Alles begann im Jahr 1872: Die Männergesellschaft Galgenberg blickt auf ihre 150-jährige Geschichte zurück.
BIEDENKOPF. Vor 150 Jahren legten sich die Biedenkopfer Männergesellschaften Hainstraße, Oberstadt und die Burschenschaft Ludwigshütte Grenzgangsfahnen zu. Die Jahreszahl 1872 ist auch auf der Grenzgangsfahne der Männergesellschaft Galgenberg zu sehen und steht damit für das Gründungsjahr auch dieser Männergesellschaft. Die "Galgenberger" nutzten nun die Gelegenheit, diesen besonderen Geburtstag gebührend zu feiern.
Das Vereinshaus sowie das Außengelände des VfL 1911 Biedenkopf boten das richtige Ambiente für dieses besondere Geburtstagsfest. Der 1. Führer des Grenzgangs 2019, Stefan Moser, führte in seiner Festansprache die Galgenberger und ihre zahlreichen Gäste in die wechselvolle Geschichte der Männergesellschaft.
Zehn Liter Freibier als Strafzahlung
So waren es 50 Bürger, die sich im ersten Jahr unter der neuen Fahne versammelten. Maler Karl Vogt aus der Stadtgasse war es, der die Fahne für "zwei Thaler und 18 Kreuzer" gemalt hatte. Georg Christian Brühl und Jacob Unverzagt führten die Gesellschaft 1886 über die Grenze - aus dem geschichtlichem Rückblick sind die Namen der Führer heute noch bekannt, wie Stefan Moser zu berichten wusste. Den Fahnenträgern wurde, im Gegensatz zu heutigen Grenzgängen, ein Salär von 50 Pfennig pro Tag sowie neue Schärpen gewährt.
Der Grenzgang 1893 wurde wegen Dürre auf das folgende Jahr verschoben. Erste Strafen für Bürger wurden bereits im Protokoll erwähnt. So wurden fünf Bürger mit einer Zehn-Liter-Freibierstrafe zur Kasse gebeten. Erwähnung fand auch die Tatsache, dass man das Grenzgangsjahr mit einem Pfennig Verlust abschloss. Aus dem Grenzgangsjahr 1900 konnte Moser berichten, dass man die Versammlungen wechselweise in den Lokalen Schmidt, Heck und Unkel abhielt. An Spenden führte die Gesellschaft 5 Mark an den Grenzgangsverein und 20 Mark für das Kriegerdenkmal auf dem Marktplatz ab.
Im Jahre 1907 fand erstmals eine von den Frauen der Gesellschaft hergestellte Schleife Erwähnung in den Protokollen. Seit diesem Grenzgang ist auch die Gründung der Burschenschaft Galgenberg aktenkundig.
Nach der kurzfristigen Absetzung des Grenzganges 1914 wegen der Mobilmachung für den Ersten Weltkrieg fand dann im Jahre 1928 wieder der nächste Grenzgang statt.
Neben dem Bau eines ersten "Hüttchens" auf dem Frauenberg waren es die Führer Heinrich Kinkel und Philipp Unverzagt, die Erwähnung in den Protokollen der Gesellschaft fanden. Vor der Inbetriebnahme der heute "ältesten erhaltenen Hütte" wechselte die Gesellschaft auf die Plätze am Knochentriesch beziehungsweise zur Lippershard. Beim Grenzgang 1935 stellten die Galgenberger erstmals mit dem Männeroberst Carl Weigel einen der Repräsentanten. Peter Muntermann und Burkhard Reif führten nach dem Ausfall des Grenzganges 1942 nach dem Zweiten Weltkrieg mit einem Jahr Verspätung die Gesellschaft 1950 über die Grenze.
Die alte Fahne wird heute im Museum präsentiert
In den Folgejahren wird aus den Protokollen deutlich, wer jeweils die Bürger in den Grenzgängen 1956 und 1963 über die Grenze führte. 1969 wurde eine neue Hütte auf dem Frauenberg gebaut und zünftig eingeweiht. 1970 durften die Galgenberger aufgrund ihrer gestiegenen Mitgliederzahlen mit Ludwig Runkel, Erwin Weber und Kurt Achenbach erstmals drei Führer wählen. Diese waren auch für die Anschaffung einer neuen Fahne verantwortlich. Für die Herstellung engagierte sich Volkert Enninga, der die neue Fahne auch der Gesellschaft spendete. Die alte Fahne fristet nun liebevoll restauriert ihr Dasein als Ausstellungsstück im Hinterlandmuseum.
Nach Carl Weigel war es der Galgenberger Helmut Böhle, der zum Mohr des Grenzgangs 1998 und damit zum bekanntesten Repräsentanten gewählt wurde. Neue Höchstzahlen bei den Mitgliederzahlen führten dazu, dass man beim Grenzgang 2005 mit vier Führern über die Grenze marschierte.
Stefan Moser sprach zum Ende seines Rückblicks die Hoffnung aus, dass die zukünftigen Grenzgänge in Freundschaft und Frieden stattfinden sollen. Zu den Gratulanten bei dem Jubiläumsfest gehörten Rainer Höhn in Vertretung der Stadt, eine Abordnung des Komitees mit Uwe Funk an der Spitze, Männeroberst Jens Nassauer mit den Adjutanten Martin Kraft und Andreas Vogel, Männerhauptmann Jens Gemmecke mit Adjutant Sven Kunkler sowie Mohr Willi Donges mit Wettläufer Timo Hanikl.