noch durch die Innenstadt verlief) vom Landtor bis zu Limburger Straße gesperrt. Sie wurde erst nach 21 Uhr wieder freigegeben. Die Marktstraße wurde zeitweilig für den Verkehr in beiden Richtungen freigegeben.

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Vom Landratsamt aus, das den Katastrophenalarm ausgerufen hatte, wurden Wehren aus der Umgebung alarmiert. Erst nach dem Eintreffen zahlreicher Wehren aus dem Oberlahnkreis, aus Wetzlar, Limburg und Herborn gelang es das Feuer einigermaßen unter Kontrolle zu bringen.

Insgesamt beteiligten sich zwei Dutzend Wehren, unter ihnen auch eine Abteilung der Bundeswehr und die Buderus-Werksfeuerwehr. Außerdem koordinierte der Frankfurter Branddirektor Achilles die Löschmaßnahmen aus einem Hubschrauber.

Die Stadtwerke Weilburg gaben später bekannt, dass die Versorgung mit Löschwasser vorzüglich geklappt hatte. Insgesamt wurden dem Leitungsnetz 3030 Kubikmeter Wasser entnommen. Weitere 1200 Kubikmeter hätten noch als Behältervorrat zu Verfügung gestanden. Als unerschöpfliches Reservoir stand zudem die Lahn zur Verfügung, von der aus mehrere Wehren Wasser in die Innenstadt pumpten. Wie hoch allerdings die Menge des verbrauchten Lahnwassers war, ließ sich nicht feststellen.

Experten verschaffen sich Bild der Brandkatastrophe

Auch über die Höhe des Brandschadens konnten tags darauf noch keine genauen Angaben gemacht werden. Sachverständige der Nassauischen Brandversicherung sowie der Weilburger Magistrat versuchten sich ein Bild über das Ausmaß der Brandkatastrophe zu verschaffen. Die ersten Schätzungen sprachen von 10 bis 20 Millionen Mark Schaden. Das völlig ausgebrannte Bürgerhaus sei - so die Brandversicherung - ausreichend versichert.

Weitere Bilanzen, die später bekannt gegeben wurden, waren, dass in der Langgasse zwei Häuser abgerissen werden müssten. Die Obdachlosen aus diesen Häusern konnten alle untergebracht werden. Das Museum erhielt ein Behelfsdach ,und der Schaden im Museum war nicht ganz so hoch, wie ursprünglich befürchtet.

Die Brandbekämpfung wurde bei der "Manöverkritik" gelobt. Nur dem schnellen, tatkräftigen und umsichtigen Einsatz der vielen Wehren sei es zu verdanken gewesen, dass die Katastrophe nicht noch größere Ausmaße angenommen habe. "Wir sind noch einmal davongekommen", meinte der Erste Stadtrat Wüst. Tatsächlich lag es auch daran, weil der Wind aus Ost statt aus West wehte, dass der Brand nicht auf das Hochschloss übergriff.

Bereits zwei Tage nach dem Brand erklärte die Landesregierung, dass man bereit sei, eine "große Lösung" zu unterstützen, die neben einem Bürgerhaus auch ein Hotel umfasste. Man werde die Stadt mit dem Bauprojekt bereits in das Förderprogramm für 1973 aufnehmen, versicherte Ministerialrat Kuhnmünch vom Sozialministerium. Er zeigte sich aber auch befremdet darüber, dass Weilburgs Bürgermeister Lehmann es nicht für nötig gefunden hatte, seinen Besuch einer Tagung in Aachen abzubrechen, obwohl man ihn über die Katastrophe informiert hatte.

Von Heinz-Ulrich Mengel