Dautphetaler soll 23-Jährige sexuell genötigt haben

Am Marburger Amtsgericht steht Aussage gegen Aussage. Ein Senior soll während eines Fotoshootings ungewollte Nacktbilder von einer Bekannten gemacht haben. Die Verhandlung ist nach dem ersten Tag unterbrochen worden und wird zu einem späteren Zeitpunkt fortgesetzt.
© Patrick Stein

Am Amtsgericht Marburg muss sich ein 68-jähriger Hobby-Fotograf verantworten. Er soll eine junge Frau unsittlich berührt und Nacktfotos gegen ihren Willen gemacht haben.

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Dautphetal. Ästhetische Bilder vom eigenen Körper sind der Traum vieler Menschen. Professionelle Fotografen verlangen eine Menge Geld. Der Alptraum der Modelle sind amateurhafte Hobby-Knipser, die während eines Shootings aufdringlich werden.

Wegen sexueller Nötigung musste sich jetzt ein 68 Jahre alter Hobby-Fotograf aus Dautphetal am Amtsgericht in Marburg verantworten. Die Staatsanwaltschaft warf dem Senior vor, sich bei einem Fototermin an einer 23-jährigen Steffenbergerin vergangen zu haben.

Unter dem Vorwand, Bilder für ein Buch zu machen, soll der Dautphetaler die junge Frau im Herbst 2020 zu sich nach Hause eingeladen haben. Dort habe es zunächst ein Gespräch zu möglichen Fotomotiven gegeben, dann habe sich die Steffenbergerin ausziehen müssen. Zunächst seien Bilder in Unterwäsche entstanden, dann soll der Senior gefordert haben, dass sich die Steffenbergerin auch diese auszieht.

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Beschuldigter räumt Nacktaufnahmen ein, die seien jedoch einvernehmlich entstanden

Die entstandenen Nacktaufnahmen seien ohne Einverständnis der 23-Jährigen entstanden. Für Aufnahmen vom Intimbereich habe der 68-Jährige die Beine der Frau auseinander gedrückt. Als sich die Steffenbergerin auf den Knien vor ihm befand, soll der Senior sie zudem mit den Fingern vaginal und anal penetriert haben.

„Das ist alles erstunken und erlogen. Nichts von dem, was mir hier vorgeworfen wird, entspricht der Wahrheit“, sagte der Beschuldigte aus. Er und die junge Frau kannten sich seiner Aussage nach bereits länger. Sie kellnerte in einem Restaurant. Bei einer Zigarette sei man auf das Thema Fotografie gekommen und die Steffenbergerin habe um einen Fototermin gebeten.

„Dabei sind tatsächlich Nacktaufnahmen entstanden, aber die waren alle von ihr gewollt“, sagte der Senior und fuhr fort: „Warum hätte ich solche Bilder von ihr machen wollen? Ich weiß nicht, was sie mit den Bildern vorhatte.“

Nach dem Shooting habe man noch in der Küche gesessen, einen Kaffee getrunken und zusammen geraucht. „Sie hat sich sogar noch auf die Bilder gefreut. Ich war schon ziemlich baff, als einige Tage später die Polizei vor der Tür stand“, erklärte der Beschuldigte.

Äußerungen vor Gericht stimmen nicht mit den polizeilichen Aussagen überein

Bei der polizeilichen Vernehmung hatte der Dautphetaler zu Protokoll gegeben, die 23-Jährige für ein Buch über die Ästhetik des weiblichen Körpers fotografieren zu wollen. Davon wollte der Beschuldigte vor Gericht jedoch nicht mehr wissen: „Ich kann mich nicht erinnern, dass ich das gesagt haben soll. Ich habe jedenfalls niemanden zu irgendetwas gezwungen.“

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Als das mutmaßliche Opfer seine Aussage mache, schüttelte der 68-Jährige nur mit dem Kopf. Die 23-Jährige gab an, dass der Senior sie in der Kneipe angesprochen habe, in der sie zu dem Zeitpunkt bediente. „Er sei auf der Suche für sein Buch über den weiblichen Körper gewesen und fragte mich, ob ich mir vorstellen könnte, auf der Titelseite zu erscheinen“, sagte die Steffenbergerin.

23-Jährige wollte nach eigenen Angaben nur helfen

Sie habe sich nichts dabei gedacht und wollte nach dem Bekannten laut eigenen Angaben helfen, sein Projekt zu vollenden.„Nie im Leben hätte ich ihm so etwas zugetraut. Ich habe mich geschämt und bin krank davon geworden“, sagte das mutmaßliche Opfer aus. Sie habe sich so erniedrigt gefühlt, dennoch sei sie aus Angst auf die Forderungen des 68-Jährigen eingegangen.

Zunächst sei das Treffen ungewöhnlich verlaufen. „Ich wusste ja, dass ich für die Fotos nur Unterwäsche trage. Als ich die dann aber auch noch ausziehen musste, wurde es mir wirklich unangenehm“, sagte die 23-Jährige. Der Beschuldigte habe sie jedoch so unter Druck gesetzt, dass sie sich ihm hätte fügen müssen.

„Immer wieder redete er auf mich ein. Ich solle mich nicht so anstellen, das sei unprofessionell. Ich hatte solche Angst, etwas falsch zu machen“, erklärte die junge Frau unter Tränen. Sie habe sich nichts anmerken lassen wollen. Während des Shootings habe sie kurzzeitig die Flucht ergreifen wollen und hatte sich im Bad eingeschlossen.

„Dann dachte ich aber: ´Ich ziehe es jetzt durch, dann lässt er mich bestimmt in Ruhe’“, sagte die 23-Jährige. Selbst, als er seine Finger in sie eingeführt habe, sei sie nicht fähig gewesen, sich zu wehren oder wegzulaufen.

Seit dem Shooting leidet die Steffenbergerin an den psychischen Folgen

Sie habe sich nur ihrem damaligen Freund und ihrer Schwester anvertrauen können und leidet seit der Tat an den psychischen Folgen. „Bei mir wurden eine Depression und eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert und ich muss nach wie vor Tabletten nehmen“, sagte die Steffenbergerin.

Auch der Ex-Freund und die Schwester des Opfers bestätigten eine Wesensveränderung bei der 23-Jährigen. „Wir sind früher unterwegs gewesen, sind in Clubs gegangen und haben das Leben genossen. Seit dem Treffen mit dem Beschuldigten ist sie total verändert – in sich gekehrt, ängstlich, verschlossen“, gab die Schwester an.

„Unser Sexualleben war vor diesem Vorfall erfüllt. Danach hatte sie Berührungsängste. Irgendwann hat es dann einfach nicht mehr gepasst“, sagte der ehemalige Lebensgefährte. Die Angelegenheit habe die Beziehung erheblich belastet und sei einer der Gründe für die spätere Trennung gewesen.

Amtsrichter Dominik Best unterbrach die Hauptverhandlung nach den ersten Zeugenaussagen. An einem zweiten Verhandlungstag sollen weitere Zeugen sowie Gutachter gehört werden.