Mehrere Jahre lang sind bei Wiesenbach geringe Mengen an giftigen PFAS-Stoffen nachgewiesen worden. Zunächst wurde befürchtet, dass ein Trinkwasserbrunnen befallen ist.
Breidenbach-Wiesenbach. In der Nähe des Wiesenbacher Sportplatzes sind bis 2018 geringe Mengen an giftigen PFAS-Stoffen im Grundwasser nachgewiesen worden. Seitdem gab es keine Messungen mehr. Insgesamt wiesen sechs von 120 Messungen minimale PFAS-Belastungen auf.
Der Rechercheverbund aus NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung hat über deutschlandweit 1500 Orten berichtet, an denen sich per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen, kurz PFAS, nachweisen lassen. Früher wurde oft der Begriff PFC verwandt. Bei den Chemikalien handelt es sich um mehr als 10.000 künstlich hergestellte Stoffe. Sie sind wasser-, fett- und schmutzabweisend, jeder ist schon mit ihnen in Berührung gekommen. Verwendet werden sie zum Beispiel in schmutzabweisender Kleidung oder beschichteten Pfannen, aber auch in Kühlmitteln in Wärmepumpen. Die Chemikalien stehen unter anderem in Verdacht, unfruchtbar zu machen und zu Fettleibigkeit und Krebs zu führen.
Einer dieser Messpunkte befand sich in Wiesenbach, die Probe wurde den Angaben des Recherchenetzwerks zufolge schon 2013 genommen. Es ist laut Bericht der einzige Nachweis im Hinterland. In der Breidenbacher Gemeindeverwaltung war bisher keine PFAS-Belastung bekannt, sagte Bürgermeister Christoph Felkl (SPD) auf Nachfrage von Ulrich Schneider (SPD) in der Gemeindevertretung. „Trinkwasser wird nach einem jährlichen Probenahmeplan des Gesundheitsamtes basierend auf die Trinkwasserverordnung turnusmäßig untersucht”, sagte Felkl. In dieser Verordnung spielten PFAS-Stoffe bislang keine Rolle.
Warum eine Probe genommen wurde und wer das damals veranlasst hat, sei nicht bekannt, erklärte Felkl. „Das hessische Landesprüfungs- und Untersuchungsamt im Gesundheitswesen (HLPUG) mit Sitz in Dillenburg führt unsere Untersuchungen durch und analysiert die Proben. Eine Analyse auf PFAS-Parameter ist bisher von dem Untersuchungslabor nicht vorgenommen worden.”
Künftig wird das vorgeschrieben. Mit der neuen EU-Trinkwasserrichtlinie sind zwei neue Grenzwerte für PFAS in nationales Recht umzusetzen: 100 Nanogramm pro Liter für die „Summe der PFAS“ und 500 Nanogramm für den Parameter „PFAS gesamt“. Diese Richtlinie muss bis 2026 in nationales Recht umgewandelt werden. In der Berichterstattung des Rechercheverbunds wird Bezug genommen auf eine Beprobung aus dem Jahr 2013. Zwölf Nanogramm pro Kilogramm Grundwasser sind damals gemessen worden. Das liegt deutlich unter den geplanten Grenzwerten.
Eine Analyse auf PFAS-Parameter ist bisher von dem Untersuchungslabor nicht vorgenommen worden.

Sowohl Ulrich Schneider als auch die Gemeindeverwaltung gingen bislang davon aus, dass im Boxbach gemessen wurde. Erst die Nachfrage dieser Redaktion beim hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) ergab, dass sich die Messstelle am Mehlbach neben dem Sportplatz befand. Die Daten stammen aus einer sogenannten Landesgrundwassermesstelle, die das HLNUG betrieb. Von 2010 bis 2018 führte das Amt am Mehlbach PFAS-Untersuchungen durch, teilte HLNUG-Sprecherin Kim Hußmann auf Nachfrage dieser Redaktion mit. „Im Jahr 2020 musste die Messstelle aus dem Messprogramm genommen werden. Die Funktionsprüfung ergab, dass die Messstelle für eine Probenahme nicht weiter geeignet ist“, erklärt Hußmann.
