Bei seinem Solo-Auftritt in Weilburg wählt Ekkehard Voigt eine ungewöhnliche Perspektive und fordert die Schüler zum Mitmachen auf.
WEILBURG/WEILMÜNSTER. Weilburg/Weilmünster (red). Nach coronabedingter Zwangspause ist Ekkehard Voigt mit seinem Solo-Stück "Faust" am Gymnasium Philippinum Weilburg aufgetreten und irritierte bewusst einmal mehr die anwesenden Schüler der Jahrgangsstufe 13.
Anders als im Text von Johann Wolfgang Goethe, der Deutsch-Pflichtlektüre für alle Oberstufenschüler ist, wählte Voigt die Perspektive des Teufelsmeisters, um das Stück auf die Bühne unter die Zuschauer zu bringen.
Letztes ist wortwörtlich zu verstehen, dann Voigt verließ immer wieder seine Bühne, um zwischen den Stuhlreihen entlang zu laufen und die darüber überraschten Schüler direkt anzusprechen, sie zur Mitarbeit aufzurufen, ihr Wissen und auch ihre Fantasie zu testen. Zusätzlich fiel Voigt immer mal wieder aus seinen Rollen, um aus der Perspektive des Teufelslehrers das Geschehen in seiner Aufführung zu kommentieren, zu reflektieren und zu erklären.
Die Rahmenhandlung einer Teufelsschule bot Voigt, der Theatermacher aus Weilmünster ist, die Möglichkeit, seinen Interpretationsansatz perfekt nahezubringen: Goethes Drama als Lehrstück für die Manipulationskünste Mephistos. Wie aktuell dieses Stück von 1808 auch heute noch ist, verdeutlichte der Künstler durch Hinweise auf Smartphones und soziale Netzwerke, welche uns heutzutage oft ebenfalls manipulieren wollen.
Doch auch die klassischen Elemente des Dramas kamen nicht zu kurz: Faust, Mephisto, Gretchen und die anderen Figuren wurden - bis auf wenige Streichungen - ebenfalls zum Leben erweckt und von Voigt überzeugend mit unterschiedlicher Körperhaltung und Stimmlage dargeboten.
In der 45-minütigen Nachbesprechung erklärte Voigt, warum er diesen Ansatz gewählt habe, der sicherlich für viele Schüler zunächst irritierend und anders als die Besprechung im Unterricht gewesen sei.
Manipulation und Gier in den Vordergrund gerückt
Er drückte damit sein Textverständnis aus, machte die Aufführung zeitlich und für ihn als Solo-Auftritt machbar und stellte Aspekte wie Manipulation und Gier in den Vordergrund eines Stücks Weltliteratur.
Die Zuschauer dankten es Voigt mit großem Applaus für seine 240. Aufführung des verzweifelten Gelehrten. Voigts Fazit am Ende der Aufführung lautete: Jeder Mensch hat die Wahl, sein Leben und seinen Lebensweg nach seinen Vorstellungen zu gestalten. So habe, glaubt der Schauspieler, auch Faust eine Wahl gehabt, aus dem Bündnis mit Mephisto auszusteigen. Diesen Denkansatz nahmen die Schülerinnen und Schüler mit nach Hause und in den Deutschunterricht.