Von 2010 bis 2018 liegen ihren Angabe zufolge insgesamt 126 Messergebnisse für PFAS-Einzelsubstanzen mit insgesamt sechs Befunden im Konzentrationsbereich von einem bis neun Nanogramm je Liter vor. „Im Jahr 2013 wurde eine PFAS-Summenkonzentration von zwölf Nanogramm je Liter gemessen“, bestätigte Hußmann die Veröffentlichung des Rechercheverbunds.
Werte bisher deutlich unterschritten
Die Ergebnisse in Wiesenbach wiesen darauf hin, dass PFAS inzwischen überall verbreitet sei. Allerdings seien die „Geringfügigkeitsschwellenwerte“ deutlich unterschritten. Nach Angaben des HLNUG ist die PFAS-Stoffgruppe von besonderer Relevanz, da die Stoffe nicht oder nur unvollständig abbaubar sind und häufig „bereits bei niedrigen Konzentrationen humantoxische Wirkungen zeigen”, sprich: Sie sind für Menschen giftig.
Keine Antwort hat die Gemeindeverwaltung auf die Frage, warum überhaupt PFAS im Wasser gefunden wurde. Belastungen werden üblicherweise nämlich an Standorten früherer Industrieanlagen nachgewiesen. In Nordhessen, unter anderem in Waldeck-Frankenberg, wurde Anfang der 2000er-Jahre PFAS-verunreinigter Dünger auf landwirtschaftlich genutzte Flächen aufgebracht.
Das Gesundheitsamt des Landkreises kennt die Grundwasser-Untersuchungsergebnisse aus dem Jahr 2013 in Wiesenbach nicht. Die Behörde bestätigt, dass Trinkwasser bislang nicht auf PFAS-Verbindungen untersucht wird. „Mit Einführung der neuen Trinkwasserverordnung wird die Untersuchung im Trinkwasser verpflichtend werden“, sagte Kreissprecher Stephan Schienbein gegenüber dieser Redaktion.
Kreis sieht bisher keine Gefahr
Das Gesundheitsamt habe Breidenbach über ein „Sondermessprogramm” informiert, berichtete Felkl. Um eine erste Übersicht über PFAS-Vorkommen im Trinkwasser zu bekommen, sollen zunächst alle Wasserversorgungsgebiete mit einer Versorgung von mehr als 5000 Personen beprobt werden. „Gewinnungsanlagen der Gemeinde Breidenbach sind hiervon im geplanten ersten Schritt nicht betroffen”, sagte der Rathauschef.
Schienbein bestätigt diese Kontrollen. Aufgrund der Stichproben aus dem Jahr 2022 könne eine Gefahr durch PFAS-Verbindungen für die untersuchten Gebiete ausgeschlossen werden, sagte Schienbein. „Eine genaue Aussage kann erst getroffen werden, wenn die PFAS-Untersuchungen in jedem Wasserversorgungsgebiet verpflichtend durchgeführt werden.“
Aus dem Tiefbrunnen im Boxbach wurde bis 2016 Wasser gefördert und ins Netz eingespeist. Derzeit überlegt die Gemeinde, ihre eigenen stillgelegten Gewinnungsanlagen zu reaktivieren, so wie den im Boxbach. Hintergrund ist eine hohe Abhängigkeit von der Wasserversorgung aus dem Siegerland.
Die Gemeinde möchte deshalb die PFAS-Belastung prüfen. „Bestätigte Ergebnisse und ein möglicher Umgang damit werden in der Folge in Abstimmung mit Wasserversorger und Behörden aufgezeigt”, sagte Felkl.
PFAS-Vorkommen sind derzeit europaweit in der Diskussion. Zahlreiche Stoffe sollen verboten werden. Das wird unter anderem von Hessens Umweltministerin Priska Hinz (Grüne) befürwortet.